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Heidrun Bluhm: Gleichwertige Lebensverhältnisse und Chancengleichheit für ländliche Räume herstellen

Rede von Heidrun Bluhm-Förster,

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie die Debatte hier heute zeigt, haben wir kein Wissensdefizit. Wir haben aber ein großes Handlungsdefizit, und zwar im gesamten System.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir sind uns einig – auch das zeigt die Debatte –: Es braucht eine Offensive für die ländliche Entwicklung und eine wirkliche Zukunftsperspektive für ländliche Regionen, um hier auch zukünftig Wertschöpfung zu ermöglichen und um nicht alles in den Metropolen zu konzentrieren, auch mit all den negativen Erscheinungen wie Verkehrskollaps, schlechte Luft oder unbezahlbare Mieten. Während die Koalition aber in Kommissionen noch debattiert, hat Die Linke längst aufgeschrieben, wie sich gleichwertige Lebensverhältnisse in Deutschland umsetzen lassen. Unser Antrag wird morgen auf der Tagesordnung sein. Sie können sich bereits daran beteiligen, mit uns um den besten Weg zu streiten.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Daldrup, mit diesem Antrag zeigen wir Ihnen auch, dass Herr Bartsch eben nicht aus Verliebtheit in die Litanei des Elends gesprochen hat, sondern dass wir klare Lösungsansätze haben, denen Sie sich zuwenden sollten.

(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Warum leben Sie das nicht in den Ländern, wo Sie die Regierung stellen? Sie hätten doch die Möglichkeit, das da zu leben!)

– Sie können eine Frage stellen, Frau Connemann. Dann kann ich gern darauf antworten.

Das, was wir brauchen, ist zuallererst das, was auch Herr Bartsch hier gesagt hat: gute Voraussetzungen für den ländlichen Raum, damit sich auch die Wirtschaft in diesem Bereich entwickeln kann. Glasfaserausbau und flächendeckendes 5G, das wird hier überall genannt. Herr Scheuer, Sie stehen hier vor der Aufgabe, das demnächst auszuschreiben und das in Deutschland zu realisieren. Ich sage Ihnen: Wir dürfen das nicht versemmeln.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Bernhard Daldrup [SPD])

Wir wollen, dass tatsächliche Wertschöpfung in den ländlichen Regionen stattfindet und dass sich dort Kreative sowie Start-ups niederlassen können und auch entsprechende Bedingungen dazu vorfinden. Und wir wollen, dass jene kleinen und mittleren Unternehmen, die bereits heute im ländlichen Raum arbeiten, zukünftig nicht abgehängt sind. Politik muss dafür sorgen, dass auch hier gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Unternehmerinnen und Unternehmer gewährleistet werden. Nur so können wir regionale Wertschöpfung überall sichern. Nur so können wir dafür sorgen, dass Gewinne, die im ländlichen Raum generiert werden, auch tatsächlich dort verbleiben. Wir brauchen eine Agrar- und Ernährungswirtschaft, die vor allem regional produziert und vermarkten kann, die miteinander vernetzt ist, voneinander weiß und aneinander partizipiert.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen, wie Frau Giffey, lebendige Räume, damit die Menschen überall gut leben können, Räume in Stadt und Land, in denen sie auch gut versorgt sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Das geht zum Beispiel durch kommunale Energieversorgung oder, besser noch, mit Bürgerenergie, beispielsweise durch Genossenschaftsmodelle in Form von Dorfläden. Wer schon mal eine Genossenschaft gegründet hat, weiß, wie schwer das heute ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Damit können wir den Interessen der Konzerne, die den ländlichen Raum nur noch als Rohstoff- und Energielieferanten betrachten, wirksam entgegenwirken. Die Linke will, dass Kindertagesstätten, Schulen, Sportstätten, Jugend- und Gemeinschaftshäuser, aber auch die pflegerische und gesundheitliche Versorgung bedarfsgerecht zur Verfügung gestellt werden. Ein erster Schritt dazu wäre schon mal, die Einrichtungen, die wir noch haben, zu erhalten, und ein zweiter Schritt wäre, die Einrichtungen, die wir verkauft und privatisiert haben, zu rekommunalisieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch Nahversorgung und Kultureinrichtungen müssen überall für alle Menschen erreichbar sein; der ÖPNV muss leistungsfähig und barrierefrei sein; Schulkinder sollten maximal eine Stunde am Tag für den Schulweg benötigen; sie brauchen obendrein ein vielfältiges Bildungsangebot in der Fläche, flexible Schulformen und auch digitalen Unterricht. Ich könnte alle Vorstellungen, die wir haben, hier vortragen; aber wir wollen das ja noch in den Ausschüssen diskutieren; deswegen will ich das hier auch nicht weiter ausführen.

Was ich aber noch ausführen muss, ist, dass wir insbesondere in den ehrenamtlich geleiteten Kommunen die Möglichkeiten der Fördermittel gar nicht ausschöpfen können, dass der Dschungel der Förderungen durch die verschiedenen Ebenen – Bund, Land, Kreise – so groß ist, dass gerade im Ehrenamt diese Arbeit nicht alleine geleistet werden kann. Hier sind wir uns einig – auch mit Frau Klöckner –, dass auch für das Ehrenamt hauptamtliche Unterstützung da sein muss. Ich bin gespannt auf die Vorschläge, die von ihr in dieser Richtung kommen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein letzter Punkt, den ich ansprechen will, sind die Altschulden der Kommunen.

Letzter Satz, Herr Präsident. – Es geht nicht nur um die Altschulden, die die Kommunen strukturell mit sich herumtragen, sondern auch um die Altschulden der ostdeutschen Wohnungswirtschaft; denn auch sie müssen endlich vom Tisch – nach 30 Jahren Geschichte.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)