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Gegen die Kopfpauschale - für eine solidarische Krankenversicherung

Rede von Harald Weinberg,

Zwei Anträge der LINKEN und eine spannende Debatte

Harald Weinberg (DIE LINKE):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! In seiner Rede zum Koalitionsvertrag hat Minister Rösler eine grundlegende Reform des Gesundheitssystems, ja geradezu einen Systemwechsel angekündigt und dabei angemerkt, dass dies nicht einfach zu machen sei. An die Oppositiongewandt, meinte er dann, wenn dies einfach zu machen sei, dann könne es ja auch die Opposition machen.

(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Recht hat er! -
Jens Spahn [CDU/CSU]: Richtig!)

Tosender Beifall bei den Koalitionsfraktionen - ein Star der Regierung war geboren, scheint es.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Habt ihr das auch schon gemerkt?)

Dabei ist das, was Minister Rösler angekündigt hat, nicht sonderlich originell.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist sogar in seiner Einfalt kaum zu überbieten. Sein Glaubensbekenntnis lautet: Alles wird anders - alles wird Markt.

(Zurufe von der CDU/CSU: Oh! - Hellmut Königshaus [FDP]: Wann hat er das gesagt?)

Das ist das Denken der Deregulierer und Marktradikalen. Diese Ideologie der Marktvergötterung hat sich in den 80er- und 90er-Jahren wie eine Pandemie ausgebreitet und übrigens auch die heutigen Oppositionsfraktionen SPD und Grüne erfasst. Das ist das Denken, das in die Finanzmarktkrise und dann in die Weltwirtschaftskrise geführt hat. Es ist ein altes Denken, von dem man meinen sollte, dass es durch die Krise ad absurdum geführt worden sei.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Sagen Sie doch mal etwas zu Ihrem Antrag!)

- Das kommt noch.
Aber dieses alte Denken wird uns jetzt wieder angedient als eine nicht ganz einfache Lösung für die Probleme unseres Gesundheitssystems. Ich meine, das ist falsch. Das ist bestenfalls Klientelpolitik.

(Beifall bei der LINKEN)

Stichworte des Koalitionsvertrages sind Vermarktlichung, Privatisierung und die Kopfpauschale. Unabhängig vom Einkommen soll jede und jeder einen gleich hohen Beitrag in die gesetzliche Krankenversicherung einzahlen, die berühmte Lidl-Verkäuferin genauso viel wie ein leitender Angestellter, wobei sich Letzterer, wenn er gut verdient, auch noch schneller als bisher in eine private Krankenversicherung verabschieden können soll.

Die soziale Ungerechtigkeit, die dabei zweifelsohne entsteht, soll laut Minister über einen automatischen Steuerausgleich vermindert werden. Wie dies ohne eine zusätzliche Megabürokratie funktionieren soll, bleibt bislang das Geheimnis des Ministers. Dieses Modell einer Kopfprämie lehnen wir ab, und ich glaube, ich kann hier auch für die SPD und die Grünen sprechen.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD - Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Oh!)

Aber auch in den Reihen der Koalition regt sich Widerstand dagegen. Finanzminister Schäuble war der erste, der Wasser in den Wein der hochfliegenden Reformpläne des Jungministers goss. Er stellte mit Blick auf den Haushalt fest, dass der Sozialausgleich nicht zu bezahlen sei.

Die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft reihte sich mit ihrer Kritik ein: Sie will, dass Krankenkassenbeiträge auch in Zukunft entsprechend dem Einkommen erhoben werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Damit wendet sie sich gegen die unsozialen Pläne des Koalitionsvertrages. Darüber hinaus will sie auch den Grundsatz, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber sich den Beitrag halbe-halbe teilen, wiederherstellen.

(Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Standardrepertoire!)

Ich finde, daran sollte sich die CDU/CSU orientieren statt an den Kopfgeldjägern der FDP.

(Beifall bei der LINKEN)

Horst Seehofer, Parteivorsitzender der CSU, wirft sich mannhaft in die Bresche, um die Kopfprämie aufzuhalten, obwohl unter dem Koalitionsvertrag auch seine Unterschrift steht. Er hat die Kopfpauschale in Interviews nicht nur für tot, sondern sogar für beerdigt erklärt; denn er weiß genau, dass die Realisierung dieses Modell die CSU in Bayern weitere Sympathien und Wählerstimmen kosten würde.

(Hellmut Königshaus [FDP]: Das ist wohl Ihre Hauptsorge!)

- Das ist wohl die Hauptsorge der CSU, denke ich. - Nun werden wir in der Debatte sehen, ob es sich beim Arbeitnehmerflügelchen der Union und bei dem Vorsitzenden der Christlich-Sozialen nur um Maulheldentum handelt oder ob sie wirklich zu ihren Aussagen gegen die Kopfprämie stehen.

(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Wir stehen zum Koalitionsvertrag!)

Solidarität als Leitprinzip bedeutet, dass die Starken für die Schwachen einstehen. Damit dieses Leitprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung nicht aufgegeben wird, stellen wir hier unseren Antrag gegen die Einführung einer Kopfpauschale zur Abstimmung. Es gibt eine Mehrheit gegen die Kopfpauschale im Bundestag. Ich hoffe, SPD und Grüne stimmen dem ohnehin zu. Wenn die Aussagen von Herrn Seehofer in seiner Partei etwas gelten, dann müssten eigentlich auch die CSU-Abgeordneten zustimmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Damit wäre die Kopfpauschale mit Votum des Deutschen Bundestages endlich beerdigt.

(Hellmut Königshaus [FDP]: Haben Sie noch in Erinnerung, worüber Sie reden?)

- Das habe ich durchaus noch.
Herr Präsident, bekomme ich Redezeit dafür gutgeschrieben, dass ich dauernd unterbrochen werde?

(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Nein, das bekommen Sie nicht. Sie bekommen etwas mehr Redezeit, weil das Ihre erste Rede ist.

Harald Weinberg (DIE LINKE):
Wenn von der rechten Seite dauernd dazwischengequakt wird, muss ich doch fragen, ob mir dafür etwas Redezeit gutgeschrieben wird. Ich komme zum Ende.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

In unserem Wahlprogramm fordern wir eine solidarische Bürgerinnen- und Bürgerversicherung. Der vorliegende Antrag der Grünen geht in diese Richtung. Es gibt aber auch einige wesentliche Unterschiede zu unseren Vorstellungen. Wir werden im Laufe der Legislaturperiode einen eigenen Antrag dazu einbringen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Gesundheit ist keine Ware. „Alles wird Markt“ ist das falsche Rezept für unser Gesundheitssystem. Das ist keine Lösung, sondern schafft nur weitere Probleme.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)