Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Haase beendete seine Rede mit der Bemerkung: Dieser „Haushalt kann sich sehen lassen“. Ja – insofern hat er recht –, wir haben es in der Bereinigungssitzung durchaus geschafft, das eine oder andere in diesem Haushalt zu verbessern, sogar durch Koalitionsanträge. Darüber bin ich sehr froh. Einige Dinge, die wir als Opposition vorher in den Haushaltsausschuss eingebracht haben, sind auch in solche Anträge eingeflossen. Darüber freuen wir Linke uns natürlich besonders. Aber die Frage ist doch, ob wir mit der Kontinuität, die dieser Haushalt darstellen soll, auch die richtigen Signale senden für die Lösung der Aufgaben in der Landwirtschaft und bei der Ernährung unserer Bevölkerung.
(Beifall bei der LINKEN)
Meine Fraktion hat in den letzten Jahren immer kritisiert, dass das Budget und die Verteilung der Mittel nicht im Sinne eines einfachen Weiter-so realisiert werden dürfen. An dieser Kritik müssen wir leider auch heute weiter festhalten.
(Beifall bei der LINKEN)
Nach wie vor ist Die Linke der Überzeugung, dass die dringenden Reformvorhaben in der Debatte um die Neuordnung der kompletten Agrarförderung in der Gemeinsamen Agrarpolitik auf EU-Ebene und Deutschlands Beteiligung an dieser Gemeinschaftsaufgabe weitaus größere Anstrengungen erfordern, als die Bundesregierung bereit ist umzusetzen. Es geht in erster Linie darum, wie wir die agrarpolitischen Leistungen für das Gemeinwohl und ihre Effekte für den sozial-ökologischen Umbau der Landwirtschaft in Zukunft gerecht honorieren. Mit einem Weiter-so werden wir die Ausgleichszahlungen, die eingeführt wurden, um Wettbewerbsnachteile der europäischen Landwirtschaft im Welthandel auszugleichen, niemals überwinden können.
(Beifall bei der LINKEN)
Und auch die betroffenen landwirtschaftlichen Betriebe spüren keinen wirklich starken Verhandlungswillen unserer Ministerin in Brüssel in dieser Frage.
Meine Damen und Herren, in den Details des Haushaltsplanes können wir allerdings einige Trendverschiebungen beobachten, die ich kurz benennen möchte. Immerhin ist es möglich geworden, etwas mehr als 1 Milliarde Euro zusätzlich für Ernährung und Landwirtschaft zur Verfügung zu stellen. Von dieser Summe soll knapp die Hälfte für die Erhaltung, die bessere Nutzung, die Schadensbeseitigung und Rekultivierung des Waldes ausgegeben werden. Das begrüßt Die Linke ausdrücklich. Diese Mittel sollen, soweit sie nicht der Forschung gewidmet sind, über die GAK, also die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“, für die nächsten Jahre bis 2023 zur Verfügung stehen. Leider ersetzen sie nicht die Soforthilfe, die wir mit unserem Antrag im Sommer dieses Jahres für die kleinen kommunalen und privaten Waldbesitzer in Höhe von 200 Millionen Euro gefordert hatten, um die größeren Belastungen der Waldbauern etwas zu kompensieren.
(Beifall bei der LINKEN)
Aber man soll die Hoffnung ja nicht aufgeben. Deshalb fordern wir in unserem Entschließungsantrag zum Haushaltsgesetz 2020, der am Freitag zur Abstimmung stehen wird, wieder 200 Millionen Euro für ein Förderprogramm Waldumbau für den Einsatz von resistenten, ökologischen Mischwaldkulturen.
(Beifall bei der LINKEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie üblich hat die Koalition in letzter Sekunde vor der Bereinigungssitzung ihre Änderungsanträge vorgelegt. Einer davon betrifft die Weidetierhaltung. Wir hätten schon fast gejubelt.
(Rainer Spiering [SPD]: War aber nicht schlecht!)
Schließlich hatte Die Linke vorher zusammen mit Bündnis 90/Die Grünen zum einen gefordert, eine Weidetierprämie durchzusetzen. Zum anderen haben wir vorgeschlagen, ein Bundesprogramm Weidetierhaltung mit 50 Millionen Euro jährlich aufzulegen und ein Herdenschutzkompetenzzentrum mit 2 Millionen Euro jährlich auszustatten. Leider ohne Erfolg.
Stattdessen hat die Koalition nun 1,5 Millionen Euro über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ für Herdenschutzmaßnahmen bereitgestellt. Nur, dieses Geld kommt nicht zusätzlich, sondern es entspricht den Mitteln für das gestrichene Bundesprogramm Wolf zur finanziellen Unterstützung von Wanderschäferinnen und Wanderschäfern. Ob ein solcher Geldverschiebebahnhof überhaupt funktioniert, ist offen. Aber da die gleiche Summe auch im Bundesprogramm Nutztierhaltung gestrichen wird, ist das nicht nur ein Verschiebebahnhof, sondern Trickserei.
(Beifall bei der LINKEN)
So spielt man Nutztierhalter gegeneinander aus. Das ist angesichts der schwierigen Situation völlig inakzeptabel. Für diese Maßnahme hätten Sie besser die Million ausgeben sollen, die Sie jetzt für die Stärkung der Außenhandelsbeziehungen vorsehen. Das wäre ehrlicher und klarer gewesen.
