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Haushalt liefert keine Impulse für eine moderne Familienpolitik

Rede von Diana Golze,

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin! Erst kurz vor der parlamentarischen Sommerpause haben wir hier den Haushalt für das Jahr 2014 beschlossen. Er basierte auf dem Entwurf, den noch Schwarz-Gelb vorgelegt hatte. Der jetzt vorliegende Entwurf soll nun die Handschrift von Union und SPD tragen. Hält man sich vor Augen, welche großen Ziele die SPD hatte, um gerade in der Familienpolitik solidarischer, gerechter und wirkungsvoller Politik zu machen, dann kann man sich auch beim zweiten Haushaltentwurf des Familienministeriums leider nur die Augen reiben. Die Ministerin hat die Opposition gerade aufgefordert, Vorschläge zu machen. Ich frage Sie: Wo sind denn Ihre Vorschläge? Wo, Frau Ministerin, sind die Impulse, die zu einer modernen und gerechten Gesellschaft führen? Wo sind die Konzepte, um es wirklich allen Familien ‑ der ganzen Gesellschaft ‑ zu ermöglichen, sich frei zu entfalten und teilzuhaben? Ich kann sie auch in diesem Haushaltsentwurf nicht finden, und ich werde das belegen.

Die Probleme sind seit langem bekannt. Bereits der Siebte Familienbericht und der 14. Kinder- und Jugendbericht haben die zentralen Fragen deutlich gemacht. Mit der sogenannten Gesamtevaluation der ehe- und familienbezogenen Leistungen haben Sie eine weitere Studie an die Hand bekommen, die klare Handlungsempfehlungen gibt. Zu diesem Bericht haben Sie sich wie folgt geäußert, Frau Schwesig - ich zitiere Sie ausnahmsweise einmal -:

Ich freue mich, dass der Abschlussbericht vorliegt. Hieraus können wir eine Menge lernen: Mit dem ElterngeldPlus und den Investitionen in die Kinderbetreuung sind wir auf dem richtigen Weg. Es bleibt aber noch viel zu tun.

(Nadine Schön (St. Wendel) (CDU/CSU): Das ist richtig!)

„Hieraus können wir eine Menge lernen“, „Wir sind auf dem richtigen Weg“ - ich bitte Sie! Der Bericht sagt zum Beispiel mit Blick auf das Kindergeld, den Unterhaltsvorschuss, auch das Elterngeld - ich zitiere -:

Diese Leistungen können … gleichzeitig mit dem Arbeitslosengeld II bezogen werden, sie werden jedoch vollständig auf das Arbeitslosengeld II angerechnet.

Soweit ich informiert bin, ändert sich daran auch mit dem Konzept für das ElterngeldPlus nichts. Weiterhin bleibt es so, dass arme Eltern vom Elterngeld nicht profitieren werden; Sie ändern auch mit diesem Haushaltsentwurf nichts daran.

Und wo ist der wirkliche Fortschritt beim Ausbau der Kindertagesbetreuung? Wie lösen wir die Probleme, auf die zum Beispiel auch der aktuelle Prognos-Bericht hinweist? In diesem Bericht ist die Rede davon, dass nicht nur die Linke und andere, sondern auch die Eltern darüber reden und vor allem in Bezug auf die Qualität der Kindertagesbetreuung sagen: Da stimmt etwas nicht, da muss nachgebessert werden. Wo bitte bleibt denn die Qualitätsoffensive, die die SPD im Wahlkampf angekündigt hat? Was ist für Sie Kita-Qualität? Sind Sie bereit, Mindeststandards zu definieren ‑ zum Beispiel für Gruppengrößen oder auch für die Gehälter der Erzieherinnen und Erzieher ‑ und diese dann auch tatsächlich zu finanzieren? Ich finde das im Haushalt nicht.

Der Gesetzentwurf zur Aufstockung des Sondervermögens für den Kitaausbau steht in der nächsten Sitzungswoche auf der Tagesordnung. Den Abgeordneten liegt er noch nicht vor, aber netterweise steht er auf der Homepage des Finanzministeriums. Wenn ich dort hineinschaue, dann lese ich, wie die Gelder auf die Bundesländer aufgeteilt werden sollen und wie die technokratische Abwicklung funktionieren soll. Von Kitaqualität ist darin außer in der Überschrift aber keine Rede.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wo bleibt also die Qualität?

