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Girokonto für alle

Rede von Oskar Lafontaine,

Wir leben in einer Gesellschaft, in der auch die staatlichen Zahlungen nicht in bar ausgezahlt, sondern per Überweisung geleistet werden.Immer mehr Hartz-IV-Empfänger sind nicht in der Lage, ihre Geschäfte und ihr Leben ordentlich zu regeln, weil ihnen der Zugang zu einem Konto verwehrt wird. Hinzu kommt noch, dass Zusatzkosten entstehen. Das heißt, gerade bei denjenigen, die wirklich in Not sind, fallen dann bei den simpelsten Bankgeschäften Zusatzkosten an. Das ist ein unhaltbarer Zustand - deshalb fordert DIE LINKE: Girokonto für alle. Oskar Lafontaine in der Debatte zur Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen:

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf, über den wir heute beraten, betrifft eine Minderheit der Gesellschaft. Es häufen sich in letzter Zeit Berichte in der Presse, dass immer mehr Menschen, die in Not geraten sind, von Banken abgewiesen werden, wenn sie ein Konto beantragen, bzw. von Banken mitgeteilt bekommen, nachdem sie Pfändungen erlitten haben, dass das Konto nicht weiter geführt werde. Wir sehen darin - ich nehme an, dass bezüglich dieses Punktes große Zustimmung hier im Hause herrscht - eine Demütigung. Diese Demütigung der Menschen, die davon betroffen sind, sollte auf dem Gesetzeswege abgestellt werden. (Beifall bei der LINKEN) Man sollte sich einmal kurz vorstellen, wie sich eine Rentnerin fühlt, der, nachdem sie, vielleicht aufgrund falscher Entscheidungen, die sie getroffen hat, eine Pfändung erlitten hat, das Konto gekündigt wird (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: So schnell geht das nicht!) und die, wenn sie dann versucht, bei einer anderen Bank ein Konto zu eröffnen, abgewiesen wird. Wir leben nun einmal in einer Gesellschaft, in der auch die staatlichen Zahlungen nicht in bar ausgezahlt, sondern per Überweisung geleistet werden. Es kommen auch immer mehr Hartz-IV-Empfänger in eine solche Situation. Sie sind dann nicht in der Lage, ihre Geschäfte und ihr Leben ordentlich zu regeln, weil ihnen der Zugang zu einem Konto verwehrt wird. Hinzu kommt noch, dass Zusatzkosten entstehen. Das heißt, gerade bei denjenigen, die wirklich in Not sind, fallen dann bei den simpelsten Bankgeschäften Zusatzkosten an. Wir glauben, dass das ein unhaltbarer Zustand ist. Seit zehn Jahren versuchen Sie, durch freiwillige Selbstverpflichtungen der Kreditwirtschaft die Angelegenheit im Interesse dieser Menschen zu regeln. Die letzten zehn Jahre haben gezeigt, dass diese freiwillige Selbstverpflichtung nicht zu einem guten Ergebnis geführt hat. Auch in Prozessen, die um diese Frage geführt wurden, wurde festgestellt, dass für die betroffenen Menschen kein Anspruch auf Eröffnung eines Kontos besteht. Deshalb glauben wir, dass es jetzt an der Zeit ist, die Kreditwirtschaft durch ein Gesetz zu verpflichten - das ist unser Vorschlag -, solchen Kontoeröffnungen zuzustimmen, auch dann, wenn die Antragsteller in Not sind. Ich gehe davon aus, dass die Mehrheit dieses Hauses diesem Anliegen zustimmt, weil es unwürdig ist, wenn Menschen, die auf die Bank geschickt werden, dort mit der Erfahrung konfrontiert werden, dass sie einfach abgewiesen werden. (Beifall bei der LINKEN)