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Harald Weinberg: Regierung geht wichtige Baustellen im Medizinprodukterecht nicht an

Rede von Harald Weinberg,

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Medizinprodukte begleitet uns – mich – schon seit einer ganzen Weile und ist ein weites Feld: Es reicht von einfachen Verbandsmitteln über Schutzausrüstungen und Schutzmasken, die ja auch hier im Haus schon für einige Aufregung gesorgt haben,

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Zu Recht!)

bis hin zu komplizierten und invasiven Medizinprodukten wie Herzschrittmachern, Implantaten oder künstlichen Gelenken usw. usf. Weil es eine solche breite Palette gibt, sind Medizinprodukte in entsprechende Risikoklassen eingeteilt. Die Zulassung dieser Produkte muss genauen Regeln folgen, und die Überwachung der Anwendung hat hohe Priorität. Für Die Linke steht in dieser Diskussion immer die Sicherheit der Patientinnen und Patienten an erste Stelle.

(Beifall bei der LINKEN)

Der vorliegende Gesetzentwurf – wir haben es jetzt schon ein paarmal gehört – dient vor allem dazu, die Übergangsvorschriften des Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetzes an die Verschiebung des Geltungsbeginns der neuen Medizinprodukte-Verordnung anzupassen und die Fristen entsprechend um ein Jahr zu verschieben. Die Regelungen vollziehen europäische Entwicklungen nach und führen an einigen Stellen sinnvolle Präzisierungen ein. So weit, so technisch; so weit, so gut.

Es hätte an dieser Stelle aber die Gelegenheit gegeben, das Gesetz zu nutzen, um die vielen Baustellen, die es im Medizinprodukterecht noch gibt, anzupacken. Da haben wir aber in der gesamten Diskussion um die Nutzen-Risiko-Bewertung vor allen Dingen von Medizinprodukten höherer Risikoklassen in der EU erlebt, dass die Bundesregierung eher auf der Bremse als auf dem Gas steht. Eine Zulassung durch eine Behörde vergleichbar der FDA in den Vereinigten Staaten gibt es nicht, nicht einmal für Hochrisikoprodukte. Stattdessen werden benannte Stellen – das ist auch schon angesprochen worden – mit der Überwachung beauftragt. In Deutschland sind das nach wie vor überwiegend Privatunternehmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte müssen Risikoereignisse bei Medizinprodukten gemeldet werden. Und da zeigt sich, über was für eine wachsende Dimension wir eigentlich reden: In 2008 gab es rund 4 800 solcher Meldungen, in 2017 waren es über 14 000 solcher Meldungen. Die Zahl hat sich mehr als verdreifacht. Das unterstreicht deutlich, wie dringend mehr Sorgfalt bei der Zulassung und eine Überprüfung der Anwendungen geboten sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen ist noch der Skandal um die Brustimplantate in Erinnerung, die mit Industriesilikon befüllt waren und auch nicht dicht hielten. Das war ein bewusst krimineller Akt eines Herstellers, der allerdings auch das unzureichende Zulassungs- und Überwachungssystem ausnutzen konnte. Das hat damals den Anstoß gegeben für eine Neufassung der Medizinprodukte-Verordnung auf EU-Ebene. Mit der besonders herstellerfreundlichen Haltung der Bundesregierung blieb diese Verordnung allerdings hinter dem Notwendigen zurück.

Vor zehn Jahren kommentierte der damalige Leiter der Device Section der FDA, Dr. Shuren, die niedrigen Marktzugangsvoraussetzungen für Hochrisikomedizinprodukte in der EU ziemlich zynisch: Wir benutzen US-Bürger nicht als Versuchskaninchen. – Inzwischen hat sich da etwas verbessert, aber aus unserer Sicht bei Weitem nicht genug, um der Sicherheit der Patientinnen und Patienten den Rang zu geben, der ihr gebührt.

Hier hätte es die Chance gegeben, mehr als eine einfache Anpassung vorzunehmen. Sie wurde jedoch nicht genutzt oder konnte nicht genutzt werden; das weiß ich nicht. Es kann ja auch sein, dass die Koalitionäre da im Streit waren; keine Ahnung. Deshalb können wir uns an dieser Stelle allerdings nur enthalten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)