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Harald Weinberg: Psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen bedarfsgerecht finanzieren

Rede von Harald Weinberg,

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu später Stunde sprechen wir über dieses Thema. Die Historie ist dabei nicht ganz unwichtig. Kaum jemand erinnert sich noch an Herrn Bahr, der als FDP-Gesundheitsminister das pauschale Entgeltsystem für Psychiatrie und Psychosomatik einführen wollte, eine Art Fallpauschalen, die wir mit allen problematischen Wirkungen bereits in den normalen Krankenhäusern kennen. Das war natürlich hochgradiger Unsinn; denn es ist klar, dass dies gerade bei den psychischen Erkrankungen nicht funktionieren kann.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Bei einer gleichen Diagnose, zum Beispiel Depression, kann es extrem unterschiedliche Behandlungsverläufe geben, die sich einer Pauschalisierung völlig entziehen. Es funktioniert ja eigentlich auch schon jetzt nicht in den somatischen Krankenhäusern.

(Beifall bei der LINKEN)

Es gab daher erheblichen Widerstand von Fachgesellschaften, Patientenorganisationen, Gewerkschaften, Klinikleitungen usw. Das führte zunächst zu einer Aussetzung des Vollzugs, zu einem Moratorium, und anschließend zu diesem Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Versorgung und der Vergütung für psychiatrische und psychosomatische Leistungen. Dies ist ein wunderbarer Titel. Die Tatsache, dass uns das sozusagen aufgegeben werden musste, war und ist ein großer Erfolg dieses Widerstands. Es zeigt sich einmal mehr: Widerstand lohnt sich.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Allerdings folgte der Freude über diesen Erfolg eine gewisse Ernüchterung. Von vielen Akteuren war die Einschätzung zu hören, dass sie zwar die krankenhausindividuellen Entgeltverhandlungen begrüßen würden, dass aber der leistungsgerechte Vergleich der Einrichtungen, bei dem nach wie vor die durch PEPP ermittelten Daten verwendet werden, zu einer Art PEPP durch die Hintertür führe. Diese Einschätzung teilen wir.

Trotz Verbesserungen in Einzelheiten – nicht zuletzt durch die Anhörung – bleibt also die Grundausrichtung dieser Finanzierungsreform aus unserer Sicht falsch. Sie setzt nicht auf eine Finanzierung, die sich am notwendigen Behandlungsbedarf orientiert, sondern setzt ähnliche Fehlanreize, wie sie durch PEPP zu befürchten waren und wie wir sie aus den normalen Krankenhäusern schon kennen. Frühe Entlassungen, Drehtüreffekte und Ähnliches sind hier zu nennen.

Die Personalregelungen, die als Vorgaben immerhin im Gesetzentwurf enthalten sind, sind aus unserer Sicht unzureichend. Zusätzliche Mittel dafür – so geht es aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Frage von mir hervor – werden nicht eingestellt, und die Entwicklung der Personalvorgaben alleine in die Hände von Kassen und Krankenhäusern zu legen, ist nicht zielführend.

(Beifall bei der LINKEN)

Wichtige Gruppen wie Patientenorganisationen, Fachgesellschaften und die Wissenschaften sind außen vor.

Eine Behandlung von psychisch erkrankten Menschen im häuslichen Umfeld statt auf Station zu ermöglichen, ist grundsätzlich positiv, und immerhin haben Sie geregelt, dass kein Zwang mehr besteht, im gleichen Umfang Stationsbetten abzubauen. Es bleibt allerdings das Problem einer sinnvollen Verzahnung mit bereits bestehenden ambulanten Versorgungsstrukturen, also von möglichen Doppelungen, von möglicher Konkurrenz und des Abbaus von Versorgungsnetzen.

Die Schlussfolgerung für uns lautet: Der Gesetzentwurf enthält einige gute Ansätze. Er ist letztendlich aber nicht nur unzureichend geblieben – dann würden wir uns enthalten –, sondern hält auch noch an der falschen Logik eines pauschalierten Entgeltsystems fest. Deswegen werden wir ihn ablehnen, und deshalb haben wir einen Entschließungsantrag eingebracht,

(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Einen guten!)

mit dem das eigentlich gute Projekt wieder auf ein vernünftiges Gleis gesetzt werden soll.

(Beifall bei der LINKEN)

Zum Schluss möchte ich noch zum Thema Omnibus kommen. Der Gesetzentwurf ist ein Transportmittel für ganz andere Dinge. Besonders hervorzuheben ist der Griff in die Rücklagen des Gesundheitsfonds von 1,5 Milliarden Euro. Es handelt sich dabei um ein klassisches Wahlkampfgeschenk, das dazu dienen soll, im Wahljahr 2017 einen weiteren Anstieg der Zusatzbeiträge, die die Versicherten ja alleine tragen müssen, zu vermeiden. Das ist allerdings ein Einmaleffekt. Der Zusatzbeitrag wird in 2018 umso stärker ansteigen müssen. Aber das ist dann ja nach der Wahl. Insofern ist das der jetzigen Regierung offensichtlich egal.

Ein richtiger politischer Skandal ist die Begründung für diesen Griff in den Gesundheitsfonds. Sie lautet nämlich, dass durch die Zusatzkosten das Nachrücken von Flüchtlingen in die GKV abgedeckt werden müsse. Das ist meines Erachtens relativ problematisch und ein echter Skandal.

(Beifall bei der LINKEN)

Später ist Minister Gröhe von dieser Begründung teilweise wieder abgerückt, vor allen Dingen deswegen, weil mehrere Kassen öffentlich erklärt haben, dass sie das Geld zwar nehmen, für diesen Zweck aber eigentlich nicht benötigen würden.

Ich komme zum Schluss. – Dieser falsche Zusammenhang, der hier hergestellt wurde, ist im Raum und wirkt in einer Zeit, in der wir gemeinsam Verantwortung dafür haben, dass der Rechtspopulismus nicht weiter bedient wird, schlecht, und ich meine, hier müssen wir alle miteinander aufpassen.

(Beifall bei der LINKEN)