Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da draußen, außerhalb dieses Parlaments, tut sich einiges in Sachen Pflege. Mir ist wichtig, das noch einmal deutlich zu machen hier unter dieser Kuppel. In den letzten Jahren haben die Kämpfe gegen Personalmangel und Pflegenotstand in Krankenhäusern eine bemerkenswerte Dynamik entwickelt.
(Beifall der Abg. Nicole Gohlke [DIE LINKE])
Das öffentliche Problembewusstsein nimmt ebenso zu wie das Selbstbewusstsein der Betroffenen. Da entsteht eine Dynamik, die der Profitorientierung und dem Kostendruck in der Pflege ein Ende bereiten kann.
Schauen wir zurück: Ausgehend von der Tarif- und Streikbewegung für mehr Personal an der Berliner Charité gingen andere Kliniken in die Auseinandersetzung. Zuletzt haben die Kolleginnen und Kollegen am Universitätsklinikum des Saarlands und an den Unikliniken Düsseldorf und Essen mit Streikbereitschaft und Urabstimmungsergebnissen von über 98 Prozent beachtliche Ergebnisse erzielt,
(Beifall bei der LINKEN)
die eine Entlastung der Beschäftigten und eine Verbesserung der Patientenversorgung in Aussicht stellen. Die Leitungen der Universitätskliniken sind jetzt in der Pflicht, das auch entsprechend umzusetzen.
(Beifall bei der LINKEN)
Nach dem Tarifabschluss an der Charité im Frühjahr 2016 entwickelte das Berliner Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus einen Gesetzentwurf, mit dem die tariflich vereinbarten Personalvorgaben der Charité verpflichtend für alle Berliner Krankenhäuser gemacht werden sollen. Zur Durchsetzung wurde ein Volksbegehren angestoßen. Diese Initiative wurde im Übrigen in Hamburg ebenfalls aufgegriffen. In Berlin wurden in der ersten Phase fast 50 000, in Hamburg knapp 30 000 Unterschriften gesammelt – weit mehr, als notwendig gewesen wäre. Ein grandioses Ergebnis.
(Beifall bei der LINKEN)
Auch in Bayern – erstmals in einem Flächenland – sind wir diesen Schritt gegangen und haben ein breites Bündnis geschaffen, an dem sich neben Linken, SPD und Grünen auch die Gewerkschaft Verdi, die Ärztegewerkschaft Marburger Bund, der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe, die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung und viele Patientenorganisationen beteiligt haben.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Heike Baehrens [SPD])
Seit Anfang August sammelt das Volksbegehren „Stoppt den Pflegenotstand an Bayerns Krankenhäusern“ Unterschriften. Als Beauftragter dieses Volksbegehrens freue ich mich sehr über die enorme Resonanz. Bisher sind fast 35 000 Unterschriften bei uns eingegangen.
(Beifall bei der LINKEN)
Und wir werden die 40 000‑Unterschriften-Marke knacken, mit Sicherheit, wobei wir zur Zulassung des Volksbegehrens nur 25 000 Unterschriften brauchen.
Gleichzeitig demonstrierten in Hamburg über 1 000 Menschen. Sie fordern, dass der Hamburger Senat den Volksentscheid anerkennt, anstatt ihn politisch zu bekämpfen und für juristisch unzulässig zu erklären. Das, liebe SPD, ist schon ein wenig schizo: In Bayern unterstützt ihr das Volksbegehren, und in Hamburg bekämpft ihr es. An dieser Stelle müsst ihr mal in euch gehen, denke ich.
(Beifall bei der LINKEN)
Der immense Zuspruch für das Volksbegehren ist angesichts des existierenden Pflegenotstands nicht verwunderlich. Im ARD-Deutschlandtrend gaben 79 Prozent der Befragten an, dass die Situation in der Pflege zu wenig Raum in der politischen Auseinandersetzung einnimmt. Und im aktuellen Deutschlandtrend vom August verneinen 84 Prozent der Befragten die Frage, ob das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz eine spürbare Verbesserung für die Situation der Patienten bringen wird. An den gewerkschaftlichen Kampagnen, betrieblichen Kämpfen, Volksbegehren und Demonstrationen gegen den Pflegenotstand kommt auch die Große Koalition nicht mehr vorbei.
„Wir haben verstanden“, behauptete Gesundheitsminister Jens Spahn im Mai und versprach, die Arbeitsbedingungen in der Pflege spürbar zu verbessern. Was jetzt als Gesetzentwurf unter dem sperrigen Titel „Pflegepersonal-Stärkungsgesetz“ vorliegt und was in einer Rechtsverordnung zu den Personaluntergrenzen in pflegesensitiven Bereichen des Krankenhauses vorgelegt wurde, ist leider das Gegenteil von „verstanden“. Die Regelungen zu den Personaluntergrenzen führen zur Entstehung eines Verschiebebahnhofs für das Personal von den anderen Bereichen in die pflegesensitiven Bereiche – das sind nur vier Bereiche in den Krankenhäusern –, was dann in den anderen Bereichen die Situation noch schlimmer machen wird.
Die Regelungen im Pflegepersonal-Stärkungsgesetz setzen an der DRG-Kalkulation an und nehmen das, was wir an Ist-Kosten für die Pflege haben, entsprechend zum Soll-Standard für alle Krankenhäuser. Mit einer wissenschaftlich fundierten und am Pflegebedarf der Patientinnen und Patienten ausgerichteten Personalbemessung hat das nichts zu tun. Hinzu kommt, dass die Bezugsgrößen nicht die Station und nicht die Schicht, sondern das gesamte Krankenhaus und der Monatsdurchschnitt sein sollen.
Von einer Ausweitung der Untergrenzen auf alle Bereiche sind wir auch weit entfernt. Was im Koalitionsvertrag noch reingeschrieben wurde, finden wir jetzt nicht mehr. Abschläge als Sanktionsmöglichkeit halten wir in der Tat nicht für zielführend. Wenn, dann müsste es zu entsprechenden Bettensperrungen kommen.
(Beifall bei der LINKEN)
Auch in der Altenpflege wird dieses Gesetz kaum spürbare Verbesserungen bringen. Die Finanzierung von 13 000 zusätzlichen Stellen entspricht nicht ansatzweise dem Bedarf. Bei der neuen Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Pflegeberufe ist die Bundesregierung im Juni vor den profitorientierten Pflegeheimbetreibern eingeknickt. Im Ergebnis wird die Altenpflege entwertet und dequalifiziert. Es ist eine Abwanderung der Pflegekräfte aus der Altenpflege in die Krankenhauspflege zu erwarten. Das wird uns alle noch vor riesengroße Probleme stellen. Hier ist Widerstand notwendig.
(Beifall bei der LINKEN)
Der Gesundheitsminister handelt nach dem Motto: Nicht das Erreichte zählt, sondern das Erzählte reicht. – Das ist das Gegenteil von: „Wir haben verstanden.“ Verstanden haben die Pflegekräfte, die Patientinnen und Patienten, die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen. Sie kämpfen für eine bessere Versorgung und bessere Arbeitsbedingungen. Es muss dringend eine gesetzliche Personalbemessung eingeführt werden, die sich am Pflegebedarf orientiert.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die Bundesregierung wird nur handeln, wenn der Druck entsprechend groß wird. Es gibt mit Arbeitskämpfen und Volksbegehren die Möglichkeit, Verbesserungen nicht nur zu fordern, sondern tatsächlich durchzusetzen. Das erhöht den bundespolitischen Druck. Wir brauchen einen Pflegeaufstand, der der Bundesregierung Beine macht. Und wir sind auf einem guten Weg dahin.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)