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Geschäftsreisen bieten Potential für ökologische Verbesserungen

Rede von Ilja Seifert,

Rede des MdB Dr. Ilja Seifert im Bundestag am 11.10.2007 zum Antrag der CDU/CSU und der SPD: „Messen und Geschäftsreisen als Chance für den Tourismusstandort Deutschland“ (Drucksache 16/5958)

Sehr geehrte Damen und Herren,
es ist unstrittig: Messen und Geschäftsreisen sichern zahlreiche Arbeitsplätze in der Tourismuswirtschaft, vor allem in höherpreisigen Hotels außerhalb von Ferien und Wochenenden, in den First- und Businessklassen der Flugzeuggesellschaften und der 1. Klasse bei der Bahn. Wenn die Welt nur aus Tourismus bestehen würde, hätte der Antrag meiner Kolleginnen und Kollegen aus dem Tourismusausschuss von CDU/CSU und SPD seine Berechtigung.
Ich meine aber, auch wir Tourismuspolitiker müssen über den Tellerrand blicken und deswegen sollte für Geschäftsreisen das Motto gelten: Soviel wie nötig und so effektiv, kostengünstig und ökologisch wie möglich.
Davon ist im Antrag der Koalition nichts zu finden, hier geht es trotz der schon ohne Zutun der Bundesregierung wachsenden Branche um noch mehr Geschäftsreisen ohne Rücksicht auf die Auswirkungen auf Klima und Umwelt.
Unter der Überschrift „Schmutzbilanz mit Folgen“ zeigt die WirtschaftsWoche in einem Artikel vom 24. September 2007 auf, dass die Wirtschaft in ihrem Denken schon ein ganzes Stück weiter ist, als die Verfasserinnen und Verfasser dieses Antrages: Rund ein Drittel der 500 VDR-Mitglieder (VDR-Verband Deutsches Reisemanagement) beschäftigt sich nach einer Umfrage des Verbandes mit Klimaschutzproblemen, ein Viertel diskutiert darüber, in die CO²-Kompensation von Dienstreisen einzusteigen.
Die internationale Travel-Management-Vereinigung ACTE hält im Schnitt 40 Prozent aller Dienstreisen für verzichtbar, wenn statt dessen konsequent Video-, Web- und Telefonkonferenzen genutzt würden. Um nicht missverstanden zu werden: Auch die LINKE weiß, dass das sich Versammeln an einem Ort - und sei aus geschäftlichen oder dienstlichen Gründen - mehr ist, als das Austauschen von Informationen. Und wenn Dienst- und Geschäftsreisen noch stärker in mittelständischen Landhotels - möglichst außerhalb der Saison - stattfinden, wissen auch wir die positiven Effekte für die Wirte und die Beschäftigen zu würdigen.
Zunehmend mehr Unternehmen nutzen die Bahn statt Inlandsflüge, schaffen sich schadstoffarme Autos an bzw. mieten solche für Dienstreisen, leisten für Flüge Kompensationszahlungen an Atmosfair und andere Organisationen, weisen für ihre Geschäftsreisenden persönliche CO²-Bilanzen aus und schaffen Synergien durch Fahrgemeinschaften. Damit wird nicht nur ein Beitrag für die Umwelt geleistet. Die Unternehmen senken Kosten und fördern die Gesundheit Ihrer Beschäftigten durch Reduktion von nicht gerade stressarmen Reisen.
Von all dem ist im Koalitionsantrag nicht die Rede. Statt dessen soll die Bundesregierung in einem Sammelsurium von Einzelpunkten und Prüfaufträgen aufgefordert werden, Messen- und Geschäftsreisen weiter voranzubringen.
Begrüßenswert ist, dass die Koalition bei diesem Antrag auch an die Barrierefreiheit denkt. Aber wie und warum nur im Zusammenhang mit Geschäftsreisen? Laut Koalition soll die Bundesregierung bei allen baulichen Einrichtungen des Bundes auf Barrierefreiheit achten. Das ist schön, aber bereits gesetzlich im Bundesgleichstellungsgesetz und Baugesetzbuch geregelt. Anstatt zu fordern, dass die Bundesregierung auch die Länder und Kommunen darauf hinweist sollte der Bundestag die Pflicht auf Barrierefreiheit für alle Neubauten verbindlich im Baugesetzbuch verankern.
Gleiches gilt auch hinsichtlich der Barrierefreiheit bei der Bahn und anderen Bereichen des Personentransports. Schon jetzt erklärt die Bundesregierung sich bei diesbezüglichen Forderungen regelmäßig für nicht zuständig, obwohl der Bund ja noch Eigentümer der Bahn ist und nicht wenig Geld für den ÖPNV zur Verfügung stellt. Statt Privatisierungen voranzutreiben sollte die Bundesregierung hier Ihren Pflichten als Eigentümer gerecht werden - zum Wohle von Geschäfts- und Privatreisenden und allen anderen Bürgerinnen und Bürgern.
Auch die Frage der Förderung von Sprachkompetenz von den in der Tourismuswirtschaft tätigen Menschen oder die Frage der Bearbeitung von Visa-Anträgen ist keine spezifische Frage des Geschäftsreisetourismus.
Sehr geehrte Damen und Herren,
völlig ausgeblendet ist im Koalitionsantrag die Frage der Dienstreisen von uns selbst, der Bundesregierung und den in Bundesbehörden Beschäftigten. Wie viele unnötige Dienst- und Heimreisen gibt es allein durch die doppelten Dienstsitze aller Bundesministerien in Berlin und Bonn? Der überfällige Umzug aller Bundesministerien nach Berlin würde das Steuersäckel und die Umwelt erheblich entlasten. Auch das darüber hinausgehende Dienstreisemanagement der Bundesbehörden muss kritisch hinterfragt werden und vielleicht sollten wir Abgeordnete künftig nicht nur unsere Nebeneinkünfte sondern auch unsere persönliche CO²-Bilanz offen legen?