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Harald Weinberg: Massenentlassung bei Klinikkonzern Sana: Das Problem heißt Fallpauschale

Rede von Harald Weinberg,

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte als Allererstes mal anregen, dass sich vielleicht der Herr Zimmer und der Herr Riebsamen austauschen mögen; denn es waren ja nun sehr unterschiedliche Positionen, die sie da vertreten haben,

(Manfred Grund [CDU/CSU]: Das ist die Volkspartei!)

sehr, sehr unterschiedliche Positionen.

Was wir hier insgesamt haben – der faktische Rausschmiss von über 1 000 Beschäftigten einer ausgegliederten Tochter einer Tochter des Klinikkonzerns Sana AG –, ist nicht nur ein Skandal sondergleichen, sondern auch das Ergebnis einer jahrzehntelangen falschen Krankenhauspolitik der diversen Regierungen in nahezu allen Farbkombinationen: Rot-Grün, Schwarz-Gelb, Schwarz-Rot.

Für die Ausgliederung von Arbeitsbereichen in Krankenhäusern – Reinigung, Küche, Wäscherei, Labor, Hol- und Bringdienste usw. usf. – liegt der alleinige Antrieb in dem Kostendruck durch die Fallpauschalen. Er zwingt die Krankenhäuser dazu, ihre Kosten, insbesondere die Personalkosten, so weit wie möglich zu senken – ohne Rücksicht auf die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten und die Versorgung der Patientinnen und Patienten. Genau damit haben wir es auch bei Sana zu tun. Wer sich darüber empört, aber die Fallpauschalen weiter für ein sinnvolles System hält, betreibt Heuchelei.

(Beifall bei der LINKEN)

Outsourcing ist ein wirksames Instrument für Tarifflucht, Lohndumping und die Spaltung von Belegschaften. Es herrscht ein unüberschaubarer Wildwuchs an Tochtergesellschaften und Töchtern der Tochtergesellschaften. Deshalb haben wir Ende März eine Kleine Anfrage zum Outsourcing in den Krankenhäusern gestellt. Da schrieb die Bundesregierung:

"Outsourcing dient insbesondere dazu, den Fokus der Unternehmenstätigkeit auf seine Kernkompetenzen zu legen und effiziente Organisationsstrukturen zu schaffen. Damit zielt Outsourcing vielfach auf eine Reduktion von Fixkosten, eine Steigerung der Flexibilität und der Qualität der Leistungserbringung und einen geringeren Verwaltungsaufwand ab. …"

"Das DRG-Fallpauschalensystem setzt einen Anreiz zu einem wirtschaftlichen Umgang mit den vorhandenen Ressourcen …"

(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Hört! Hört!)

Besser könnte es in den Vorstandsetagen der Klinikkonzerne kaum formuliert werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Und das zeigt doch, wie sehr dieses verrückte Denken der Profitorientierung – dass Krankenhäuser in erster Linie Unternehmen seien – inzwischen verinnerlicht worden ist, auch von dieser Bundesregierung.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir wollten weiter wissen: Wie viele Tochtergesellschaften gibt es? Wie sind die Arbeitsverhältnisse? Wie sind die Geschlechterverhältnisse? – Die Antwort der Bundesregierung immer: Dazu liegen uns keine Erkenntnisse vor.

Die einzige Zahl, die Sie als Antwort geliefert haben, ist der Anteil der ausgelagerten Personalkosten, also für Beschäftigte der Tochtergesellschaften. Und die hat es immerhin in sich; denn 2018 haben die Krankenhäuser dafür 4 Milliarden Euro ausgegeben. Wenn man das umrechnet in Stellen und dabei berücksichtigt, dass es eine relativ hohe Teilzeitquote gibt, dann stellt man fest, dass wir hier über 150 000 bis 200 000 Menschen reden. Die werden abgespalten von den Stammbelegschaften, haben oft keine gemeinsame Interessensvertretung, die Solidarität untereinander wird dadurch stark erschwert. Aber noch mal: Diese Menschen sind der Bundesregierung vollkommen egal. Sie haben diese Spaltungen bewusst politisch herbeigeführt. Sie sind dafür politisch verantwortlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Was macht nun Sana? Sana hat sich überlegt, dass sie Patientenbegleitung, Hol- und Bringdienste, Pforte usw. usf. nicht mehr benötigen. Das hat auch etwas mit den gesetzgeberischen Maßnahmen zu tun; da hat Herr Riebsamen ja durchaus recht. Nur, das Problem ist: Es war nie so gedacht, dass das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz jetzt dazu führen soll, dass die Pflegekräfte diese Hilfsdienste machen und dass diese Leute rausgeschmissen werden. Das war nie so gedacht.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Dr. Janosch Dahmen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)

Wenn am Ende doch etwas zusätzliches Personal benötigt wird, dann wird es jetzt unter noch schlechteren Bedingungen wieder eingestellt. Das ist die Situation, die wir da insgesamt haben.

(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Sauerei!)

Deswegen müssen alle Personalkosten im Krankenhaus kostendeckend erstattet werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Wirtschaftlichkeit würde garantiert, wenn für alle Berufsgruppen eine bedarfsgerechte Personalbemessung entwickelt und eingeführt wird. Das würde die Qualität erhöhen und das Unwesen des Outsourcings wirksam beenden.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, ich möchte am Ende auch noch auf ein paar Lichtblicke zu sprechen kommen, die es hier gibt. Sie kommen allerdings nicht aus diesem Haus und nicht von der Politik. Sie kommen von den Beschäftigten in den Tochtergesellschaften selber, die den Mut haben, sich in Verdi zu organisieren, aktiv zu werden und für ihre Interessen – die Wiedereingliederung in die Krankenhäuser – zu kämpfen. Das sind oft harte Auseinandersetzungen, in denen Unternehmen erbitterten Widerstand leisten – so wie Sana wahrscheinlich jetzt auch –, Kolleginnen und Kollegen einschüchtern und bisweilen sogar kündigen. Trotzdem gibt es hier Erfolge: Am Klinikum Ingolstadt ist es gelungen, ein Insourcing hinzubekommen.

(Beifall bei der LINKEN)

Bei der Charité CFM Facility Management in Berlin ist es gelungen, einen Tarifvertrag entsprechend dem TVöD durchzusetzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Am Klinikum Ernst von Bergmann in Potsdam ist Ähnliches gelungen. Und morgen findet ein Warnstreik bei der Klinikum Nürnberg Service-Gesellschaft in meinem Heimatort Nürnberg statt, der zum Ziel hat, dort wieder den TVöD einzusetzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Den Beschäftigten, die sich unter diesen widrigen Bedingungen auf den Weg machen, gelten unser großer Respekt und unsere volle Solidarität. Den Mut, sich gegen die Schließungen zur Wehr zu setzen, sollten wir den betroffenen Beschäftigten am Klinikum Offenbach, in Schleswig-Holstein, in Hoyerswerda und an all den anderen Standorten von Sana mitgeben.

(Beifall bei der LINKEN)

Letzter Satz. – Wer eine ernsthafte Umkehr in der Krankenhauspolitik in Richtung Gemeinwohl statt Profitlogik will, der kommt an der Linken nicht vorbei.

(Jan Korte [DIE LINKE]: Das stimmt!)

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)