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Hartz-IV-Sanktionen - mehr Schulden und Angst statt guter Arbeit

Rede von Jessica Tatti,

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie haben in Ihrem Koalitionsvertrag versprochen, die Sanktionen für Menschen in Hartz IV für ein Jahr auszusetzen. Genau das machen Sie nicht in Gänze, egal was für ein Stuss dazu aus der Union verbreitet wird. Von der Linken erhalten Sie Kritik dafür, dass Sie das nicht einhalten.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber zum Glück haben Sie Ihre Mogelpackung Sanktionsmoratorium nun doch noch zugunsten der Betroffenen nachgebessert. Es ist eine Verbesserung, dass Sie bei verpassten Terminen jetzt maximal 10 Prozent Sanktionen zulassen. Das sind aber immer noch 45 Euro, die die Betroffenen dann im Monat weniger haben. Das ist eine Menge Geld bei einem kleingerechneten Regelsatz und der krassen Inflation, die wir haben. Jeder Euro, der im Geldbeutel fehlt, tut wirklich weh, auch wenn sich das viele Politikerinnen und Politiker hier wohl nicht mehr vorstellen können.

(Beifall bei der LINKEN)

Was ich absolut nicht verstehe, ist Folgendes: Warum schließen Sie nicht klipp und klar aus, dass Menschen nachträglich, noch nach Ende des Moratoriums, bestraft werden können? Ja, Sie haben dazu mittlerweile einen banalen Absatz in der Begründung des Gesetzentwurfs aufgenommen.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist juristisch geprüft!)

Aber ich kaufe Ihnen nicht ab, dass Sie damit die Betroffenen wirklich rechtssicher vor diesem Risiko schützen können.

(Beifall bei der LINKEN – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist geprüft! Das ist juristisch geprüft! Und das war von Anfang an auch so!)

Erklären Sie doch mal, warum Sie so sehr auf Sanktionen stehen, dass Sie die nicht für ein Jahr aussetzen können, wie es versprochen war. Welche segensreichen Wirkungen erhoffen Sie sich denn davon, dass Sie so verzweifelt an den Strafen festhalten? Ich sage Ihnen, wie Sanktionen wirken: Sie führen zu Schulden, sie führen zu Zahlungsrückständen bei Stromanbietern, zu Stromsperren, zu kalten Wohnungen und zu leeren Kühlschränken. Sie führen dazu, dass Menschen permanent Angst haben und sich fragen, wie sie über den Monat kommen sollen, und sie führen zu Misstrauen gegenüber staatlichen Behörden. Strafen helfen auch nicht bei der Integration in den Arbeitsmarkt, auch wenn das manche immer noch behaupten.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielleicht kann man den einen oder anderen durch eine Sanktion kurzfristig in einen miesen Job zwingen – in Befristungen, in Leiharbeit, in Minijobs und Niedriglöhne –, aber das führt nicht zur Überwindung von Armut. Genau das sollte doch die Aufgabe der Bundesregierung sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Bekämpfen Sie endlich konsequent prekäre Arbeit! Sorgen Sie dafür, dass es den Leuten nach Aufnahme einer Arbeit besser geht als vorher! Das ist doch der Ansporn, um eine Arbeit aufzunehmen, und ein größerer Ansporn, als es eine Sanktion je sein könnte.

(Beifall bei der LINKEN)

Gute Löhne und Arbeitsbedingungen helfen nicht nur den Menschen in Hartz IV, sie kommen den Millionen Menschen zugute, die jeden Tag hart arbeiten und trotzdem immer knapp bei Kasse sind. Das System Hartz IV ist eine Geisel für den Arbeitsmarkt, für Erwerbslose genauso wie für Beschäftigte.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist die Angst vor Arbeitsplatzverlust, die Angst vor Hartz IV, die dafür sorgt, dass die Menschen schlechte Jobs zu schlechten Löhnen annehmen. Also, anstatt weiter die Arbeitgeber mit billigen Arbeitskräften zu beglücken: Nehmen Sie die Menschen in der Grundsicherung endlich einmal ernst! Nehmen Sie ihre Hoffnungen auf ein besseres Leben ernst! Setzen Sie die Sanktionen vollständig aus!

Halten Sie sich an Ihren eigenen Koalitionsvertrag! Das kann doch nicht so schwer sein.

(Beifall bei der LINKEN)