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Gesetzesänderung zur Strafbarkeit von Genitalverstümmelungen nicht schlüssig

Rede von Halina Wawzyniak,

Frau Präsidentin,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

Dieses Thema beschäftigt uns seit langem.  Am 1. Februar 2007 eine Stunde Beratung, am 26. Juni 2008 dreißig Minuten, am 14. Mai 2009 zu Protokoll, am 9. Februar 2012 zu Protokoll, am 21. Februar 2013 zu Protokoll, öffentliche Anhörung im Rechtsausschuss am 24. April.

 

Lassen Sie mich deshalb zunächst noch einmal darauf verweisen, dass der hier vorliegende Sachverhalt an sich bereits strafbar nach §§ 223, 224 StGB ist. Darauf weist der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen auch hin.  In der Anhörung wurde von mehreren Sachverständigen, die sich für einen neuen und eigenen Straftatbestand ausgesprochen haben,  mit systematischen Gründen argumentiert.

 

Die Koalitionsfraktionen schlagen nunmehr vor eine Neuregelung in § 226a StGB vorzunehmen. Das ist  aus meiner Sicht zunächst unproblematisch. Problematisch wird es aber, wenn eine Erhöhung des Strafrahmens auf 15 Jahre vorgenommen werden soll. Welchen Sinn und Zweck soll die Erhöhung des Strafrahmens eigentlich haben? Meinen Sie denn wirklich, dass Täter/innen sich von einer erhöhten Strafandrohung abschrecken lassen? Ich halte das für einen Aberglauben und es ist das Gegenteil von rationaler Kriminalpolitik. Mit einer solchen Strafrahmenerhöhung werden sie dem kriminellen Verhalten, welches der Genitalverstümmelung zugrunde liegt, nicht Einhalt gebieten.

 

Wenn die Koalitionsfraktionen schon einen Gesetzesentwurf nach einer Anhörung vorlegen, hätte ich mir gewünscht, dass sie Lösungsvorschläge für die im Rahmen der Anhörung aufgeworfenen Probleme zum Beispiel im Hinblick auf die Vollzugsdefizite bei der Verfolgung der weiblichen Genitalverstümmelung unterbreiten.  Der Sachverständige Carstensen hat darauf verwiesen, dass ihm derzeit keine aktuellen Ermittlungsverfahren diesbezüglich bekannt sind. Ohne einen Vorschlag zur Lösung des Vollzugsdefizites bleibt ihr Antrag eine rein symbolische Handlung.

 

Die Frage,  ob nicht - anstatt auf den Weg neuer Strafgesetze mit erhöhtem Strafrahmen zu vertrauen - mehr auf Prävention, Aufklärung, Beratung, Hilfe gesetzt werden sollte, was mehr Geld und mehr Kraft und mehr Zeit kostet, als eine Änderung des Strafrechts, müssen wir aus meiner Sicht weiter debattieren. Ich bin auch heute der Überzeugung, dass die Diskussion zu diesem Thema nicht nur auf strafrechtliche Aspekte reduziert werden darf. Und ich befürchte,  wenn wir einmal beschlossen haben, das Strafgesetzbuch zu ändern und die Strafen für den Tatbestand der Verstümmelung weiblicher Genitalien zu verschärfen, bzw. einen eigenen Straftatbestand zu schaffen, ist das Thema für lange Zeit vom Tisch. Die Politik hat dann ja etwas getan, sie hat das Problem vorrangig auf strafrechtliche Aspekte reduziert und dafür eine Lösung gefunden. Damit wird es schwerer sein, das Thema auf der Tagesordnung zu behalten, um das Hauptaugenmerk politischen Handelns darauf legen zu können, alle Mittel und Möglichkeiten zu nutzen, um die Straftat Genitalverstümmelung zu verhindern.

 

90 Prozent aller von Genitalverstümmelung betroffenen Frauen leben nicht in Deutschland. Denen wird eine Verschärfung des Strafgesetzes hierzulande nichts nützen. Was ihnen nützte, wäre mehr Aufklärung, mehr Beratung, mehr Entwicklungshilfe. Das verbale Bekenntnis, dass der Schwerpunkt bei der Bekämpfung der Genitalverstümmelung im präventiven und sozialen Bereich liegen müsse steht im Widerspruch zu den vorliegenden Lösungsansätzen, die  vor allem in strafrechtlicher Hinsicht einen Beitrag zu Bekämpfung dieser schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung an Mädchen und jungen Frauen leisten wollen.  

 

Meine Zweifel daran, dass die Androhung schärferer Strafen zur Folge haben wird, dass weniger Frauen Opfer dieser schweren Körperverletzung werden, sind nicht kleiner geworden.

 

Für mich kann auch mit dem vorliegenden Vorschlag nicht schlüssig und abschließend beantwortet werden, ob das eine Änderung des Strafgesetzes wirklich notwendig, im Sinne von hilfreich ist. Hingegen kann sehr klar beantwortet werden, dass wir Prävention, Aufklärung und Entwicklungshilfe verstärken sollten. Ich finde, dass dem dann auch Priorität eingeräumt werden muss, anstatt das Thema auf strafrechtliche Aspekte zu reduzieren.