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Haushalt bietet keine fairen Chancen für Kinder und Familien!

Rede von Diana Golze,

Rede Haushaltsplan 2010 Einzelplan 17 1. Lesung

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Frau Bundesfamilienministerin, Sie haben am Montag im Familienausschuss die Schwerpunkte Ihres Ministeriums und Ihrer zukünftigen Arbeit vorgestellt. Sie haben uns dargelegt, dass Ihr Haus für Sie mehr sei als nur ein Ministerium für Familien. Sie sagten, es sei das Ministerium für Gesellschaftspolitik. Außerdem haben Sie gesagt, dass Sie, um Ihren Anspruch zu erfüllen, von zwei Prämissen ausgehen: faire Chancen für alle und Zeit für Verantwortung.

Ich habe mir den Einzelplan dieses Ressorts im Bundeshaushalt 2010 deshalb einmal unter diesen Prämissen angeschaut. Er spricht eine deutliche Sprache bezüglich der Gesellschaftspolitik, die Sie meinen, und zeigt, für welche Menschen Sie Politik machen und vor allem, für welche nicht.

Beginnen wir beim Elterngeld. Das Elterngeld ist nach wie vor zu begrüßen, weil es die Situation von Familien verbessert, zumindest der Familien, in denen Eltern ein mittleres oder höheres Einkommen haben, und weil die Einführung der Partnermonate zumindest dazu beiträgt, dass die Rollenverteilung überdacht wird und die Erziehungsarbeit gerechter aufgeteilt wird. Aber allein die Einsparungen in Höhe von 20 Millionen Euro durch das allmähliche Auslaufen des Erziehungsgeldes machen deutlich, auf wessen Kosten diese Verbesserungen gehen. Wir haben schon bei der Einführung des Gesetzes kritisiert, dass gerade die Eltern mit keinem oder einem sehr geringen Einkommen schlechter gestellt werden. Sie sind die Verlierer beim Elterngeld. Sie bekommen nur noch 300 Euro über zwölf Monate. Das ist genau die Hälfte der Leistung, die sie früher durch das Erziehungsgeld bekommen haben. Wenn Sie also faire Chancen für alle Eltern wollen, sollten Verbesserungen gerade für diese Familien angestrebt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

In den Ankündigungen Ihres Hauses zum Elterngeld habe ich diese Aussage leider vermisst. Wir werden dazu deshalb als Fraktion einen Vorschlag zur finanziellen Ausgestaltung eines sozial gerechten Elterngeldes machen.

Für die Zeit nach dem Elterngeld schaffen Sie dagegen in unnachahmlicher Weise eine traurige Gleichheit für alle Familien, denn die Suche nach einem Kitaplatz wird bis 2013 und auch danach in vielen Regionen des Landes ein regelrechtes Lotteriespiel sein. Es wird nur wenige strahlende Gewinner geben. Der Ausbau verläuft nach wie vor zu schleppend. Das Ziel, für ein Drittel der Kinder einen Platz zu schaffen, ist viel zu niedrig angesetzt. Der Bund schiebt den Schwarzen Peter aber den Ländern und Kommunen zu. Denn dort werden die Eltern von ein- und zweijährigen Kindern 2013 an die Türen klopfen und nicht beim schönen neuen Familienministerium. Die Kommunen werden dann erklären müssen, warum sie wenn überhaupt nur für ein Drittel und nicht für mehr Kinder Plätze vorhalten.

(Andreas Mattfeldt (CDU/CSU): Wir sind froh, dass es so viele sind!)

Mit dem zu niedrig angesetzten Sondervermögen, das für den Kitaausbau geschaffen wurde, und mit der konsequenten Handlungsverweigerung, was die Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher betrifft, hat sich der Bund sträflichst aus der Verantwortung gezogen.

(Beifall bei der LINKEN - Andreas Mattfeldt (CDU/CSU): Das stimmt einfach nicht!)

Kommunen und Länder werden das aus eigener Kraft nicht leisten können. Ich bin selbst Mitglied in zwei kommunalen Vertretungen und weiß, was von den vielen hier versprochenen Entlastungen bei den Kommunen tatsächlich ankommt, nämlich nichts.
Die Finanzpolitik der Regierung, aber auch die Ihres Ministeriums, Frau Köhler, trägt nicht zu einer Entschärfung der Situation bei. Statt den Bundesanteil am Sondervermögen aufzustocken, betreiben Sie eine Wünsch-dir-was-Politik für Besserverdienende und große Unternehmen, und die Kommunen werden in den Ruin getrieben. Eine Politik, die sich, wie Sie, Frau Köhler, es bezeichnen, um die Kräfte kümmert, die die Gesellschaft zusammenhalten, sieht für mich anders aus.

Dass Ihnen zum Thema Kinderarmut in Deutschland nur die zaghafte Ausweitung der Zahl der Kinderzuschlagsberechtigten einfällt, spricht schon Bände. Auch Ihre Vorgängerin, Frau von der Leyen, hat versucht, halbseidene Reförmchen durchzuführen, um den Kinderzuschlag zu verbessern.

(Georg Schirmbeck (CDU/CSU): Was? Frau Präsidentin! - Reinhard Grindel (CDU/CSU): Halbseiden?)

Das ist nicht angekommen. Lesen Sie die Stellungnahmen dazu. Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages und der Bundesrechnungshof sind wahrlich keine linken Institutionen. Schauen Sie sich an, wie viel wirklich bei den Betroffenen ankommt. Schauen Sie sich an, dass gerade Kindern von Alleinerziehenden, die das höchste Armutsrisiko in Deutschland tragen, der Kinderzuschlag nicht hilft, sie aus dem Armutsrisiko herauszuholen. Und dann schauen Sie sich an, was das Bundesfamilienministerium zur Verbesserung plant, nämlich eine Wahloption gegenüber dem Arbeitslosengeld II. Das führt dazu, dass die Familien, die sich vor der Unterdrückungs- und Erpressungsmaschinerie der Argen retten wollen, wählen können, dass sie lieber unter der Deckung ihres Bedarfs bleiben, indem sie den Kinderzuschlag wählen. Dafür können sie dann aber immer noch nicht ihren Bedarf und schon gar nicht den ihrer Kinder decken und kommen nicht über die Armutsschwelle. Das kann es wohl nicht sein, und das werden wir nicht durchgehen lassen.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren,

ich denke, Ziel der Politik eines Familienministeriums sollte eine kinder- und familienfreundliche Gesellschaft und das Miteinander der Generationen sein. Wenn ich mir den Einzelplan 17 anschaue, dann muss ich allerdings sagen, dass ich andere Vorstellungen von Gesellschaftspolitik habe. Es ist nämlich nicht der Haushalt eines Ministeriums für Gesellschaftspolitik, sondern eines Ministeriums für Besserverdienende. Faire Chancen für alle sehen anders aus, Frau Köhler. Es ist Zeit für Verantwortung, auch für Sie.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)