Die Linksfraktion fordert nicht nur die Überwindung von Hartz IV und die Beendigung der damit verbundenen Missbrauchsdebatte, die offenbar von den Fehlern und handwerklichen Mängeln des Gesetzgebers ablenken und den Weg für eine weitere Senkung der Sozialleistungen bereiten soll, sondern unterbreitet Vorschläge, wie künftig neue Arbeitsplätze entstehen. Kornelia Möller, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Fraktion, nannte dazu Vorschläge für einen Mindestlohn, die Bündelung von Mitteln der Grundsicherung und für Ein-Euro-Jobs sowie weiterer Gelder für die Schaffung sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze, die Entwicklung eines öffentlich geförderten Beschäftigungssektors sowie den Ausbau öffentlicher Dienstleistungen. Kornelia Möller in der Debatte zum Haushalt :
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bleibe dabei: Hartz IV ist ein schlechtes Gesetz. Hartz IV muss weg. (Beifall bei der LINKEN Zurufe von der CDU/CSU: Oje!) Statt Arbeitsplätze zu schaffen, treten Sie, meine Damen und Herren von der großen Koalition, eine Missbrauchskampagne gegen Menschen los, die Ihre Politik erst ins Abseits gestellt hat. Welch ein Hohn! Ich freue mich natürlich, zu hören, dass sich der Kollege Brandner davon distanziert. (Volker Kauder (CDU/CSU): Was?) Aber, Herr Kollege Brandner, auch ich kenne um auf Ihre Rede zurückzukommen den schönen Spruch: Trau keiner Statistik, die du nicht selber gefälscht hast. (Dr. Ralf Brauksiepe (CDU/CSU): Ja, davon verstehen Sie was!) Ich finde, Sie sollten das hier in diesem Hause außen vor lassen und nicht erzählen, die BA gibt weniger aus, die BA hat Überschüsse, wenn Sie nicht gleichzeitig sagen, dass die Leistungen um zwei Drittel gekürzt worden sind. (Beifall bei der LINKEN) Mein Eindruck ist, dass ein unqualifiziertes Aus-dem-Bauch-heraus-Handeln, ohne Fakten zu berücksichtigen, weiter Einzug in die Arbeit dieser Koalition hält. Ich finde, der „Spiegel“ vom 12. Juni 2006 hat Recht. Er nennt die Arbeit der großen Koalition einen „Schmalspurbetrieb im Bundestag“, bei dem es vorrangig um das große Freizeitangebot in Berlin, die Segelmöglichkeiten und nette Wanderungen zu gehen scheint. (Ortwin Runde (SPD): Was?) Nicht, dass ich Ihnen das Segeln neiden würde, Herr Runde. Aber ich habe gestern mit einer allein erziehenden Mutter gesprochen, die ihren Kindern wieder sagen musste: In diesem Monat fällt das Kino aus. Das tut weh. Diesen Zustand muss Politik ändern. (Beifall bei der LINKEN) Es kann nicht sein, dass über Schicksale Politiker und Politikerinnen entscheiden, von denen manche augenscheinlich jeden Bezug zur Realität verloren haben (Beifall bei der LINKEN) und die für einen Cappuccino im Nobelrestaurant mehr bezahlen, als ein Jungerwachsener am ganzen Tag für Nahrung ausgeben kann. (Beifall bei der LINKEN) Jetzt zu einem aus dem Hause der CDU-Scharfmacher. In einem Interview vom 30. Mai 2006 in der „Mittelbayerischen Zeitung“ las ich, dass Sie, Herr Brauksiepe, eine nachhaltige, verantwortungsbewusste Haushaltspolitik im Auge hätten. Es mag ja sein, dass Sie etwas im Auge haben, etwas, das Sie blind macht für die Würde arbeitsloser Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, etwas, das Sie blind macht für die Wichtigkeit der Ankurbelung der Binnennachfrage und für eine zukunftsweisende Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik. Eine verantwortungsvolle Haushaltspolitik ist es jedoch nicht, die Sie im Auge haben. (Dr. Ralf Brauksiepe (CDU/CSU): Das war jetzt aber kraftvoll!) Seit 1999 hat Rot-Grün Steuerschenkungsgesetze für Großindustrie und Spitzenverdiener verabschiedet, die unsere Volkswirtschaft jährlich über 20 Milliarden Euro kosten. Aus vollem Hals haben Sie angekündigt: So werden Arbeitsplätze