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Haushaltsberatungen zum Etat 2007 - Außwärtiges Amt

Rede von Michael Leutert,

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wenn im Bundestag über Außenpolitik gesprochen wird, ist sehr oft von Frieden und gestiegener internationaler Verantwortung Deutschlands die Rede. Auch im Koalitionsvertrag steht in dem Kapitel zur Außenpolitik als erster Satz: Deutsche Außen-, Europa- und Entwicklungspolitik dient dem Frieden in der Welt. Dies ist ein Kernsatz, den wir natürlich unterstützen können. Aber ich denke, wir als Opposition werden die Regierung nicht bloß an solchen Lippenbekenntnissen, sondern auch an den Realitäten messen müssen und messen.

Der Haushalt ist sozusagen die materielle Unterfütterung dieser Ziele. Ansonsten sind die Ziele das Papier nicht wert, auf dem sie stehen. Wir sprechen heute über den Etat des Auswärtigen Amtes. Er umfasst - das wurde schon erwähnt - 2,5 Milliarden Euro. Das ist nicht einmal 1 Prozent des Gesamtetats.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Unglaublich!)

Dies ist die zivile Komponente der Außenpolitik. Dagegen steht ein Verteidigungsetat von über 28 Milliarden Euro, der damit der zweitgrößte Einzeletat im Bundeshaushalt ist. Er umfasst weit über 10 Prozent des Gesamtetats. Das ist die militärische Komponente der Außenpolitik. Der Wahrheit halber muss man dazusagen, dass von diesen 2,5 Milliarden Euro beim Auswärtigen Amt noch ungefähr 600 Millionen Euro abgezogen werden müssen, nämlich Beiträge an die UN für friedenserhaltende Maßnahmen, also Militäreinsätze, die unter UN-Mandat stattfinden, für die Deutschland als Mitglied der UN zahlt.

Zu guter Letzt gibt es vom Auswärtigen Amt zum Verteidigungsministerium eine Quersubventionierung, über die hier eigentlich nie gesprochen wird. Nimmt nämlich Deutschland an UN-Missionen teil, bekommt es dafür von der UN Aufwandsentschädigungen. Diese umfassten in den Jahren 2003 bis 2005 immerhin 74 Millionen Euro. Sie fließen allerdings nicht in den Topf, aus dem sie finanziert wurden, sondern natürlich in den Topf des Verteidigungsministeriums. Wenn man sich allerdings die Größenverhältnisse anschaut - weniger als 1 Prozent zivile Außenpolitik, mehr als 10 Prozent militärische Außenpolitik -, dann müsste man eigentlich zu dem Schluss kommen, dass diese 74 Millionen Euro wesentlich besser beim Auswärtigen Amt aufgehoben wären.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir debattieren jedes Jahr im Haushaltsausschuss beispielsweise darüber, ob wir 11 Millionen oder 12 Millionen Euro für zivile Aufgaben wie das Minenräumen bereitstellen können und ob wir den Mehrbedarf der Goethe-Institute in Höhe von 16 Millionen Euro mit 13 Millionen oder 14 Millionen Euro decken können. Man kann also sagen: Diese 74 Millionen Euro könnten uns bei der Finanzierung der zivilen Komponenten der Außenpolitik weiterhelfen.

(Beifall bei der LINKEN)

Schon aus diesem Grunde kann meine Fraktion diesem Haushalt nicht zustimmen. Ich möchte ein Beispiel nennen, wie „ernsthaft“ es derzeit die Regierung mit der zivilen Komponente der Außenpolitik meint. Es gibt ein
so genanntes Aktionsprogramm „Zivile Krisenprävention“. Es wurde von der Vorgängerregierung beschlossen und soll nun gemäß der jetzigen Koalitionsvereinbarung durchgeführt werden. In diesem Aktionsplan „Zivile Krisenprävention“ ist ein Beauftragter im Range eines Botschafters beim Auswärtigen Amt vorgesehen. Ich war in der letzten Legislaturperiode noch nicht Mitglied dieses Parlaments. Daher habe ich heute Morgen im Auswärtigen Amt angerufen, um einmal mit diesem Beauftragten zu sprechen oder zumindest zu erfahren, wer dies eigentlich ist. Ich habe bis jetzt noch keine Auskunft über diesen Mitarbeiter im Range eines Botschafters bekommen. So ernst nimmt die Bundesregierung die zivile Komponente der Außenpolitik.

