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Glaube, Hoffnung und Vertrauen

Rede von Jörn Wunderlich,

Der familienpolitische Sprecher der Fraktion DIE LINKE, Jörn Wunderlich,machte in der Haushaltsdebatte zum Einzelplan 17 ( Familie, Senioren, Frauen und Jugend) mit Nachdruck deutlich, dass die Regierung und Koalition nach wie vor nur halbherzige Antworten geben und sich zunehmend als Bund aus der Verantwortung gegenüber dem Gemeinwesen zurückziehen. Das ist und bleibt ein unhaltbarer Zustand und führt die Menschen in diesem Lande in die Armut. Wer soll da noch Vertrauen haben.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Anwesende! Glaube, Hoffnung und Vertrauen (Zurufe von Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Und Liebe!) - hören Sie erst einmal zu : Die Menschen im Lande, Kinder-, Jugend-, Familien- und Seniorenverbände hatten im Herbst 2005 die Hoffnung auf eine veränderte Politik, die aus der Spirale der Armut und der ungenügenden Bildung herausführt, Hoffnung auf eine Politik, die Wege aufzeigt, davon wegzukommen, die Aufgaben im Gemeinwesen ob Kinderbetreuung oder Bildung, Gesundheit oder Kultur stets auf den Kostenfaktor zu reduzieren. Mit Spannung warten viele Menschen in dieser Woche auf Impulse, die das Land in seiner Entwicklung spürbar voranbringen sollen. Aber wieder geben Sie als Regierung mit Ihrer Haushaltspolitik da haben wir als Beispiel den Einzelplan 17 keine eindeutigen Antworten. Die halbherzigen Aussagen des Finanzministers und der Kanzlerin sind ein Beleg dafür. Was Sie leugnen und nicht wahrhaben wollen: Sie zerstören mit Ihrer derzeitigen Politik die Sozialsysteme. Sie engen die Handlungsspielräume der Kommunen immer mehr ein und das ist besonders verwerflich Sie wollen sich als Bund aus der kommunalen Verantwortung zurückziehen. (Otto Fricke (FDP): Das ist auch richtig so!) Das ist und bleibt ein unhaltbarer Zustand und führt die Menschen in diesem Land in die Irre. Sie sagen, das sei richtig so. Wir wissen, wie Sie denken. Sie bauen an einem Haus, bei dem die Mängelliste für das Fundament schon jetzt endlos ist. Wenn ich ehrlich sein soll: Seit meiner ersten Rede in diesem Haus zweifle ich zunehmend an der Glaubwürdigkeit Ihrer Versprechungen. (Beifall bei der LINKEN) Ich bleibe dabei: Ich messe Sie an Ihren Taten. Wie in der gestrigen Debatte durch meine Fraktion deutlich gemacht wurde ich bekräftige das mit Nachdruck : Die Entwicklung der Geburtenrate in Deutschland ist die Antwort der Menschen auf Ihre Ehrlichkeit und Verlässlichkeit in der Familienpolitik. (Beifall bei der LINKEN) Wer trotz schöner Worte nach außen die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik heimlich ausdünnt und abbaut, muss sich am Ende nicht wundern, wie die Menschen darauf reagieren. Faszinierend an der Sache, aber aus unserer Sicht leider auch falsch und verlogen ist Ihre Sprachgewandtheit, mit der Sie die Menschen zu besänftigen versuchen. So viel zu Ihrer Ehrlichkeit, Frau Merkel leider ist sie heute nicht da und Co. Zum Einzelplan 17. Auf den ersten Blick könnte man positiv überrascht sein. Allerdings trauen wir diesem Frieden nicht, weil, wie von mir bereits erwähnt, klare Aussagen zur Finanzierung der im Koalitionsvertrag vorgesehenen Vorhaben fehlen. Die Wahrheit ist: Im Grunde geht quer durch den Einzelplan 17 der Rotstift. Frau von der Leyen, in den ersten 100 Tagen der Regierung habe ich Sie mehrfach erlebt, als Sie die Aufgaben Ihres Ministeriums präsentierten. Sie haben immer wieder Wert darauf gelegt und betont, den Kindern, die nicht auf der Sonnenseite, sondern auf der Schattenseite des Lebens geboren