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Grundbuchamtsreform in Baden-Württemberg

Rede von Richard Pitterle,

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen,

was ist uns eine qualifizierte Justiz wert? Der Landesregierung von Baden-Württemberg und der Bundesregierung offenbar nicht viel. Denn dort sollen die Ratsschreiber und Beschlussfertiger aus den Gemeinden in die Amtsgerichte versetzt werden und dort die hochqualifizierten Aufgaben von Rechtspflegern im Grundbuchamt übernehmen. Das soll im Rahmen der anstehenden Grundbuchreform im „Ländle“ geschehen. 

Im Grundbuch werden bekanntlich die Eigentümerinnen und Eigentümer von Grundstücken, Häusern und Wohnungen eingetragen. Wer ein Haus oder eine Wohnung kauft, wird im Grundbuch eingetragen. Wenn jemand bei seiner Bank auf sein Haus einen Kredit aufnimmt, wird die Bank im Grundbuch als Gläubigerin eingetragen und kann beispielsweise die Immobilie versteigern lassen, wenn der Kredit nicht mehr zurückgezahlt wird, ohne lange irgendwelche Beweise vorzulegen. Wir haben es hier also nicht mit irgendwelchen Listen zu tun, die ein Gericht führt. Es ist ein amtliches öffentliches Verzeichnis; Eintragungen im Grundbuch genießen allerhöchstes Vertrauen. Der Inhalt des Grundbuchs gilt immer als richtig, - auch dann, wenn er mal nicht richtig ist (§ 892 BGB).

Gerade deshalb sind korrekte Entscheidungen ganz wichtig. Und diese Entscheidungen treffen der Rechtspfleger, die Rechtspflegerin. Ratsschreiber und Beschlussfertiger haben bisher nur die Eintragungen vorgenommen - also ausführende Tätigkeiten. Die „Qualitätssicherung“ machen die Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger. Ratsschreiber und Beschlussfertiger als „Bereichsrechtspfleger“ und ihre Gleichstellung mit den Rechtspflegern geht an den Anforderungen der Rechtspraxis völlig vorbei.

Die Qualifikation und das ausgewogene Urteil eines juristisch ausreichend Ausgebildeten - sei es als Justizangestellter, sei es als Rechtspfleger, sei es als Richter - ist für mich ein hoher Wert, meine Damen und Herren, egal ob das im Grundbuchamt ist, im Nachlassgericht, im Handelsregister, im Vereinsregister.

Daher führt nach meiner Meinung auch kein Weg an einer umfassenden Nachqualifizierung der bisherigen Ratsschreiber und Beschlussfertiger vorbei. Damit die hohe Qualifikation der Justiz erhalten bleibt und wir nicht Verhältnisse wie in vielen anderen europäischen Staaten bekommen.

Doch diese Nachqualifizierung soll es nicht geben, es sind lediglich einige Fortbildungen geplant, die aber in keinster Weise an die gestellten Anforderungen für Rechtspfleger herankommen.

Und für wie viele Leute wird dieses Gesetz eigentlich gemacht? Es geht hier nach Angaben des baden-württembergischen Justizministers um weniger als 30 Personen. Dafür wäre auch eine andere Lösung möglich. So wird aber ein Bundesgesetz geschaffen, es werden Debatten geführt und so weiter.

Meine Damen und Herren, mit diesem Gesetzentwurf wird ein weiterer Beitrag zur Aushöhlung der Justiz geleistet. Außerdem wird ein Einfallstor für andere Justizbereiche geöffnet, genauso vorzugehen. Wir brauchen aber nicht immer mehr Spezialisten, die nur noch einen ganz engen Bereich durchblicken und lediglich mehr oder weniger gut für ihr spezielles Arbeitsgebiet angelernt sind, aber keinen Überblick mehr besitzen. Wohin das führt, kennen wir zur Genüge aus der Industrie oder dem Einzelhandel.

Wir lehnen deshalb Ihren Gesetzentwurf ab.

Und zum Abschluss des parlamentarischen Wegs dieses Gesetzentwurfs verwöhnt uns die Bundesregierung noch mit zwei Änderungen, die völlig andere Gesetze betreffen, aber mit diesem Gesetzentwurf durch die Hintertür durchgedrückt werden sollen - vielleicht mit der Hoffnung, dass es kaum jemand merkt. Diese Unsitte der Bundesregierung über ein sogenanntes „Omnibus-Gesetz“ ganz andere Bereiche zu regulieren und dem Ausschuss ein nicht zustehendes Initiativrecht für Gesetzgebung einzuräumen, hat die LINKE früher als verfassungswidrig abgelehnt und lehnt es auch diesmal ab.

Denn was haben die geplanten Änderungen in der Zivilprozessordnung und im Wohnungseigentumsgesetz mit der Grundrechtsreform in Baden-Württemberg zu tun? Gar nichts. Zudem enthalten die Änderungen eine Rechtsmittelverkürzung, die wir ebenfalls ablehnen. Ihre Vorgehensweise schafft nur ein Durcheinander in den Gesetzen. Arbeiten Sie nicht so chaotisch und achten Sie endlich die Vorgaben der Verfassung.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.