(Beifall bei der LINKEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Vorgehensweise ist auch kein gutes Zeichen für die Strukturverbesserung in den ländlichen Räumen generell. Hier hätte zum Beispiel die Chance bestanden, das Bundesprogramm Ländliche Entwicklung, BULE, substanziell weiter zu stärken, statt auf weitere fünf Ministerien zu verteilen. Insbesondere für die Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen in den Bereichen Lebensmittelverarbeitung und ‑vermarktung ist eine Erhöhung der Finanzmittel erforderlich. Aber die dafür notwendige Grundgesetzänderung, die wir bereits in der letzten Legislatur diskutiert haben, ist wieder in weite Ferne gerückt; davon spricht die Koalition heute leider nicht mehr. So könnte man das dann über BULE oder über den Sonderrahmenplan „ Förderung der ländlichen Entwicklung“ durch Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen für agrarische Produkte machen, was sich die Bauern vor Ort zum Teil wünschen.
Unser Vorschlag zielt mit der Erhöhung um 2 Millionen Euro auch auf die engere Verzahnung von Wirtschaft und Landwirtschaft ab, eingerahmt von einer Umweltpolitik, die dem ganzheitlichen Politikansatz der Linken für einen sozial-ökologischen Umbau der Gesellschaft entspricht.
(Beifall bei der LINKEN)
Im Übrigen soll der zweite Teil der zusätzlichen Milliarde zu großen Teilen in die Entwicklung der ländlichen Räume fließen. Aber leider war auch in den Berichterstattergesprächen noch nicht viel Handfestes zu erfahren, was mit diesem Geld in den nächsten Jahren konkret passieren soll und wird. Das werden wir im Auge behalten und engmaschig überprüfen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich als letzten Punkt einige Anmerkungen zum gerade beschlossenen Agrarpaket machen, weil hier offensichtlich mehrere Züge auf demselben Gleis aufeinander zurasen. Einige meiner Vorredner haben sich dazu bereits geäußert.
In der letzten Woche war ich in meinem Wahlkreis von der neu gegründeten Initiative „Land schafft Verbindung – MV“ – MV heißt Mecklenburg-Vorpommern – eingeladen. Das sind Akteure, die sich übrigens deutschlandweit vernetzt haben und auf Probleme und die Tragweite des Agrarpakets aufmerksam machen wollen. Wir haben heute bei unserer Anreise ins Plenum alle erlebt, wie viele Bäuerinnen und Bauern sich deswegen nach Berlin aufgemacht haben. Es sind aber eben nicht nur Bäuerinnen und Bauern, an die sich das Agrarpaket richtet, sondern auch Menschen, die auf dem Land leben, die im weitesten Sinne beruflich mit der Landwirtschaft zusammenhängen oder von ihr abhängen, und Menschen, die sich für ihre Region insgesamt starkmachen wollen.
Die Landwirte in Mecklenburg-Vorpommern befürchten, dass das Agrarpaket den aus ihrer Sicht negativen Strukturwandel weiter anheizen wird. Aktuell arbeiten in meinem Heimatbundesland noch 4 700 agrarische Betriebe mit mehr als 25 000 Beschäftigten; aber die Zahl wird von Jahr zu Jahr kleiner. Aufkäufer für Geldanlagen sind vielfach unterwegs und treiben die Boden- und Pachtpreise in schwindelerregende Höhen. Die Handelsketten kaufen mittlerweile große Agrarbetriebe auf und werden den Kampf unserer Landwirte um auskömmliche Preise weiter anheizen.
Frau Ministerin Klöckner, der Verweis in Ihrem Redebeitrag, den Sie am vergangenen Wochenende auf dem Parteitag in Leipzig gehalten haben, darauf, dass Sie den Ärger der protestierenden Bäuerinnen und Bauern verstehen können, weil sie sich von der sogenannten renitenten Umweltschutzgruppe, die das Image der Landwirte kaputtgemacht hat, in den Schmutz gezogen fühlen, wird den rasenden Zug nicht aufhalten.
Eine Hauptkritik dieser Initiative, die heute hier in Berlin demonstriert, richtet sich auch gegen die Bundesregierung und ihre Politik. Ich nenne hier auszugsweise einige Forderungen, für die die Politik bis heute nichts leistet: Landwirtschaftliche Preise müssen kostendeckend sein.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Gitta Connemann [CDU/CSU])
Sie dürfen nicht erst am Ende der Verwertungskette, nach Handel und Verarbeitung, als Restpreis gebildet werden.
Umwelt- und Tierschutz müssen durch die gesamte Gesellschaft getragen werden. Das ist nicht alleine durch die Landwirtinnen und Landwirte zu stemmen.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Susanne Mittag [SPD])
Auch eine deutliche Reduzierung des landwirtschaftlichen Flächenverbrauchs von 70 Hektar am Tag ist Natur- und Insektenschutz. Das ist aber nicht alleine durch Landwirtinnen und Landwirte zu verantworten.
Die Schaffung von Möglichkeiten für einen echten Vertragsnaturschutz, damit der Lebensunterhalt auch mit Naturschutz gesichert werden kann, ist für Bäuerinnen und Bauern nötig.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Susanne Mittag [SPD])
Das war nur ein kleiner Auszug vieler weiterer Forderungen.
Frau Klöckner, was die Landwirte am allermeisten ärgert, ist, dass sie selbst nicht einbezogen wurden, bevor dieses Agrarpaket verabschiedet wurde, und dass die Erfahrungen von Bäuerinnen und Bauern und wissenschaftliche Erkenntnisse oft unberücksichtigt bleiben und Zielkonflikte insgesamt verschwiegen werden.
Ich komme zu meinem letzten Satz. – Frau Ministerin, das zu verändern, ist Ihre Verantwortung. Somit sitzen auch Sie in einem dieser rasenden Züge.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der LINKEN)