Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Vermögen erhalten, ehrlich bilanzieren, richtig investieren – das ist aus der Fibel des ehrbaren Kaufmanns abgeschrieben und könnte hier im Haus eigentlich einen breiten Konsens finden, wenn das Adjektiv „öffentlich“ nicht wäre. Öffentliches Vermögen erhalten, durch richtiges Investieren stärken, gleichzeitig aber Schuldenbremse und ÖPP – mit kleinen Korrekturen – gut finden,
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt so nicht!)
das geht nicht zusammen, liebe Bündnisgrüne. Ihr Antrag hört sich gut an, das ist er aber nicht. Es ist gerade der Vorteil der Kameralistik, dass sich der Staat nicht wie ein privater Kaufmann verhalten muss.
(Beifall bei der LINKEN)
Fragen Sie mal viele Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die das von ihnen verwaltete Vermögen in den vergangenen Jahren bilanzieren mussten. Viele Kommunen waren danach pleite. Würde Ihr Antrag angenommen, würde er dazu beitragen, dass der Staatshaushalt börsenreif gemacht wird. Deshalb lehnen wir Linke ihn ab.
Trotzdem kommt die Debatte über diesen Themenkomplex genau zur richtigen Zeit; denn die Analyse in Ihrem Antrag ist größtenteils richtig, Herr Kindler: Der Bund versteckt Schulden. Der Bund investiert zu wenig in Infrastruktur. Vermögenswerte werden verzehrt. ÖPP ist ein Umgehungstatbestand der Schuldenbremse, privatisiert Gewinne und verstaatlicht Verluste und Risiken.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das transparent zu machen, ist doch vernünftig!)
Aber, Herr Spahn, genau das wollen Sie doch auch. Tun Sie doch hier nicht so, als wenn die in dem Antrag formulierte Analyse nicht richtig wäre. Am 31. März 2017 sollen wir doch über mehrere Grundgesetzänderungen abstimmen, mit denen die Bund-Länder-Finanzbeziehungen nach 2019 neu gestaltet werden sollen. In diesem Zusammenhang wollen Sie hinsichtlich öffentlichem Vermögen, Schuldenbremse und ÖPP neue Festlegungen treffen.
Stimmt der Bundestag den geplanten Grundgesetzänderungen zu, dann setzt er damit einen massiven Privatisierungsschub in Gang; das führt sogar die Frankfurter Rundschau unter dem Titel „Die Autobahn als Profitmaschine“ aus. Denn trotz anderslautender Bekundungen werden mit der Grundgesetzänderung Privatisierungen beim Bau und Betrieb von Autobahnen und Schulen ermöglicht, zwar nicht in Form, wie ursprünglich vom Finanzminister vorgeschlagen, einer materiellen Privatisierung, aber über den Umweg der Beteiligung Privater am Eigenkapital von Tochtergesellschaften der öffentlichen Hand.
(Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: So ist es!)
Das soll grundgesetzlich ermöglicht werden und wird auch passieren, wenn wir im Bundestag nicht noch die Notbremse ziehen.
Der mitregierenden SPD sei gesagt, dass sie mit einer Zustimmung zu diesem Gesetzespaket ihrem Kanzlerkandidaten ein gewaltiges Kuckucksei ins Nest – oder ins Kanzleramt – legen würde; denn damit wird die Verfügungsgewalt über öffentliches Eigentum zentralisiert und über Umwege die Möglichkeit eröffnet, öffentliches Eigentum auf privates überzuleiten.
(Zuruf von der SPD: Sonst sind Sie doch immer für Zentralisierung!)
Der Bundesrechnungshof hat dies als „funktionale Privatisierung“ bezeichnet und eindringlich vor den Folgen gewarnt.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die Fratzscher-Kommission des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung hat maßgeblich die Vorschläge für das Wirtschaftsministerium erarbeitet,
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Nein! Herr Gabriel war das!)
die mit dieser Grundgesetzänderung in Gesetzesform gegossen werden sollen. In der Kommission mitgewirkt haben unter anderem die Deutsche Bank und die Allianz AG.
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Also ganz schlimm! Furchtbar!)
Letztere hat ihre Renditeerwartung aus den ÖPP-Betreibermodellen mit 5 bis 8 Prozent beziffert, und das, obwohl öffentliche Kredite zurzeit für null zu haben sind.
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Das ist Eigenkapital!)
Aber der Bund selbst hat ja – Herr Spahn hat es gesagt – keine ausreichenden eigenen Planungskapazitäten mehr, um die notwendigen Investitionen überhaupt abzuwickeln. Auch das muss sich ändern.
(Beifall bei der LINKEN)
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, zunächst können Bund, Länder und Kommunen sich unter Umgehung der Schuldenbremse an ÖPP-Projekten beteiligen. Aber dann müssen sie bei Einhaltung der Schuldenbremse jahrzehntelang für die überteuerten ÖPP-Projekte zahlen. Das ist heute schon die bittere Erfahrung vieler Kommunen. Was nützt es den Menschen also, ein über ÖPP schön saniertes Schulgebäude stehen zu haben, wenn Hausmeister und Reinigungskräfte entlassen werden müssen, weil die Kommunen kein Geld mehr für deren Bezahlung haben, nachdem die fälligen Raten und Zinsen für die ÖPP-Schulprojekte abgeführt sind? So konkret stellen sich die Fragen, wenn es heute um den Erhalt öffentlichen Vermögens, ehrliche Bilanzierung und richtiges Investieren geht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Erhalt und Ausbau von öffentlichem Vermögen müssen natürlich Schwerpunkt solider Haushaltspolitik sein. Das geht aber anders, liebe Grünen,
(Beifall bei der LINKEN)
nämlich durch ehrliche Bestandsaufnahme, Bestimmung des Nutzungszwecks, solide Finanzplanung, orientiert am Bedarf, sowie transparente und zweckorientierte Investitionsplanung in den jeweiligen Haushaltsjahren. Nur so bleibt das Bundesvermögen ökologisch und ökonomisch in Topform, bedarfsorientiert und zukunftsfähig. Ein börsennotiertes Bundesvermögen kann kein Ziel unserer Haushaltspolitik sein.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)