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Gesine Lötzsch: Schwarze Null auf Kosten der Bildung

Rede von Gesine Lötzsch,

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aktuell sind 10 000 Lehrerstellen in unserem Land unbesetzt und weitere 30 000 nur notdürftig; so warnt der Deutsche Lehrerverband. Besonders kritisch ist die Situation an den Grundschulen, also dort, wo die Grundlagen für die Zukunft gelegt werden. Ich finde, das können wir uns nicht leisten.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Selbst Herr Kauder macht sich Sorgen über die Qualität des Unterrichts. Wegen des Lehrermangels befürchtet er einen Bildungsnotstand. Und die Schuldfrage ist dann schnell geklärt: Die Länder haben die Entwicklung verschlafen.

(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Das ist keine Schuld! Das steht im Grundgesetz!)

Das ist sicherlich nicht ganz falsch; denn Bildung ist Ländersache.

(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Aha!)

Lassen Sie uns auf die Ursachen der Misere schauen: schwarze Null als Fetisch und Schuldenbremse als Damoklesschwert über den Ländern. In den Ländern wurde Personal abgebaut und nur befristet eingestellt. Selbst im reichen Baden-Württemberg wurden von Ministerpräsident Winfried Kretschmann von 2012 bis 2014  1 763 Lehrerstellen gestrichen. Die Begründung: Beitrag zur Sanierung des Haushalts. Welch kurzsichtige Politik!

(Beifall bei der LINKEN)

Die schwarze Null ist immer noch ein Fetisch und führt dazu, dass die Bundesregierung weiter auf die Investitionsbremse tritt. Meine Damen und Herren, die Bundesregierung schiebt gerne anderen die Verantwortung zu: Mal sind es die Länder, mal ist es Europa, und dann ist es wieder Trump; aber sie selbst ist nie verantwortlich.

Beispiel Hochschulpolitik: Ja, die Länder sind für die Hochschulen zuständig. Inzwischen haben aber fast alle – die Ministerin hat es ja auch angesprochen – erkannt, dass das Kooperationsverbot zwischen dem Bund und den Ländern völlig absurd ist. Wir müssen es endlich entschlossen beseitigen und nicht weiter auf die lange Bank schieben.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wie ist jetzt die Situation? Die Hochschulen werden mit unendlich vielen Programmen überzogen. Das frisst Ressourcen und Energie auf, die dringend für Lehre und Forschung gebraucht werden. Unsere Forderung als Linke ist ganz einfach: Die Hochschulen brauchen eine solide Grundfinanzierung.

(Beifall bei der LINKEN)

Es muss endlich Schluss sein mit Flickschusterei und Programmwirrwarr. Der Bildungsforscher Wilfried Bos stellt fest – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten –:

"Das deutsche Schulsystem ist derzeit nicht in der Lage, die beiden wichtigsten Ziele der Bildung zu erfüllen: Exzellenz und gleiche Chancen auf Teilhabe."

Diese Einschätzung kann man eins zu eins auf das Hochschulwesen übertragen. Übrigens: Die Erhöhung der BAföG-Sätze 2016 ist wirkungslos verpufft. Rund 100 000 junge Menschen sollten ins BAföG zurückgeholt werden. Allerdings sinkt die Zahl der Geförderten seit 2013 kontinuierlich und ist aktuell auf dem niedrigsten Wert überhaupt seit Bestehen des BAföGs. Wir als Linke sagen: Die beste Lösung wäre, endlich ein elternunabhängiges BAföG einzuführen. Das würde die Chancen für viele junge Menschen erhöhen.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch Kollege Lauterbach ist auf die ungleichen Chancen eingegangen. Lediglich 12 Prozent der Kinder, deren Eltern keinen beruflichen Abschluss vorweisen können, beginnen ein Studium. Bei Akademikerkindern studieren dagegen 79 Prozent. Ich finde, das ist eine große Ungerechtigkeit und auch eine große Verschwendung von Potenzial. Das können wir uns nicht länger leisten. Das müssen wir ändern, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)