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Helin Evrim Sommer: Populismus hat noch niemanden satt gemacht

Rede von Helin Evrim Sommer,

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Entwicklungsminister Müller! Ich muss sagen, die Sonntagsreden der Bundesregierung kenne ich – immer mit dem Scheinargument, den Armen auf dieser Welt zu helfen. Die Entwicklungspolitik spricht leider – tut mir leid – eine andere Sprache: Der Anteil der ärmsten Empfängerstaaten an der deutschen Entwicklungszusammenarbeit schrumpft seit Jahren. Das ist an Zynismus kaum zu übertreffen.

(Beifall bei der LINKEN)

Mehr noch: Die Bundesregierung rechnet die Kosten für die Unterbringung von Geflüchteten in die Entwicklungsausgaben mit ein. Das bedeutet, das reiche Deutschland ist selbst der größte Empfänger von deutscher Entwicklungshilfe, meine Damen und Herren. Wie absurd ist das denn, bitte schön?

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist, als würde man für einen Grillabend mit Freunden einkaufen, aber am Ende alles selber aufessen.

(Dr. Wolfgang Stefinger [CDU/CSU]: Blödsinn!)

Wir fordern sie auf: Beenden Sie diese Zweckentfremdung von Steuergeldern, und stellen Sie endlich 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Entwicklungszusammenarbeit bereit!

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Wolfgang Stefinger [CDU/CSU]: Ist so ein Schmarren!)

Die Koalition – das wurde hier ja schon oft angesprochen – hat eigentlich eine Eins-zu-eins-Bindung für Erhöhungen bei den Verteidigungs- und den Entwicklungsausgaben vereinbart. Machen wir doch einmal eine einfache Rechnung auf: Frau von der Leyen soll zukünftig 1,5 Milliarden Euro mehr bekommen, um sich als Aufrüstungsministerin so richtig zu profilieren. Entwicklungsminister Müller hingegen soll nur 900 Millionen Euro erhalten. Das zeigt Ihre wahren Prioritäten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie brechen Ihren eigenen Koalitionsvertrag, kaum dass die Tinte trocken ist.

Lieber Herr Müller, ich schätze die kontroversen Gesprächsrunden mit Ihnen sehr. Ich halte Sie übrigens auch – das haben Sie auch in Ihrer Rede hier gezeigt – für einen fortschrittlichen Entwicklungshilfeminister.

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Finanztransaktionsteuer zum Beispiel könnten Sie mit uns Linken sofort einführen, aber mit Ihrer Partei leider nicht, lieber Herr Minister.

(Beifall bei der LINKEN – Ottmar von Holtz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit dem Finanzminister aber auch nicht!)

Darüber hinaus habe ich den Eindruck – das muss ich auch sagen –, dass Sie sich vor allem als Fluchtabwehrminister profilieren müssen, um zu zeigen, dass Sie immer noch CDU-Mitglied sind.

(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: CSU!)

Ich glaube, Herr Entwicklungshilfeminister Müller,

(Bundesminister Dr. Gerd Müller verlässt die Regierungsbank und begibt sich in die Reihen der CDU/CSU-Fraktion)

das haben Sie wirklich nicht nötig.

(Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Ich möchte Ihnen in die Augen schauen!)

– Okay.

Und jetzt ganz neu: Die Festung Europa zieht die Mauern immer höher und schafft Außenlager in Nordafrika. Der Deal: Geld für autokratische Gewaltherrscher, damit sie Geflüchtete aus anderen Staaten stoppen, internieren und zurückweisen. Das ist zynisch, das ist kurzsichtig, und das ist vor allem, meine Damen und Herren, unmenschlich!

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Das ist aber nicht mein Vorgehen!)

Wir fordern: mehr legale Fluchtwege nach Europa, offene Grenzen für Menschen in Not und eine wirkliche Bekämpfung von Fluchtursachen.

(Beifall bei der LINKEN)

Zum Schluss: Sorgen Sie dafür, dass es nicht bei diesen Sonntagsreden bleibt! Menschen ertrinken vor Ihren Augen, und Sie schalten auf „Parole Populismus“. Aber nicht mit uns Linken, meine Damen und Herren!

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)