Zum Hauptinhalt springen

Grundrecht auf Freie Meinungsäußerung Einhalten und Durchsetzen!

Rede von Nicole Gohlke,

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen!


Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen möchte das Recht auf Zu-gang zu öffentlichen Informationen im Grundgesetz verankern. Das ist selbstverständlich zu begrüßen. Eine informierte und aktive Zivilgesellschaft ist die Voraussetzung für unsere Demokratie, und dazu braucht es selbstverständlich auch ein Zugangsrecht zu Informationen.


(Beifall bei der LINKEN)


Man könnte natürlich darüber streiten, ob dies einer Grundgesetzänderung bedarf und ob nicht auch die Informationsfreiheitsgesetze der Länder und des Bundes präzisiert werden sollten. Eine Festschreibung dieses Rechts auch im Grundgesetz ist aber richtig und kann nicht schaden.


Zu einer aktiven demokratischen Gesellschaft gehört aber auch und vor allem – da werden Sie mir sicher zustimmen – das Recht, seine Meinung ungehindert ausdrücken zu dürfen. Die Grünen wollen mit ihrem Gesetzentwurf den Art. 5 des Grundgesetzes erweitern. Wie beginnt dieser Artikel? Er beginnt mit den Worten: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten“.


Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, Ihr Vorstoß ist richtig und wichtig. Es ist richtig, sich um die Er-weiterung und Präzisierung unserer Rechte zu kümmern. Es ist aber ebenso wichtig, für die Einhaltung und Durchsetzung der Grundrechte zu sorgen. Da erstaunt es schon, dass die Grünen hier mit dem Gestus einer Vollblutbürgerrechtspartei auftreten. Sie machen sich hier und heute zwar stark für die Erweiterung des Art. 5 des Grundgesetzes, letzte Woche in Frankfurt haben Sie sich aber ganz anders verhalten. Da haben Sie mitgeholfen, die grundgesetzlich verankerte Meinungsfreiheit einzuschränken.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRܬNEN]: Das kommt beim nächsten Tagesordnungspunkt! – Gegenruf des Abg. Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Ja, aber so war es trotzdem!)


– Es war genau so. Danke für den Zwischenruf aus der Koalition.


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind heute ganz neue Allianzen!)


Vergangene Woche wollten sich Menschen in Frankfurt am Main versammeln, um ihre Meinung zu dem Spardiktat von Troika und Regierung und zu dem undemokratischen EU-Fiskalpakt kundzutun.


(Gisela Piltz [FDP]: Sind Sie sich sicher, dass Sie zum richtigen Tagesordnungspunkt reden?)


– Ja, ich bin mir sicher, dass ich zum richtigen Tagesordnungspunkt rede. Es geht ja um die Erweiterung des Art. 5 des Grundgesetzes. Es geht um die Erweiterung der Meinungsfreiheit, und in diesem Zusammenhang kann man doch auch über die aktuelle Gewährleistung dieses Artikels reden und debattieren.


(Beifall bei der LINKEN)


Es sollten drei aktionsreiche und lebendige Tage in Frankfurt werden, Tage der direkten und demokratischen Meinungsäußerung.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRܬNEN]: Das ist zu Zusatzpunkt 7!)


Zelten auf öffentlichen Plätzen, Kundgebungen und Konzerte an verschiedenen Orten der Stadt und eine Demonstration als Abschluss waren geplant. Schon im Vorfeld hatte die Stadt Frankfurt aber angekündigt, das Versammlungsrecht massiv einzuschränken, und die schwarz-grün geführte Stadtregierung hat diese Einschränkung der Meinungsfreiheit wirklich knallhart umgesetzt.


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zur Sache, bitte!)


Kundgebungen und Aktionen wurden verboten. Von den geplanten 73 inhaltlichen Veranstaltungen konnten lediglich 8 an Ausweichorten stattfinden. Die Innenstadt wurde abgeriegelt. 5 000 Polizistinnen und Polizisten waren im Einsatz. Ein derartig umfassendes Demonstrationsverbot hat es in der Geschichte der Bundesrepublik bisher nicht gegeben.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRܬNEN]: Sie sind ja ahnungslos!)
– Das ist aber so. - Dass das ausgerechnet von den Grünen in Regierungsverantwortung verordnet und exekutiert wurde, ist ein politischer Skandal, und auch das müssen Sie sich anhören.
(Beifall bei der LINKEN – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Frau Kollegin, das Thema ist verfehlt!)


Ich war von Mittwoch bis Samstag als Beobachterin in Frankfurt und habe selbst erfahren, wie die Demokratie durch diese Verbotspraxis mit Füßen getreten wurde. Drei Busse aus Berlin wurden noch auf der Autobahn zur Rückkehr nach Berlin aufgefordert. Anreisende Menschen erhielten für drei Tage Platzverweise für die Stadt Frankfurt, übrigens auch für den Zeitraum der genehmigten Demonstration. Junge Menschen wurden stundenlang in Polizeikesseln festgehalten. Insgesamt wurden 1 430 Personen in Gewahrsam genommen. Auch die Presse – wenn wir über Art. 5 des Grundgesetzes reden, dann reden wir auch über die Gewährleistung der Pressefreiheit – wurde immer wieder daran gehindert, zu berichten.


Von den Frankfurter Grünen kam keinerlei Widerstand gegen diese Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Stattdessen bezeichnet der Fraktionsvorsitzende Manuel Stock die Verbote als „Verwaltungsakt“.


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind sie auch!)


Die Durchsetzung von Verboten und Verwaltungsakten, das ist kein Bürgerrechtsverständnis.


(Beifall bei der LINKEN)


Die gute Nachricht ist: Trotz aller Verbote lassen sich Protest und das Recht auf freie Meinungsäußerung nicht verbieten. Tausende von Menschen folgten dem Aufruf des Bündnisses. An der Demonstration am Samstag beteiligten sich knapp 30 000 Menschen. Das war die größte Demonstration in Frankfurt seit mindestens zehn Jahren.
Wenn also die Grünen heute nach diesen Vorkommnissen einen Gesetzentwurf zur Erweiterung des Art. 5 Grundgesetz auf freie Meinungsäußerung einbringen, dann sage ich Ihnen: Sorgen Sie dafür, dass dort, wo Sie Verantwortung wie in Frankfurt tragen, das Recht auf Meinungsfreiheit gewährleistet wird.


(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Das ist es auch! Unfug!)


Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)