Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die Chance, in diesen Tagen, in denen die Medien viel über die Auswirkungen einer sehr erfolgreichen Wahl in Griechenland berichten, im Bundestag über Griechenland zu reden, sollten wir nicht an uns vorbei ziehen lassen.
Herr Spinrath, wenn man über ein soziales Europa reden will - Sie selbst sagen, dass das Arbeitsprogramm der EU-Kommission noch zu wenig Inhalte für ein soziales Europa bietet -, dann ist das Eingeständnis notwendig, dass die EU-Kommission in den letzten Jahren mit ihrer verheerenden Troika-Politik kräftig daran mitgearbeitet hat, dieses soziale Europa zu zerstören.
Es muss klar sein: In Griechenland wurde eine Partei gewählt, die das aufräumen muss, was die korrupten Schwesterparteien von CDU/CSU und SPD in den vergangenen Jahren angerichtet haben. Ihre korrupten Schwesterparteien haben sich Griechenland zur Beute gemacht. Jetzt muss Syriza das Land wieder nach vorne zu bringen.
Dass die Gewerkschaftsspitzen in Deutschland ein Stück weiter sind als Sie, zeigt ein aktueller Aufruf, in dem es heißt: Das, was in Griechenland passiert, ist eine Chance für ein demokratisches und soziales Europa. Diese Chance sollte nicht durch CDU/CSU und SPD bekämpft werden. Wir sollten die griechische Regierung bei diesem Weg gemeinsam unterstützen!
Der EU-Parlamentspräsident Schulz, ein Sozialdemokrat, hat letzte Woche gesagt, er habe "keinen Bock" mit der neuen griechischen Regierung ideologische Debatten zu führen. Die Gewerkschaftsspitzen in diesem Land sind hier ein ganzes Stück weiter!
Syriza tritt an, um die Grundlagen für ein anderes Europa zu schaffen. Das, was Syriza vorschlägt, liebe Kollegen von der SPD, ist ursozialdemokratisch. Sie sollten es unterstützen und nicht bekämpfen.
Die erste und wichtigste Voraussetzung für dieses andere Europa ist ein Ende des Kürzungswahns. Dieses Ende wurde bereits in die Wege geleitet, als die neue griechische Regierung die Troika vor die Tür gesetzt hat.
Damit uns klar wird, worum es geht: Mehr als ein Viertel der Griechinnen und Griechen ist heute arbeitslos. 6 von 11 Millionen Griechen leben in Armut oder sind von Armut bedroht. Und die Verschuldung, die eigentlich bekämpft werden sollte, ist immer weiter gestiegen.
Diese Politik der Troika, angeführt von Bundeskanzlerin Angela Merkel, ist grandios gescheitert. Nicht Alexis Tsipras ist „Geisterfahrer“ - wie der Spiegel schreibt -; die deutsche Bundesregierung war jahrelang der Geisterfahrer in Europa.
Deshalb ist es jetzt zwingend notwendig, dass wir die Chance ergreifen, die durch die Wahl in Griechenland entstanden ist. Denn nur so kriegen wir es hin, ein soziales Europa zu gestalten. Wer nur will, dass weiter gekürzt wird, der wird den Kopf dafür hinhalten müssen, dass die Jugendarbeitslosigkeit, Herr Spinrath, nicht abgebaut wird.
Wir brauchen eine neue Schuldenkonferenz, so wie sie 1953 Deutschland geholfen hat. Wir brauchen einen fairen Ausgleich zwischen Schuldnern und Gläubigern. Gerade wir Deutschen sollten das anerkennen und unserer historischen Verantwortung gerecht werden. Unsere Wirtschaft hätte sich nach dem Zweiten Weltkrieg niemals so rasch erholen können, ohne die solidarische Unterstützung unserer heutigen Partner - Griechenland eingeschlossen. Das Gleiche muss jetzt Griechenland zugutekommen.
EU-Kommissionspräsident Juncker hat jetzt den Juncker-Plan als das Projekt vorgeschlagen. Was wir zwingend und dringend brauchen, sind mehr öffentliche Investitionen, aber nicht das, was Juncker vorschlägt: Er will aus öffentlichen Geldern in Höhe von 21 Milliarden Euro, die er irgendwie aus den verschiedenen EU-Töpfen auftreibt, 315 Milliarden Euro machen. Das ist Voodoo-Ökonomie. Das würde am Schluss nicht zu den gewünschten Ergebnissen führen. Deshalb fordern wir Linke, dass europaweit öffentliche Gelder in Höhe von mindestens 500 Milliarden Euro in einen sozial-ökologischen Umbau investiert werden. Finanziert werden könnte das unter anderem über eine angemessene Besteuerung von Reichtum, Finanztransaktionen und Vermögen.
Was Sigmar Gabriel offenbar auch unterstützt, ist, dass der Juncker-Plan mit Öffentlich-Privaten-Partnerschaften umgesetzt wird. Bei diesen ÖPP-Projekten ist es am Schluss immer so gewesen, dass die Gewinne der Privatwirtschaft zufließen und die Risiken der Steuerzahler zu tragen hat. Solche Programme lehnen wir Linke ab. Wir wollen, dass auch Private haften, wenn sie falsche Geschäfte machen. Deshalb brauchen wir ein Zukunftsinvestitionsprogramm mit öffentlichen Geldern.
Ganz zum Schluss: Wenn die EU-Kommission in diesem Jahr wirklich etwas Vernünftiges machen will, dann sollte sie die Verhandlungen über TTIP und CETA stoppen. Wir brauchen keinen neuen Angriff auf Arbeitnehmerrechte, Sozialstandards und Verbraucherschutz. Wenn diese Abkommen umgesetzt werden, werden wir ein noch unsozialeres Europa bekommen. Aber leider reicht die SPD auch an dieser Stelle die Hand.
Vielen Dank.