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Geschäftsordnungsdebatte zur Änderung des Urheberrechts

Rede von Dagmar Enkelmann,

Geschäftsordnung, Urheberrecht, Leistungsschutzrecht

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Ja, Herr Kollege van Essen, es geht um nicht mehr und nicht weniger als um die Rechte von Minderheiten in diesem Parlament. Darüber reden wir hier auch in dieser Debatte. Diese Rechte haben Sie, meine Damen und Herren der Koalition, mit Füßen getreten.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP)
Denn Sie haben kraft Ihrer Wassersuppe, quasi kraft Ihrer Mehrheit im Rechtsausschuss, entschieden: Es gibt keine zweite Anhörung, basta – howgh, wir haben gesprochen.
(Manuel Höferlin [FDP]: Es gibt auch keine dritte Anhörung! – Zuruf von der CDU/CSU: Wir haben bestimmte Regeln!)
Dabei ist schon klar: Es gab eine Anhörung. Es gab nach dieser Anhörung einen Änderungsantrag. Was strittig ist, ist die Frage: Geht es tatsächlich um gravierende Änderungen im Gesetz?
(Beifall bei der LINKEN)(Zustimmung der Abg. Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Viele Sachverständige, die Opposition, viele in der Öffentlichkeit sagen: Ja, das sind gravierende Änderungen im Gesetz.
(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)
Sie als Koalition behaupten: Wir sehen keine gravierenden Änderungen.
Genau darum wäre es aber in einer zweiten Anhörung gegangen. Dort hätte man die Auswirkungen dieser Veränderungen genau geprüft hinsichtlich ihrer Verfassungsmäßigkeit, möglicherweise aber auch hinsichtlich ihrer Praktikabilität. Das wäre Gegenstand einer zweiten Anhörung gewesen. Dieser ernsthaften Prüfung haben Sie sich verweigert. Das nehmen wir nicht hin.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es entstand sowieso schon vorher der Eindruck, dass Sie dieses umstrittene Gesetz möglichst schnell von der Tagesordnung haben wollen. Ursprünglich war geplant, von der Opposition Fristverzicht zu erbitten.
(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)
Dem haben wir nicht zugestimmt. Deswegen steht das heute auf der Tagesordnung.
Ich denke, Sie sind sich selbst nicht sicher, ob dieses Gesetz für die Zukunft überhaupt Bestand haben wird.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Das können wir in der Sache besprechen!)
Nun behaupten Sie also, das alles sei in der Anhörung bereits besprochen worden; Weiteres sei nicht notwendig. Eigentlich ist mit dem Änderungsantrag aber genau das Gegenteil erreicht worden. Es bleibt Rechtsunsicherheit. Sollen denn künftig wirklich Gerichte darüber entscheiden, wie viele Zeichen – ich zitiere einmal – „einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte“ sind, wann also Snippets tatsächlich lizenzfrei sind? Das ist doch absurd. Ich bitte Sie!
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Im Gesetz bleibt die Blockade von Innovationen. Neue Informationsdienstleister werden kaum eine Chance haben, in Verhandlungen um Lizenzverträge gegen große Medienkonzerne zu bestehen. Innovation wird also künftig so nicht mehr stattfinden, wird von Ihnen verhindert. Es bleibt eine klare Benachteiligung von Journalistinnen und Journalisten.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Zur Geschäftsordnung!)
– Ich weiß, dass Ihnen das nicht passt. Das kann ich mir vorstellen.
(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Sie missbrauchen gerade Ihr Minderheitenrecht! Sie reden nicht zur Geschäftsordnung, sondern zur Sache!)
Das heißt, künftig werden Verlage das Recht am Produkt haben, das eigentlich den Produzenten, also den Journalistinnen und Journalisten, zusteht.
Lieber Kollege Lindner, all das hätten wir in einer zweiten Anhörung mit Sachverständigen klären können.
(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Fünf hätten nicht für Sie gereicht!)
So gehen Sie mit Sachverständigen um! Das ist typisch. Das betrifft nicht nur dieses Gesetz.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Lieber Kollege Grosse-Brömer, es geht hier nicht um Filibustern,
(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Doch!)
sondern es geht um eine seriöse Gesetzgebungsarbeit. Dieser seriösen Arbeit haben Sie sich verweigert.
(Beifall bei der LINKEN)
Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist die Arroganz der Macht. Eines verspreche ich Ihnen aber: Das wird Sie sehr schnell wieder einholen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)