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Grußwort von Dr. Dagmar Enkelmann zur Eröffnung des Kongresses „Frauen und Schule“ am 19.04. 2007, Potsdam, OSZ „Johanna Just“

Rede von Dagmar Enkelmann,

Kongress Frauen und Schule

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Grußwort von Dr. Dagmar Enkelmann
zur Eröffnung des Kongresses „Frauen und Schule“ am 19.04. 2007, Potsdam, OSZ
„Johanna Just“
Liebe Kolleginnen,
als Brandenburgerin freue ich mich sehr, Sie alle heute hier in meinem Heimatland
begrüßen zu dürfen.
Ich erinnere mich noch gut an das Jahresende 2006, als couragierte Frauen vom
Verein „Frauen und Schule“ mich baten, eine der Schirmfrauen des Kongresses
zu werden.
Diese Aufgabe habe ich gern übernommen.
Als Politikerin und Frau weiß ich, dass Emanzipation und Quotierung immer noch
und immer wieder eingefordert werden müssen, übrigens auch in meiner eigenen
Partei.
Ich freue mich deshalb sehr, ein Projekt, dass Frauen erfunden, gestaltet, befördert
haben, unterstützen zu dürfen und - diese Zusammenarbeit hat mir viel Freude
bereitet.
Ich bin mir sicher, dass Frau und Mann unterschiedliche Sichten in ein- und
dieselbe Sache einbringen - und - beide Seiten sind wichtig und brauchen einander.
Das ist für mich auch ein Ausdruck von Gleichstellung.
Bekanntlich fällt es Männern leichter, Netzwerke zu bilden.
Ein schönes Ergebnis dieses Kongresses wäre für mich daher, wenn hier so etwas
wie ein neues Netzwerk entstehen würde. Und wenn es uns so gelänge, über
dieses Treffen hinaus politisch wirksam zu bleiben.
Alle Alarmsignale in Sachen Bildung - sei es PISA oder der jüngste Sonderbericht
der UN zur Bildung in Deutschland - blieben bisher in Deutschland weitgehend
ungehört oder lösten wenig hilfreichen Aktionismus aus.
Der UN-Bericht trifft des Pudels Kern - soziale Herkunft ist inzwischen ausschlaggebend
für den Bildungsweg, den Kinder und Jugendliche in Deutschland
einschlagen.
Das kann und darf nicht länger hingenommen werden!
Auch vor den Wirkungen der Föderalismusreform warnt der Bericht. Künftig tragen
bekanntlich die Bundesländer die Hauptverantwortung für die Bildung.
Bildung also je nach Kassenlage.
Das könnte auf Dauer das Rechtsgut gleichwertiger Lebensverhältnisse verletzen.
Sollen vielleicht auf Dauer bayrische Abiture besser „angesehen“ werden als
brandenburgische? Mit Verlaub - „angesehen“ werden, nicht wert sein.
Zentraler Kritikpunkt aber bleibt das gegliederte Schulsystem. Es führt, so die
Aussage des UN-Berichts, zu einer Diskriminierung von Schülerinnen und Schülern.
Lehrer wie Eltern wissen: Bei einem Schüler platzt der Knoten eher, bei dem
anderen später. Für Schülerinnen gilt das übrigens auch.
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Und was in einem Kind oder einem Jugendlichen steckt, zeigt sich erst, wenn es
richtig gefordert und gefördert wird.
Wenn aber schon nach der 4. bzw. 6.Klasse der Übergang zum Gymnasium stattfindet,
wenn also schon zu dieser Zeit die entscheidende Weiche gestellt wird,
verbaut das für viele Kinder die Chance auf eine höhere Bildung.
Ich bin für ein längeres gemeinsames Lernen aller, für integrative Förderangebote,
für bildungsstarke Ganztagsschulen. Davon profitieren schwache wie starke
Schüler.
Der Kongress „Frauen und Schule“ findet zum 14. Mal statt und zum ersten Mal in
Brandenburg.
In den neuen Ländern laufen viele Prozesse ab, mit denen es künftig die gesamte
Bundesrepublik zu tun haben wird.
Seit Jahren gibt es deutliche Hinweise auf demografische Wandlungsprozesse,
insbesondere die so genannten peripheren Regionen Brandenburgs haben in den
letzten Jahren deutlich an Einwohnern verloren.
Vor allem viele junge Menschen und überproportional viele Frauen in gebärfähigem
Alter ziehen wegen fehlender Perspektiven weg. Die Schülerzahlen gehen
rapide zurück, Schulen stehen vor dem Aus oder sind bereits geschlossen, Lehrerinnen
