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HCV-geschädigte Bluter müssen endlich eine Entschädigung erhalten

Rede von Frank Spieth,

Antrag DIE LINKE. „Entschädigungsregelung für durch Blutprodukte mit HCV infizierte Bluter schaffen“

 

sowie

 

Antrag Bündnis90/DIE GRÜNEN „Humanitäre Entschädigungslösung für mit HCV infizierte Hämophilieerkrankte schaffen“

zu Protokoll

Anrede,

der HIV-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages hat im Jahre 1994 festgestellt, dass nicht nur die Arzneimittelhersteller, die Blutspendedienste und die Behandler, sondern auch die Bundesrepublik Deutschland verantwortlich dafür waren, dass eine Gruppe von mehreren Tausend Blutern durch Blutprodukte mit HCV infiziert worden sind. Diese relativ kleine Gruppe, die durch diesen Medikamentenskandal mit dem Hepatitis-C-Virus infiziert wurde, bekommt keinerlei Entschädigung für die ihre Leiden. Die Bundesregierung und die große Koalition drücken sich mit mehr oder minder irreführenden Erklärungen um Entschädigungsleistungen.

Als wir im Februar in der ersten Lesung über diese Fragestellung debattiert haben, wurde uns unterstellt, dass unser Antrag wie ein SPD-Redner mutmaßte „dem bevorstehenden Wahlkampf geschuldet“ sei. Einen größeren Unsinn kann man nicht behaupten. Für Wahlkämpfe gibt es deutlich geeignetere Themen. Ein Kollege der FDP meinte, dass unser Antrag „falsche Hoffnungen“ wecke. Wir wollen keine falschen Hoffnungen wecken, DIE LINKE will, dass den Betroffenen, wie es weltweit auch geregelt wurde, endlich geholfen wird. Wir wecken keine falschen Hoffnungen, ganz im Gegenteil. Sie schaffen durch Ihre ablehnende Haltung große Enttäuschung bei den Betroffenen.

DIE LINKE will, dass den Betroffenen endlich Gerechtigkeit widerfährt und eine Entschädigungsregelung beschlossen wird. Wenn behauptet wird, dass die Erkenntnisse aus dem Untersuchungsausschuss uns zu falschen Schlussfolgerungen führe, sei den Kritikern das Studium der Ergebnisse empfohlen.

Ein Kollege von der CDU sagte in der Debatte, die Infektionen seien zum damaligen Zeitpunkt unvermeidlich gewesen. Erst sehr viel später habe man den Erreger, das Hepatitis-C-Virus, mit verbesserten technischen Möglichkeiten zweifelsfrei identifizieren können. Hier werden einige wichtige Tatsachen verdreht: Seit den 1970er-Jahren war die Infektionsgefahr bekannt. Ende der 1970er-Jahre wurden Verfahren erforscht, die eine Infektion durch Blutprodukte nahezu ausschließen konnten. Diese Verfahren funktionieren unabhängig davon, ob man das Virus kennt, weil sie gegen alle Viren wirken. Richtig ist, dass genau deshalb die mit dem alten Verfahren hergestellten Blutprodukte seit Ende 1983 nicht mehr in Verkehr hätten gebracht werden dürfen. Grundlage dafür war der § 5 des Arzneimittelgesetzes.

Dennoch wurden die Medikamente zum Teil bis 1987 weiter verabreicht. Ich bin wie der Untersuchungsausschuss der Auffassung, dass hier ein Versagen des Bundesgesundheitsamtes vorliegt. Auch der damalige Bundesgesundheitsminister und heutige bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer sah das damals offenbar so: Wie in der Wochenzeitung DIE ZEIT vom 28.01.1994 nachzulesen ist, war für Herrn Seehofer dieser Medikamentenskandal sogar der Anlass, das Bundesgesundheitsamt aufzulösen.

Die Betroffenen müssen in mühsamen Prozessen versuchen, zu ihrem Recht zu kommen. Aktuell wird in den USA ein internationaler Prozess geführt, an dem auch etwa 60 bis 70 deutsche Opfer beteiligt sind. Es sieht derzeit so aus, dass sich die Pharmaindustrie außergerichtlich zu Zahlungen bereiterklären könnte - ein möglicher Erfolg - aber immerhin erst ein viertel Jahrhundert nach den Infektionen. Und was bedauerlich ist: In Deutschland, weiterhin Fehlanzeige!

Ich kann die Haltung der Bundesregierung und der Koalition nicht nachvollziehen: Selbst wenn man der Auffassung ist, dass im rechtlichen Sinn keine eindeutige Schuld bei den Beteiligten vorliegt und in dieser Frage eine andere Auffassung vertritt, als der damalige Untersuchungsausschuss, muss man doch fragen, warum keine Entschädigungslösung ermöglicht wird? Andere Staaten waren in der Lage, das zu regeln.

In den selben Blutprodukten steckte oft auch das AIDS-Virus. Für die Personengruppe, die sich mit HIV infizierte, wurde 1995 - wie ich finde, vollkommen zurecht - das HIV-Hilfegesetz verabschiedet. Die Ansteckung mit AIDS hätte sich durch die veränderten Herstellungsverfahren genau so vermeiden lassen können, wie die Hepatitis-C-Infektionen.

Was macht also den Unterschied aus?

Der Unterschied bestand ganz offenkundig darin, dass davon ausgegangen wurde, dass es gegen AIDS keine Behandlungsmöglichkeiten gibt und diese Krankheit tödlich ist. AIDS ist auch noch heute tödlich, allerdings hat sich durch die Behandlung die Lebenserwartung deutlich vergrößert. Für die Hepatitis-C-Infektionen gilt das im Grunde genommen auch! Im Vergleich zu AIDS gibt es aber einen deutlichen Unterschied. Hepatis-C ist nicht im Zentrum der öffentlichen Wahrnehmung. Mittlerweile weiß man, dass auch diese Krankheit die Lebenserwartung um 15 bis 18 Jahre verringert und die verbleibende Lebenszeit zudem durch die Erkrankung in ihrer Qualität stark beeinträchtigt ist.

Deshalb fordert DIE LINKE: Ob nun ein Staatsverschulden vorliegt oder nicht endlich auch dieser Betroffenengruppe eine Entschädigungsregelung zukommen zu lassen.