entstehen. Nur, wo sind die Millionen Arbeitsplätze? Und wo sind die Millionen Euro, die Sie den Konzernen geschenkt haben? Doch manche sind unbelehrbar. Aus den Reihen von CDU und CSU ist immer wieder zu hören, dass die gemachten Steuergeschenke nicht reichen; Pläne für weitere Schenkungen liegen bereits in schwarz-roten Schubladen. Sie haben gänzlich übersehen, dass in diesem Land die klein- und mittelständischen Unternehmen circa 60 Prozent der Arbeitsplätze und circa 70 Prozent der Ausbildungsplätze schaffen. Doch statt die klein- und mittelständischen Unternehmen zu unterstützen, indem Sie Gesetze verabschieden, die die Binnennachfrage und Kaufkraft stärken, schwächen Sie weiter die Binnennachfrage, von der diese Unternehmen abhängig sind. Sie, meine Damen und Herren der großen Koalition, kommen mir vor wie Zauberlehrlinge. Um Ihnen fachlich unter die Arme zu greifen, schlagen wir, die Linksfraktion im Bundestag, zur verfahrenen Arbeitsmarktpolitik von Rot-Grün, fortentwickelt durch Schwarz-Rot, folgende Alternativen vor: die Nachfrage nach Arbeit stärken, Maßnahmen zur Stärkung der Binnennachfrage und damit der Kaufkraft etablieren. Schauen Sie dabei in unseren Antrag für einen gesetzlichen Mindestlohn von 8 Euro plus und für die Bündelung von Mitteln der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik für versicherungspflichtige Arbeitsplätze! Denn so kann Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanziert werden, und zwar auf dem von uns vorgeschlagenen Mindestlohnniveau. (Beifall bei der LINKEN) Sehen Sie in unser Zukunftsinvestitionsprogramm und schauen Sie sich unser Steuerkonzept an: Wiedereinführung der Vermögensteuer, Veränderung der Erbschaftsbesteuerung, Erhöhung des Spitzensteuersatzes und Veränderungen in der Unternehmensbesteuerung. Kommen wir zur Etablierung eines öffentlich geförderten Beschäftigungssektors! Praktische Erfahrungen finden Sie beispielsweise auch in Mecklenburg-Vorpommern, wo 600 Schulsozialarbeiter wertvolle Erziehungsarbeit leisten. Natürlich muss der Bereich der öffentlichen Dienstleistungen, wie in Skandinavien erfolgreich praktiziert, auch hier wieder ausgebaut werden. Wir fordern eine gerechte Verteilung von Arbeit und in diesem Zusammenhang auch Arbeitszeitverkürzung und Überstundenabbau; denn das schafft Arbeitsplätze und darüber hinaus auch Lebensqualität. (Beifall bei der LINKEN) Wir fordern eine einheitliche bundesgesetzliche Regelung für die Weiterbildung. Natürlich muss sich eine geförderte berufliche Weiterbildung an ihrer Qualität und nicht daran messen lassen, ob sie billig ist. (Beifall bei der LINKEN) Die gegenwärtige Praxis, die Kosten der Arbeitslosigkeit in immer größerem Maße auf die Allgemeinheit zu schieben, ist indiskutabel. Ich freue mich, auch aus Ihrem Munde gehört zu haben von der Kollegin Lehn und anderen , dass auch Sie das so sehen. Deshalb müssen wir mittels Gesetzesinitiativen vor allem die großen Unternehmen in die finanzielle Verantwortung nehmen, die zum Beispiel nicht ausbilden oder die infolge einer unterlassenen betrieblichen Weiterbildung, aus Gründen der Verlagerung ins Ausland oder trotz günstiger Ertragslage Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entlassen. Noch einmal: Nur durch eine starke Binnennachfrage werden Arbeitsplätze geschaffen. (Stefan Müller (Erlangen) (CDU/CSU): Wir sind hier doch nicht im volkswirtschaftlichen Seminar!) Tun Sie endlich etwas dafür! Soziale Gerechtigkeit beginnt und endet da, wo der Mensch und die Menschenwürde das Maß aller Dinge sind. Das gilt auch für Sie, für Herrn Müntefering und für Frau Merkel. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der LINKEN)
Hartz IV muss weg - Es gibt Alternativen zur verfahrenen Arbeitsmarktpolitik
Rede
von
Kornelia Möller,