Meine Fraktion hat schon immer gefordert, dass der zivilen Komponente unbedingt Vorrang einzuräumen ist. Allerdings sieht das die Mehrheit des Parlamentes nicht so. Wir haben allein im September innerhalb von einer Woche drei Militäreinsätze im Sudan, in Afghanistan und im Libanon mit einem Umfang von über 650 Millionen Euro beschlossen. Das ist ein Viertel des Etats des Auswärtigen Amtes. Wir haben Gegenstrategien aufgezeigt. Unser Vorschlag ist, dass die Bundesregierung im Libanon nach dem Vorbild KSZE aktiv werden sollte und daran mitwirken sollte, eine Nahostkonferenz einzuberufen. Zumindest sollte ein entsprechender Vorschlag unterbreitet werden. Die Bundesregierung ist aber auf diesem Gebiet bisher untätig geblieben.

Wir hatten, wie schon gesagt, den Vorschlag gemacht, eine Nahostkonferenz abzuhalten, anstatt diesen Militäreinsatz durchzuführen. Jetzt haben Italien, Spanien und Frankreich die Initiative ergriffen und haben diesen Vorschlag, eine Nahostkonferenz zu installieren, vorgelegt. Die Bundesregierung hat jetzt noch die Möglichkeit, auf der nächsten Konferenz der Staats- und Regierungschefs der EU diesen Vorschlägen zuzustimmen. Ich fordere Sie auf, dies zu tun.
Ich möchte Ihnen noch ein Argument nennen, warum der zivilen Komponente der Außenpolitik eindeutig der Vorrang gegenüber der militärischen Komponente eingeräumt werden sollte. Es liegt in der Natur der Sache, dass sich Militär, insbesondere Militär im Einsatz - die Bundeswehr wird im Übrigen im Koalitionsvertrag als eine Armee im Einsatz beschrieben -, der demokratischen Kontrolle entzieht. Das wird durch folgendes Beispiel deutlich. Ich habe eine einfache Frage an die Bundesregierung gestellt:

Wie viele „Body bags“ werden die deutschen Streitkräfte bei der VN-Mission UNIFIL vor der libanesischen Küste mitführen? „Body bags“ sind Leichensäcke.

Die Antwort lautete: Die im Rahmen der UN-Mission UNIFIL eingesetzten deutschen Kräfte führen die gemäß allgemeinem Ausstattungssoll vorgesehene Ausrüstung mit. „Body bags“ sind Bestandteil dieses Ausstattungssolls.

Große Klasse! Das habe ich gewusst. Um das zu erfahren, hätte ich die Frage nicht stellen müssen. Wenn ich frage, wie viel, dann möchte ich natürlich als Antwort eine Zahl bekommen. Es besteht natürlich die Angst, dass in der Öffentlichkeit bekannt wird, mit wie vielen Opfern gerechnet wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn wir Parlamentarier nicht einmal wissen dürfen, wie hoch die Risiken sind, wie sollen wir dann über solche Einsätze beschließen? Diese Dinge entziehen sich der demokratischen Kontrolle. Wenn die Regierung nicht einmal in der Lage ist, solche einfachen Fragen zu beantworten, dann frage ich mich natürlich, was das Gerede der Bundeskanzlerin im September sollte, als sie ankündigte - dies war in verschiedenen Zeitungen nach zu lesen -, dass der Militäretat aufgrund der gestiegenen internationalen Verantwortung in den nächsten Jahren natürlich weiter erhöht wird.

Herr Außenminister, ich habe den Eindruck, dass das Auswärtige Amt, wenn diese Entwicklung so weitergeht, ein nachgeordnetes Amt des Bundesverteidigungsministeriums wird. Wenn Sie allerdings dagegen ankämpfen möchten, dann haben Sie uns auf Ihrer Seite. Wir wollen einen starken Außenminister für eine friedliche und zivile Außenpolitik und keinen starken Kriegsminister. Ich danke.

(Beifall bei der LINKEN)