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Gesine Lötzsch: Zwei-Klassen-Medizin wirkt lebensverkürzend

Rede von Gesine Lötzsch,

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gleich drei Bundesminister treten gemeinsam vor die Presse und kündigen eine „Konzertierte Aktion Pflege“ an.

(Tino Sorge [CDU/CSU]: Das ist doch etwas Gutes!)

Ich sage Ihnen: Es darf nicht bei Ankündigungen bleiben; denn die Lage in der Pflege ist prekär, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN – Ulli Nissen [SPD]: Deshalb machen wir da ja auch etwas!)

Für die Beschäftigten ist vieles unzumutbar geworden. Darum freue ich mich, dass in vielen Krankenhäusern in unserem Land inzwischen ein Kampfgeist eingezogen ist.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Roy Kühne [CDU/CSU]: Ein was?)

An der Berliner Charité haben Pflegekräfte mit Streiks feste Personalschlüssel durchgesetzt, und immer mehr Beschäftigte in Kliniken begehren gegen die schlechte Bezahlung und gegen die Verdichtung der Arbeit auf. Mancher Krankenhausbetreiber versuchte gar, sich vor Gericht gegen Streiks zu wehren, und verlor – und es ist gut so, dass diese Krankenhausbetreiber verloren haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Vor Beginn der Gesundheitsministerkonferenz in Düsseldorf haben 4 000 Pflegekräfte für mehr Personal in Krankenhäusern und Altenheimen demonstriert. Unter dem Motto „Mehr von uns ist besser für alle!“ forderten die Beschäftigten von Kliniken und Altenpflegeeinrichtungen gesetzliche Vorgaben zur Personalausstattung, Sofortprogramme zur Entlastung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und mehr Geld vor allem in der Altenpflege – richtige und wichtige Forderungen.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Minister Spahn, Sie haben diese Proteste nun als verständlich bezeichnet und Abhilfe versprochen. Verständnis ist das eine; aber es muss natürlich dringend gehandelt werden. Denn der Pflegenotstand ist kein unerwartetes Naturereignis, sondern er war eine absehbare Entwicklung. Jetzt, da sich viele Beschäftigte nicht mehr mit der Misere abfinden und protestieren, kündigen Sie Aktionen an. Ich hoffe, dass die Beschäftigten in der Pflege weiter Druck machen. Die Linke steht zu den Beschäftigten in der Pflege, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN – Ulli Nissen [SPD]: Wir auch!)

– Es ist ja gut, wenn auch Sie zu ihnen stehen; aber ich spreche für Die Linke.

(Rudolf Henke [CDU/CSU]: Sie reden, wir tun was! – Gegenruf der Abg. Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr regiert ja auch!)

Sie, Herr Spahn, haben augenscheinlich auch verstanden, dass es kaum mehr möglich ist, in Deutschland ein Krankenhaus oder eine Pflegeeinrichtung ohne Arbeitskräfte aus dem Ausland zu betreiben. Ich finde, es wäre eine Frage des Anstands, auch eine Öffentlichkeitskampagne zu machen, sich dafür zu bedanken und der Öffentlichkeit zu zeigen, dass es ohne diese Menschen gar nicht möglich wäre und dass unser Gesundheitssystem ohne diese Menschen schon längst kollabiert wäre. Ich glaube, das gehört auch zur Wahrheit.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir können uns jeden Bereich im Gesundheitssystem anschauen. Wer unser Gesundheitssystem dem freien Spiel des Marktes überlässt, handelt verantwortungslos gegenüber den Patientinnen und Patienten und den Beschäftigten.

(Beifall bei der LINKEN)

Schon im Jahre 2016 warnte der Deutsche Ethikrat: Das Primat der Ökonomie an Kliniken gefährdet das Patientenwohl. – Union und SPD wollen aber weiter einen Konkurrenzkampf unter den Krankenkassen, den Krankenhäusern und den niedergelassenen Ärzten. Das ist aus gesamtgesellschaftlicher Sicht aber verdammt teuer.

(Beifall des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])

Konkurrenz belebt vielleicht das Geschäft, aber diese Art von Konkurrenz gefährdet den Zustand unseres Gesundheitssystems.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie, Herr Spahn, haben erklärt, dass Leistungsverbesserungen auch zu höheren Kosten führen würden. Das muss aber nicht sein. Eine Bürgerversicherung für alle wäre kostengünstiger. Wir haben berechnet, dass eine Bürgerversicherung für alle dazu führen würde, dass sogar die Beiträge gesenkt werden könnten, und es gibt ja viele Menschen hier – auch in diesem Saal –, die das richtig finden. Packen wir es endlich an! Setzen wir endlich die Bürgerversicherung durch!

(Beifall bei der LINKEN – Tino Sorge [CDU/CSU]: Wenn Sie berechnen, werde ich immer skeptisch, Frau Kollegin!)

Herr Spahn, natürlich wollen Sie diese Debatte nicht. Sie sagten – ich darf Sie kurz zitieren –: „Krankheiten unterscheiden nicht zwischen gesetzlich und privat.“ Das ist richtig, die Krankheiten unterscheiden nicht zwischen gesetzlich und privat, aber Krankenkassen und Ärzte.

Der Gesundheitswissenschaftler Professor ­Rosenbrock hat nachgewiesen, dass arme Menschen in Deutschland 11 bis 15 Jahre eher sterben als Menschen mit einem hohen Einkommen. Eine Zweiklassenmedizin wirkt also lebensverkürzend, und ich finde, das muss endlich beendet werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Zum Schluss eine gute Botschaft: Die Wiedereinführung der paritätischen Finanzierung ab 1. Januar 2019 ist ein wirklicher Erfolg. Ich habe da eine völlig andere Auffassung als die FDP. Die Partei Die Linke und die Fraktion Die Linke haben sich seit Abschaffung der Parität, seit 2003, im Rahmen der Agenda 2010 dafür eingesetzt, dass das endlich wieder in Ordnung gebracht wird.

Wir bleiben dran; wir haben einen langen Atem, auch bei der Bürgerversicherung. Wir kämpfen so lange dafür, bis sie durchgesetzt ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)