Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, Sie haben gesagt, wir haben dieses Jahr einen Haushalt vorliegen, den es in dieser Höhe noch nicht gab. Das stimmt so. Trotzdem möchte ich gerne noch etwas zum Volumen hinzufügen.
Es sind ja dieses Jahr, von Ihnen vorgeschlagen, 92 Millionen Euro mehr, und im Haushalt werden noch einmal 560 Millionen Euro frei, weil wir das Betreuungsgeld nicht mehr benötigen. Das macht ungefähr 650 Millionen Euro. Das klingt nach unglaublich viel. Aber es ist nun mal so, dass viele dieser Gelder durch gesetzliche Verpflichtungen gebunden sind. Wir brauchen 200 Millionen Euro mehr für das Elterngeld. 365 Millionen Euro werden mehr ausgegeben für den Kitaausbau, aber auch für die Qualifizierungsoffensive, was alles richtig und gut ist. 44 Millionen Euro brauchen wir mehr für den Kinderzuschlag. Das sind alles Dinge, die wir tun müssen. Dies zeigt, dass der Spielraum in diesem Haushalt für andere Maßnahmen doch recht eng gestrickt ist.
Sie haben den Spielraum trotzdem genutzt – das findet unsere absolute Zustimmung – und nehmen noch einmal 54 Millionen Euro in die Hand, um es in den Bereich der Prävention zu stecken, in den Titel, der sich mit dem Programm „Demokratie leben!“ beschäftigt, das heißt, in Programme, Strukturen, Projekte, die sich gegen Demokratiefeindlichkeit, gegen Menschenfeindlichkeit im weitesten Sinne richten, also gegen Ideologien wie Rassismus, Antisemitismus und Salafismus. Trotzdem sage ich: Wir könnten auch dort noch mehr Geld gebrauchen.
Aber viel wichtiger ist mir, dass die Programme auch verstetigt werden, dass sie auch in den nächsten Jahren, also in den Jahren 2018, 2019 und 2020, durchfinanziert sind. In der mittelfristigen Finanzplanung ist jedoch festgehalten, dass der Etat ab dem nächsten Jahr wieder abgesenkt werden soll auf knapp 80 Millionen Euro. Ich glaube, das ist der falsche Weg. Der Kampf gegen Rassismus und andere menschenfeindliche Ideologien ist ein Kampf, den wir auch übernächstes Jahr und in den Folgejahren leider noch werden führen müssen.
(Beifall bei der LINKEN)
Keine Zustimmung findet bei uns die Absenkung der Mittel für den Kinder- und Jugendplan. Dazu wird mein Kollege nachher noch mehr sagen. Wenn wir auf der einen Seite Programme aufsetzen, die sich gegen Menschenfeindlichkeit und Demokratiefeindlichkeit richten, und auf der anderen Seite bei den Strukturen kürzen, in denen junge Menschen eigentlich lernen, solidarisch und demokratisch miteinander umzugehen, dann ist das der falsche Weg. Ich glaube, wir müssen dort noch nachbessern. Wir haben im Übrigen in der letzten Haushaltsberatung genau an dem Punkt nachgebessert.
Ich möchte noch etwas zur Unterstützung der Familien sagen. Sie haben ja im Sommer ein Projekt in den Medien vorgestellt, das jetzt in den Haushaltsberatungen noch keine Rolle spielt, und zwar das Projekt des Familiengeldes. Soll heißen, dass diejenigen, die mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen wollen und ihre Arbeitszeit auf 80 Prozent reduzieren, dafür einen Ausgleich von 150 Euro bekommen. Also, der Vater bekommt 150 Euro. Wenn es die Mutter auch macht – oder umgedreht –, sind es insgesamt auf alle Fälle 300 Euro. Ich sage es einmal so: Das klingt am Anfang sehr charmant. Trotzdem bleiben hier noch ein paar offene Fragen.
Sie haben ja angekündigt, dass Sie das in dieser Legislaturperiode gerne noch auf den Weg bringen wollen. Mich würde interessieren, wie Sie sich das genau vorstellen. Was ist zum Beispiel mit Aufstockern? Was ist mit einer Frau, die ALG II bezieht und vielleicht noch als Haushaltshilfe arbeitet, um aufzustocken? Wie soll sie ihre Arbeitszeit reduzieren? Bekommt sie das Geld dann auch? Wird das Geld gegengerechnet? Was ist mit Menschen, die in einem kleinen Betrieb arbeiten, deren Chef sagt: „Ja, Sie können das gerne machen, aber für die restlichen 20 Prozent der Zeit, in denen ich Sie auch benötige, kann ich niemand Neues einstellen, Sie müssen das dann eben in unbezahlten Überstunden wegarbeiten.“? – Dann wäre das Familiengeld eine Lohnsubventionierung. Wie sind diese Probleme gelöst?
Ich glaube, in der Zeit, in der wir das diskutieren, sollten wir unsere Energie darauf verwenden, das Kindergeld zu reformieren. Vielleicht gibt es hier auch eine breite Mehrheit dafür. Natürlich muss das Kindergeld erhöht werden. Daneben stellt sich aber auch die Frage, warum für das erste und das zweite Kind jeweils 190 Euro gezahlt werden, während für das dritte Kind 196 Euro und für jedes weitere Kind 221 Euro gezahlt werden. Was ist der Unterschied zwischen ihnen? Ist zum Beispiel das dritte Kind mehr wert als das erste Kind? Was ist die Logik hinter dieser Abstufung? Ich finde, uns sollten alle Kinder gleich viel wert sein, und deshalb sollten wir gleich viel Kindergeld zahlen.
(Beifall bei der LINKEN)
Frau Ministerin, in der Bild -Zeitung stand ein sehr interessantes Interview mit Ihnen. Ich habe das mit Interesse zur Kenntnis genommen. Sie haben sich darin – das haben Sie hier auch noch einmal angesprochen – zum Unterhaltsvorschuss geäußert. Ich habe mit Interesse zur Kenntnis genommen, dass im Finanzministerium noch Spielraum dafür gesehen wird. Wir können das nur unterstützen. Das ist eine Forderung, die wir auch schon viele Jahre in die Beratungen hier mit eingebracht haben.
Es kann nicht sein, dass ein Unterhaltsvorschuss – das heißt eine staatliche Leistung für Frauen, die alleinerziehend sind und deren Partner für das gemeinsame Kind nicht zahlen will oder kann – auf sechs Jahre beschränkt ist und nicht bis zum 18. Lebensjahr gezahlt wird. Ich glaube, das muss dringend geändert werden.
(Beifall bei der LINKEN
Wir könnten das jetzt sofort angehen. Das betrifft 260 000 Kinder und ihre Mütter. Ich glaube, das wäre ein gutes gemeinsames Projekt, mit dem wir alle zusammen sofort für ein Stück mehr soziale Gerechtigkeit im Land sorgen könnten. Wir sind dabei.
(Beifall bei der LINKEN)