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HartzIV: Kürzungen für junge Erwachsene sind lebensfremde Zwangsmaßnahmen

Rede von Elke Reinke,

Rede von Elke Reinke zu der von der Fraktion DIE LINKE. beantragten Aktuellen Stunde: Kürzungen bei Hartz IV zu Lasten junger Erwachsener.

"Die Koalition will das ALGII für Jugendliche Erwachsene kürzen.In der Begründung des Änderungsantrags wird argumentiert, die Kürzungen der Regelleistungen seien zumutbar, weil Jugendliche unverzüglich in Arbeit, Ausbildung oder Arbeitsgelegenheiten vermittelt werden sollten. In der Realität sieht das aber leider anders aus. Die Vermittlungsversprechen werden nicht eingelöst. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hätte mir gewünscht, dass ein solcher Antrag für eine Aktuelle Stunde von allen Oppositionsfraktionen gemeinsam gestellt worden wäre. Hartz IV bewegt noch immer sehr viele Menschen - und das zu Recht. Ich war doch sehr erstaunt, dass die Fraktionen von Union und SPD quasi über Nacht diesen Änderungsantrag eingebracht haben. Wollen Sie das Parlament möglichst schnell und unbemerkt über die Hartz-IV-Verschlechterungen abstimmen lassen? (Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Haben Sie die Koalitionsvereinbarung gelesen?) Wollen Sie damit den gesellschaftlichen Debatten und öffentlichen Protesten ausweichen? Ich kann Ihnen nur empfehlen, die Menschen auf der Straße ernst zu nehmen. Demokratie darf nicht an den Wahlurnen aufhören. (Beifall bei der LINKEN) Auch Sachverständige haben bei der letzten Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales verfassungsrechtliche Bedenken geäußert. In dem von Ihnen vorgelegten Änderungsantrag sieht das Ministerium von Herrn Müntefering Kürzungen in Höhe von 600 Milliarden Euro zulasten junger Erwerbsloser und ihrer Familien vor. (Manfred Grund [CDU/CSU]: Das ist ordentlich!) Erinnern Sie sich: Junge Menschen sind in der Bundesrepublik mit 18 Jahren volljährig. Wir verlangen von ihnen Eigenverantwortung und sie haften rechtlich für ihr Handeln. Nicht die jungen Erwerbslosen sind für diese teure Arbeitsmarktreform ohne Wirkung verantwortlich, sondern die politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträger. (Beifall bei der LINKEN) In der Begründung des Änderungsantrags wird argumentiert, die Kürzungen der Regelleistungen seien zumutbar, weil Jugendliche unverzüglich in Arbeit, Ausbildung oder Arbeitsgelegenheiten vermittelt werden sollten. In der Realität sieht das aber leider anders aus. Die Vermittlungsversprechen werden nicht eingelöst. Jährlich bekommen circa 100 000 Jugendliche keinen Ausbildungsplatz. Im bisherigen SGB II wurde wenigstens die Eigenständigkeit der jungen Erwachsenen mit einer abgeschlossen Berufsausbildung anerkannt. Jetzt beseitigen Sie noch die letzten Reste des Förderns. Wenn Sie meinen, ich argumentiere einseitig, dann empfehle ich Ihnen, die "Frankfurter Rundschau“ von gestern zu lesen. Dort wurde die Situation junger Menschen in der Bundesrepublik treffend zusammengefasst: Sie dürfen wählen. Sie dürfen Kredite aufnehmen … Sie dürfen, nein müssen, notfalls Krieg führen. Nur aus dem heimischen Kinderzimmer ausziehen, dürfen sie nicht - jedenfalls nicht, sofern sie arbeitslos sind. (Beifall bei der LINKEN) Was sollen diese jungen Menschen machen, damit sie vom Amt das Recht zugesprochen bekommen, in einem eigenen Haushalt für sich selber Verantwortung zu übernehmen? (Manfred Grund [CDU/CSU]: So viel Sozialismus gab es nicht einmal in der DDR!) Die Zustimmung für einen Auszug erfolgt nur, wenn schwerwiegende soziale Gründe vorliegen. Wie viel Gewalt oder Alkoholkonsum in der Familie reicht aus, um das Recht auf eine eigene Wohnung zu haben? Können die Angestellten in den Agenturen für Arbeit das angemessen entscheiden? Ich meine, sie sind schon jetzt überfordert. Die Erfahrung von vielen Hartz-IV-Betroffenen zeigt: Ermessungsspielräume werden selten zu ihren Gunsten ausgelegt. Frau Ministerin von der Leyen sprach von Kindern, die auf der Schattenseite des Lebens geboren werden. Mit diesem Antrag sorgen Sie dafür, dass ein großer Teil dieser Kinder sie nie verlassen kann. (Beifall bei der LINKEN) Sie nehmen ihnen mit Ihrem Änderungsantrag die Möglichkeit, mit einem selbstständigen Leben auf unterstem Niveau zu beginnen. Das jetzige Arbeitslosengeld II reicht nicht für eine Existenzsicherung und das Recht auf eine gesellschaftliche Teilhabe. Das muss ich Ihnen nicht noch einmal vorrechnen. Gerade jungen Menschen darf man nicht noch 69 Euro wegnehmen. Wir fordern eine armutsfeste Grundsicherung als individuelles Recht. (Beifall bei der LINKEN) Das Thema „arbeitsscheue Jugendliche“ lässt sich hervorragend an Stammtischen besprechen. Wer diese Zwangsmaßnahmen begrüßt, der sollte sich überlegen, woher das Ministerium von Herrn Müntefering den Rest der 3 Milliarden Euro Etatkürzungen nimmt. Bisher müssen nur junge Arbeitslosengeld-II-Empfänger unter 25 Jahren mit Leistungskürzungen rechnen, wenn sie Arbeitsangebote nicht annehmen. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag fordert unter anderem diese Sanktionen für alle Langzeitarbeitslosen, sollten sie Angebote für Arbeit, für die ihnen 3 Euro Stundenlohn gezahlt werden, ablehnen. Herr Minister, werden Sie, um die geplanten Kürzungen durchführen zu können, auf die Vorschläge des DIHK zurückgreifen? Ich als Abgeordnete kann den Bürgerinnen und Bürgern nur empfehlen, diese Debatte sehr aufmerksam zu verfolgen und ihre demokratischen Rechte wahrzunehmen, bevor es zu spät ist. Ich danke. (Beifall bei der LINKEN - Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Können Sie auch was zur Sache sagen?)"