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Gegen die Demontage des Atomwaffensperrvertrags

Rede von Norman Paech,

Das im März unterzeichneten amerikanisch-indischen Atomabkommen stellt eine ernste Bedrohung für den Atomwaffensperrvertrag dar. Indien soll damit, trotz seiner Atomrüstung, besser gestellt werden als Länder, die auf die Entwicklung von Atomwaffen verzichtet haben. Um den Atomdeal umsetzen zu können, muss jedoch die Nuclear Suppliers Group, in der Deutschland Mitglied ist, die atomaren Exportrichtlinien im Konsens ändern. Mit einem Antrag der Fraktion DIE LINKE wird deshalb die Bundesregierung aufgefordert, solch eine Privilegierung Indiens durch ihr Nein in der Nuclear Suppliers Group zu verhindern („Keine Unterstützung für die indische Atomrüstung“, Drucksache 16/1445). In der Plenardebatte sprach dazu der außenpolitische Sprecher der Linksfraktion Norman Paech:

Dr. Norman Paech (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben zu diesem Thema einen Antrag vorgelegt. In diesem Haus herrscht in einem Punkt Übereinstimmung, nämlich dass es auf gar keinen Fall eine Weiterverbreitung von Atomwaffen geben soll. Einige Staaten sind bereit, zu diesem Zweck politische Sanktionen, ökonomische Sanktionen, die politische Isolierung des Irans, sogar militärische Maßnahmen - sie sind noch nicht vom Tisch - einzusetzen. Bislang hat das alles nichts gefruchtet. Man sollte sich einmal überlegen, ob das nicht vielleicht daran liegt, dass man gegenüber jenen Atommächten, die sich dem Atomwaffensperrvertrag nicht angeschlossen haben, nämlich Pakistan, Indien und Israel, inkonsequent ist. Brasilien hat jüngst angekündigt, die Urananreicherung aufzunehmen. Auch dazu habe ich nirgends irgendeine kritische Anmerkung oder gar eine Sanktionsandrohung vernommen. Das ist eine offensichtlich inkonsequente Politik. Jetzt droht ein weiterer Schritt der Selbstdemontage. Inwieweit sind wir eigentlich noch glaubwürdig, wenn der Lieferungsstopp für Nuklearmaterial und Nukleartechnologie zugunsten Indiens außer Kraft gesetzt wird? Die USA haben die Formel des Lieferstopps seinerzeit selbst in die Regeln der Nuclear Suppliers Group eingesetzt. Jetzt wollen sie sie zugunsten Indiens zurücknehmen. Deutschland ist Mitglied dieser Gruppe, die darüber entscheidet. Deutschland hat hier eine überaus entscheidende Position und kann diese zugunsten der Nichtweiterverbreitung durchsetzen. Vor allen Dingen: Wenn es eine Ausnahme für Indien geben sollte, dann wage ich nicht vorauszusagen, was geschieht, wenn Pakistan und Israel demnächst ebenfalls einen Antrag stellen und an diese Länder dann ebenfalls Nukleartechnologie und -material geliefert werden soll. Ich möchte nicht den Eiertanz erleben, wenn auch Israel das, eventuell angesichts der Bedrohung durch den Iran, einfordert. Wie soll dann entschieden werden? Das ist eine gefährliche Sache. Kommt diese Ausnahme, dann können wir den Atomwaffensperrvertrag auf den Müllhaufen der Geschichte werfen. Wo bleiben eigentlich - auch daran ist zu erinnern - die Initiativen der Regierung zur Abrüstung der Atommächte? Bisher haben Sie nichts anderes getan als aufzurüsten, umzurüsten und immer neue Generationen von Atomwaffen hervorzubringen. Damit verletzen Sie permanent den Atomwaffensperrvertrag. Wenn jetzt auch noch die strikten Regeln für die Lieferbeschränkung außer Kraft gesetzt werden, dann ist unsere Glaubwürdigkeit in dieser Sache vollkommen dahin. (Beifall bei der LINKEN) Dann könnte man den Staaten, die keine Atomwaffen haben, nur noch raten: Macht es genau so wie die Atommächte, trickst, täuscht oder verlasst den Atomwaffensperrvertrag, damit ihr endlich auf den gleichen Status wie Indien, Pakistan oder Israel kommt, damit ihr gleichberechtigt seid. Was das für die neue Weltordnung bedeuten würde, müsste Ihnen eigentlich klar sein: Dann wäre die Bremse eines Vertragswerks unwiederbringlich dahin. Daher gibt es, gleich ob Indien strategischer Partner ist oder nicht, nur eine Botschaft: Die Bundesregierung darf sich an diesem gefährlichen Spiel nicht beteiligen. Auch wenn das nur eine kleine Entscheidung zu sein scheint, sie hat immense Auswirkungen. (Beifall bei der LINKEN) Selbst wenn die USA die Entscheidung über eine Anpassung der Exportrichtlinien im Juni noch gar nicht auf die Tagesordnung der Nuclear Suppliers Group setzen wollen, muss die Regierung schon jetzt ihre Ablehnung in Washington sehr deutlich machen. Denn ist das Vertragswerk erst einmal im Kongress durchgesetzt worden, dann wird es umso schwieriger, die Umsetzung zu verhindern. Deswegen haben wir unseren Antrag eingebracht. Wir appellieren an Sie, diesem Antrag zuzustimmen und klar zu sagen: Nein, keine Ausnahme von diesen Regeln! Danke sehr. (Beifall bei der LINKEN)