Nun streiten wir uns über die zusätzliche Milliarde für die Kitas. Es wurde eine zusätzliche Milliarde angekündigt; da gebe ich meiner Kollegin Dörner völlig recht. Aber selbst, wenn es eine zusätzliche Milliarde wäre, würde dieses Geld - das weiß jeder, der Kitaqualität ernst nimmt - nicht ausreichen, um die Länder und Kommunen in die Lage zu versetzen, das qualitative Defizit auszugleichen.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Stattdessen finden wir im Haushalt für 2015 die stattliche Summe von 1 Milliarde Euro für das Betreuungsgeld. Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, ich kann Ihnen das leider nicht ersparen; aber es ist auch nicht meine Aufgabe als Opposition, Sie jetzt vier Jahre lang dafür zu bedauern, dass Sie in der Großen Koalition gefangen sind und dieses Opfer bringen müssen. Ich werde das auch weiterhin ansprechen. Dieses Betreuungsgeld ist nach wie vor bildungspolitisch, arbeitsmarktpolitisch und auch haushaltspolitisch völlig unsinnig.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und es geht hier wohlgemerkt um 1 Milliarde Euro für ein Jahr und nicht um einmalig 1 Milliarde Euro zusätzlich für Bildung für die ganze Legislaturperiode! Wo ist hier der gerechte Ansatz?

Die Menschen, die davon betroffen sind, wissen, dass das auch auf das ALG II angerechnet wird. Hier ist nach wie vor eine Ungleichbehandlung der Familien vorgesehen. Die familienpolitischen Leistungen werden über den Etat des Familienministeriums finanziert. Dadurch soll nicht der Etat des Arbeitsministeriums entlastet werden, sondern diese Leistungen sollen die Familien in die Lage versetzen, über die Runden zu kommen, und sie sollen ihnen materielle Sicherheit bieten.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte noch ein weiteres Beispiel dafür nennen, dass die Gleichstellung der Familien eben nicht funktioniert. Schauen Sie sich das Kindergeld an. Solange ich als Bundestagsabgeordnete und Mutter von zwei Kindern über die steuerliche Entlastung aufgrund des Kinderfreibetrags mehr durch den Staat entlastet und gefördert werde als meine Nachbarin, die im Supermarkt arbeitet und nur das Kindergeld bekommt, stimmt hier etwas nicht. Jedes Kind muss dem Staat gleich viel wert sein, und ich erwarte, dass ein SPD-geführtes Familienministerium hierzu Vorschläge unterbreitet.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie werden aber wohl nicht kommen; denn auch weitere Förderinstrumente setzen weiterhin auf Unterschiede zwischen den Familien.

In diesem Zusammenhang möchte ich noch das Ehegattensplitting ansprechen; auch das ist ein wunderbares Thema, das uns hier schon seit langem begleitet. Dieses Ehegattensplitting täuscht vor, dass die Familien gleichbehandelt werden, was aber überhaupt nicht der Fall ist. Schauen Sie sich zum Beispiel an, dass die steuerliche Entlastung von Alleinerziehenden ins Verhältnis gesetzt nicht einmal annähernd so hoch ist wie die von Ehepaaren. Warum ignoriert man darüber hinaus, dass auch Paare ohne Trauschein Verantwortung füreinander übernehmen? An anderer Stelle wird dies übrigens vorausgesetzt.

Ich habe ja eben schon das Arbeitslosengeld II angesprochen. Hier heißt es: Eheähnliche Gemeinschaften liegen vor,

wenn die Bindung der Partner so eng ist, dass von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann.

Hier setzt man keinen Trauschein voraus, um Bedarfsgemeinschaften zu definieren, die füreinander einstehen müssen. Hier ist es übrigens auch egal, ob es sich um gleichgeschlechtliche nichteingetragene Lebenspartnerschaften handelt. Es geht nur darum, dass sie Verantwortung füreinander übernehmen. Vom Ehegattensplitting profitieren aber eben nur Paare mit Trauschein.

Ich sage: Steuerliche Vorteile aufgrund einer bestimmten Lebens- und Beziehungskonstellation verstärken die Probleme eines ungerechten Leistungssystems. Familien brauchen eine transparente, verlässliche und armutsverhindernde Unterstützung, und ich erwarte von einer Familienministerin, dass sie sich für ein Familienleistungssystem starkmacht, das die Bedürfnisse aller Familienformen gleichermaßen im Blick hat.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das sehe ich bei diesem Entwurf nicht gegeben. Sie können nur noch zwei Entwürfe vorlegen. Ich glaube, da haben Sie noch einiges aus den Berichten, die Ihnen vorliegen, zu lernen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)