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Haltung der Bundesregierung zu den Absichten des Bundesministers des Innern, Dr. Wolfgang Schäuble

Rede von Ulrich Maurer,

Ulrich Maurer (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Tat, Herr Innenminister, das Thema verdient eine ernsthafte Debatte. Die Auseinandersetzung mit dem Fundamentalismus oder mit menschenrechtsverachtenden Systemen aller Art wird nicht mit Tornados und nicht mit der Einschränkung von Freiheitsrechten gewonnen; sie wird gewonnen oder eben verloren über die Glaubwürdigkeit unserer Werte. Darüber entscheidet sie sich!
(Beifall bei der LINKEN - Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD): Da haben Sie recht, Herr Maurer! Da stimme ich ausdrücklich zu!)
Ihnen widme ich zum Schluss noch 30 Sekunden, Herr Kollege.
(Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD): Aber nicht mehr!)
Nicht mehr. Mehr wirklich nicht.
(Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD): Mehr lohnt sich nicht!)
Herr Innenminister, wenn wir der Versuchung erliegen Sie tun das , die in unserer Verfassung garantierten Freiheitsrechte einzuschränken, die rechtsstaatlich gebotene strikte Trennung zwischen Armee, Polizei und Nachrichtendiensten zu verwischen und zu beseitigen übrigens: damit fallen Sie hinter die alte römische Republik zurück; da durfte die Armee den Rubikon nicht überschreiten und nicht in das Staatsgebiet eindringen, wie Sie vielleicht wissen sollten , wenn wir uns an internationalen Interventionskriegen beteiligen und damit die Gefahr des Terrorismus erhöhen, das heißt: wenn wir das Gesicht unserer Gesellschaft und die Gebote unserer Verfassung beschädigen und infrage stellen, dann werden wir unseren Gegnern ähnlicher, und dann werden wir in der westlichen Welt die Auseinandersetzung mit dem Fundamentalismus verlieren. Das ist der ernste Hintergrund dieser Debatte.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich muss gestehen, Herr Kollege Wiefelspütz: Ich war ziemlich fassungslos über Ihren Auftritt. Ich habe vor meinem geistigen Auge noch einmal all die verbalradikalen Äußerungen aus den Reihen der SPD vorüberziehen lassen, die ich in der Sache auch für berechtigt gehalten habe. Die Menschen, die das gelesen haben und heute diese Debatte verfolgen, werden jeden Glauben an die Wahrhaftigkeit in der Politik verlieren. Was Sie hier abgeliefert haben, war nach dem Knut-Kiesewetter-Lied „Ich will lieber wieder lieb sein“, nach dem Motto: Mich zu ändern, das verspreche ich ganz fest. Ich konnte gar nicht glauben, dass in einen Menschen Ihres Körpergewichtes so viel Kreide hineinpasst.
(Beatrix Philipp (CDU/CSU): Tolles Niveau hier!)
Ja, das war doch jetzt eine völlig andere Melodie, als wir die letzten Tage gehört haben.
(Zuruf von der LINKEN: So ist es!)
Dann sagt noch der Innenminister das müssen Sie sich einmal überlegen! , er sorge nur dafür, dass jetzt eine gesetzliche Grundlage für das geschaffen werde, was der Innenminister der rot-grünen Regierung schon die ganze Zeit gemacht habe. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen!
Man sollte sich auch überlegen, in welchem Verhältnis das, was Sie, Herr Wiefelspütz, jetzt machen, zu dem steht, was Sie davor geäußert haben und was ich, wie gesagt, für berechtigt halte. Das geht doch nicht zusammen.
Man muss sich, wie ich glaube, allmählich Sorgen um das Erbe der Väter und Mütter des Grundgesetzes machen. Wir Linken ich glaube, wir haben damit recht stellen immer wieder fest, dass Sie das Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes mit den Gesetzen, die nach dem verurteilten Straftäter Dr. Hartz benannt sind, schwer beschädigen. Wir müssen darüber hinaus leider feststellen, dass Sie, Herr Innenminister das war der Kern Ihrer Aussage, auch wenn Sie elegante juristische Zirkel zur Unschuldsvermutung gemacht haben , eigentlich alle Bürgerinnen und Bürger im Rahmen der von Ihnen sogenannten Gefahrenabwehr unter Generalverdacht stellen.
(Beifall bei der LINKEN)
Sie sollten sich überlegen, welche Wirkungen Sie damit in unserer Bevölkerung auslösen.
Das Thema ist zu ernst, als dass es sich für dieses nun bis zum Überdruss geübte Koalitionstheater eignet ich sage das sehr deutlich , das folgendermaßen geht: Schäuble provoziert, bekommt den üblichen Beifall als knallharter Antiterrorkämpfer, die SPD übt sich als Scheinlinke, 150 Prozent werden gefordert, anschließend erfolgt der Aufruf zur Sachlichkeit, 80 Prozent der Forderungen von Schäuble werden durchgesetzt, und anschließend ist der Koalitionsfriede wieder hergestellt. Auch mit dieser Methode kann man an einer Verfassung herumsägen und herumnagen.
(Beifall bei der LINKEN)
Vor diesem Hintergrund erwähne ich zum Schluss: Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar wohlgemerkt kein ehemaliger DDR-Minister, sondern der Bundesdatenschutzbeauftragte hat die Pläne von Bundesinnenminister Schäuble zur Ausweitung staatlicher Überwachungsmaßnahmen als maßlos kritisiert. Er fürchte um unseren Rechtsstaat, hat er gesagt.
(Silke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da hat er recht!)
Die Freiheit gehe Stück für Stück verloren. Das sagt Ihnen der Bundesdatenschutzbeauftragte! Sie liefern hier aber so eine Vorstellung ab und sagen im Fazit, indem Sie an die Ängste unserer Bevölkerung appellieren: Im Kampf gegen den Terrorismus, wie Sie ihn nennen, sind viele Dinge erlaubt, die die, die unsere Verfassung gemacht haben, nie wollten. Das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen.
Ich wiederhole das, was Ihnen unsere Fraktionsvorsitzenden oft gesagt haben: Jede Beteiligung am Krieg in Südafghanistan erhöht die Terrorgefahr für unsere Bevölkerung um ein Vielfaches mehr, als Sie an Sicherheit, die Sie mit Ihren Sicherheitsillusionen und vorstellungen hier beschwören, erreichen können.
(Beifall bei der LINKEN)