werden, eine besondere Hilfe zukommen lassen zu wollen. Leider vermisse ich bis heute Ihre Aussagen dazu, was Sie konkret bereit sind zu unternehmen, um die gesellschaftlichen Ursachen für die Probleme zu beseitigen, damit für alle Kinder wieder von Anbeginn die Sonne scheint und damit sich der Junge aus Dresden eben nicht mehr morgens sein Pausenbrot von der Ausgabestelle der Tafel holen muss. Konkret vermisse ich Ihren Gestaltungswillen im Sinne einer interfraktionellen und von Ihnen immer wieder betonten Querschnittsaufgabe Ihres Ministeriums zur Verhinderung von Armut bei Kindern, bei Jugendlichen, in den Familien und bei Senioren. Keiner, auch kein Rentner, darf sein Einkommen durch Sammeln von Leergut aus Mülltonnen aufbessern müssen. (Beifall bei der LINKEN) Geben Sie hier und heute Ihr Bekenntnis ab, alles zu tun, damit in den nächsten Jahren keine Kürzungen im Bereich des Gemeinwohls vorgenommen werden. Hier haben Sie die Chance dazu. Tragen Sie im Gegenteil doch einmal Sorge dafür, dass das Zukunftsprogramm „Jugend und Innovation“ in seinem Finanzansatz verdoppelt wird. Ein Haushalt, der Fragen der Zukunft aufwirft, muss in der Gegenwart die dafür notwendigen Bedingungen schaffen, und zwar rechtzeitig. (Beifall bei der LINKEN) Dann und nur dann kann Vertrauen entstehen. Trotz der erfreulichen Aufstockung des Kinder- und Jugendplans des Bundes frage ich mich, wie sich die Förderschwerpunkte zukünftig gestalten werden. Ein Beispiel: Die Bundesregierung baut die Freiwilligendienste aus und realisiert dies mit Umschichtungen im Kinder- und Jugendplan. Für 2006 ist das noch relativ unproblematisch, aber ab 2007 soll ein weiterer Ausbau erfolgen. Wie und wo soll dann noch umgeschichtet werden? Anders gefragt: Was steht schon jetzt auf der Streichliste? Wer gestern Frau Merkels Worte aufmerksam verfolgt hat, wird nicht überhört haben, dass sie mehrfach an Ehrlichkeit, Glaubwürdigkeit und Vertrauen appelliert hat. Da stellt sich natürlich die Frage: Wie wird denn der Koalitionsvertrag bezüglich der Weiterentwicklung des Kinder- und Jugendplans nach den Kriterien Wirksamkeit, Effizienz und Nachhaltigkeit umgesetzt? Zur Familienpolitik. Wenn für Sie in der Regierung Familienpolitik gleichzeitig auch Gleichstellungspolitik ist, ist das anerkennenswert. Wenn ich aber beim Lesen des Einzelplans 17 feststellen muss, dass Gleichstellung von Frauen und Männern Sie nur interessiert, wenn es sich um Gleichstellung von Müttern und Vätern handelt, stimmt mich das schon sehr nachdenklich. Bezüglich der Gleichstellungspolitik scheint Ihnen jegliche Fantasie zu fehlen. Aus meiner Sicht findet die Gleichstellungspolitik für Sie vordergründig in Studien, Berichten und der Produktion vielen Papiers statt - von globalen Kürzungen einmal ganz abgesehen. Woher Sie die Zahlen zum Zivildienst nehmen, weiß ich nicht. Wenn man sich die prognostizierten Zahlen der Wehrpflichtigen anschaut, dann stellt man fest, dass dieser Haushaltstitel mit etwa 70 Millionen Euro überfrachtet ist. Ist das die Art, Geld im Haushalt zu verstecken? So weit, Frau Merkel und Frau von der Leyen, zu Ihrer Aussage ich zitiere : Unsere Politik muss beweisen, ob wir es ernst meinen. Wer soll da noch Vertrauen haben? Um schlussendlich noch zum Glauben zu kommen: Schon Jakobus kannte offensichtlich die große Koalition. Ich darf aus dem Brief des Jakobus Kap. 2 Vers 17 zitieren: So ist auch der Glaube, wenn er nicht Werke hat, tot in sich selber. Die Hoffnung ist gestorben, Vertrauen kann nicht wachsen, der Glaube ist tot. Große Koalition, ich verneige mich vor dir. Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der LINKEN)