und Lehrer werden scheinbar nicht mehr gebraucht, Schulwege verlängern
sich.
Diese Entwicklungen sind da und können ganz sicher Grund zur Klage sein.
Ich sehe sie aber in erster Linie als Herausforderung, als Auftrag, Bildung neu zu
bilden, wie es im Motto des Kongresses so schön heißt.
Neu über Bildung nachzudenken, heißt beispielsweise, die sinkenden Schülerzahlen
zu nutzen, um die Qualität des Unterrichts zu heben, die Klassen zu verkleinern
oder mehr außerschulische Angebote zu schaffen.
Bildung ist für mich auch ein Mittel, der nicht zu übersehenden Abwanderung aus
den neuen Bundesländern zu begegnen. Gute Angebote an Schule, Berufsausbildung
und Hochschule, sinnvoll unterstützt durch soziale Hilfeleistungen, vermögen
auch Familien mit Kindern zu bewegen, in strukturschwächeren Regionen
zu verbleiben oder dorthin zu ziehen.
Damit könnten dort am Ende wieder qualifizierte junge Leute zur Verfügung stehen.
Diese brauchen wir nicht nur in Brandenburg, zeichnet sich doch schon jetzt
territorial ein Mangel an Fachkräften und hoch qualifizierten Beschäftigten ab.
Es wäre schön, wenn ich Ihnen an dieser Stelle Brandenburger Bildungspolitik als
Vorbild empfehlen könnte. In den Reden seitens der Landesregierung klingt das
auch so.
Ministerpräsident Matthias Platzeck betont, Bildung sei das einzige Versprechen,
dass der jungen Generation gegeben werden kann. Darin stimme ich ihm zu.
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Nur: es darf eben nicht nur ein Versprechen bleiben. Es muss auch eingelöst
werden.
Und die Realität in Brandenburg sieht anders aus.
Abgesehen davon, dass es in den Jahren seit der Wende unzählige Änderungen
des Schulgesetzes, Modellprojekte, Schulversuche, immer wieder Richtungswechsel
gab, die Lehrer und Schüler nicht zur Ruhe kommen ließen, gehört
Brandenburg bei den Bildungsausgaben pro Schüler zu den Schlusslichtern unter
den Bundesländern.
Eine Schwachstelle ist nach wie vor die unzureichende Frühförderung durch eine
vorschulische Erziehung, die für alle Kinder offen ist und in der die Spracherziehung
eine zentrale Rolle spielt. Für mich gehören endlich wieder Logopäden in
die Vorschuleinrichtungen.
Statt in Köpfe zu investieren, wie immer wieder versprochen, werden demnächst
899 Lehrerstellen abgebaut.
Dabei brauchen die Einrichtungen dringend mehr Schulsozialarbeiter.
Dass die Landesregierung den bildungspolitischen Herausforderungen nicht gerecht
wird, zeigt auch die Ende 2006 beschlossene Novelle des Brandenburger
Schulgesetzes. Zu vieles wurde nicht gelöst. Tests ersetzen eben keine Förderung
und ob Kopfnoten wirklich Einsteins hervorbringen, sei angezweifelt.
Tieferes Nachdenken über die Anforderungen an ein modernes Bildungssystem,
das unsere Kinder auf das Leben vorbereitet, ist also sehr zeitgemäß.
Die Themen, denen sich der Kongress stellt, erfüllen diesen Anspruch.
In diesem Sinne wünsche ich uns Erfolg, auch über die nächsten zwei Tage hinaus.
P.S.:
Ein persönlicher Zusatz sei mir noch gestattet:
"Kinder sind Zukunft“ verkündet nicht nur die ARD in dieser Woche und meint damit oft
Kinder als künftige Renten-Erwirtschafter. Diese Reduzierung gefällt mir offen gestanden
nicht.
Kinder sind auch Gegenwart, spannende. Sie sind Bereicherung, Bestätigung, Herausforderung,
gelegentlich auch eine ziemliche Belastung.
Kinder sind Kinder und keine kleine Erwachsene. Ich habe drei und weiß, wovon ich
rede.
Damit Kinder gute Erwachsene werden, brauchen sie Liebe und Erziehung, bestmögliche
Bildung und Ausbildung. Und jedes Kind, das in diesem Land lebt, ist diese Anstrengung
wert. Bildung muss für alle Kinder zugänglich sein.
Eine Bildungspolitik, die das Fortkommen der Kinder vom Geldbeutel der
Eltern abhängig macht, ist nicht nur unsozial, sondern verschenkt auch ein Unmenge
an Talenten, an klugen Köpfen, die unser Land dringend braucht.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.