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GAK-Reform: Bundesregierung vergibt die Chance einer Stärkung ländlicher Räume

Rede von Heidrun Bluhm-Förster,

173. Sitzung des Deutschen Bundestages: Rede zu Protokoll von Heidrun Bluhm, Sprecherin für den ländlichen Raum der Fraktion DIE LINKE im Bundestg zur Ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur "Änderung des GAK Gesetzes" am Donnerstag, den 2. Juni 2016. 

Herr Präsident,

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

Herr Minister,

„Ländliche Regionen prägen mit ihren Siedlungen und Kulturlandschaften das Bild unserer Heimat. Hier ist der überwiegende Anteil unserer dezentralen mittelständischen Wirtschaft angesiedelt. Das ist eine besondere Stärke Deutschlands.“

Dieses Zitat, meine Damen und Herren, stammt nicht aus meinem Poesiealbum,

sondern es ist die Einleitung zur Selbstdarstellung der Bundesinitiative Ländliche Entwicklung auf der Webseite des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft.

Angesichts dieser verbalen Wertschätzung ländlicher Regionen könnte man zu der Erwartung verleitet werden, die Bundesregierung meinte es ernst mit ihrer Ankündigung im Koalitionsvertrag:

„Die Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz wird zu einer Gemeinschaftsaufgabe ländliche Entwicklung weiterentwickelt.“

Könnte man,

wenn uns diese Bundesregierung nicht schon so oft eines Besseren belehrt hätte und wenn nicht auch dieser Gesetzesentwurf ein weiterer Beleg dafür wäre, dass bei dieser Bundesregierung Ankündigung und realer Gestaltungswille meilenweit auseinander klaffen.

90 % der Fläche in Deutschland sind Ländlicher Raum. Mehr als die Hälfte aller Einwohner Deutschlands leben hier.

In Nordrhein Westfalen sind es ca. 43 Prozent,

in Thüringen rund 82 Prozent.

Allein diese wenigen Fakten machen deutlich wie groß und wie differenziert die Aufgabe

„Ländliche Entwicklung“ im richtigen Leben ist.

Da muss die Frage erlaubt sein:

„Glauben Sie, meine Damen und Herren der Koalitionsparteien allen Ernstes, dieser hier vorgelegte Gesetzentwurf wird dieser Aufgabe gerecht?“

Ich jedenfalls glaube das nie und nimmer!

Die Menschen, die im ländlichen Raum leben, arbeiten und wohnen, dürfen nicht abgehängt werden und sie dürfen sich auch nicht so fühlen.

An dem Anspruch gleichwertiger Lebensverhältnisse müssen wir festhalten.

Dazu könnte eine weiterentwickelte GAG einen entscheidenden Beitrag leisten, wenn sie tatsächlich die integrierte ländliche Entwicklung als eine Hauptaufgabe definiert hätte.

Hinter diesem Anspruch aber bleibt der vorliegende Entwurf weit zurück.

Damit setzen Sie Ihren eigenen Koalitionsvertrag nicht um.

Die Schaffung einer Gemeinschaftsaufgabe ländliche Entwicklung, wie es dort angekündigt wird, bleiben Sie schuldig.

Lange wurden der große Wurf und eine Änderung des Grundgesetzes angekündigt. Und diese Änderung wäre nötig. Nun begnügen Sie sich damit, ein paar Schönheitskorrekturen am GAK-Gesetz vorzunehmen. Doch diese werden den Bedarfen und Herausforderungen der ländlichen Räume vor allem in strukturschwachen Regionen keineswegs gerecht.

Wenn dazu eine Änderung des Grundgesetzes nötig ist  - bitte -

an uns sollte das nicht scheitern.

Die integrierte ländliche Entwicklung hätte in der Verfassung als Gemeinschaftsaufgabe definiert werden müssen, wie im Koalitionsvertrag angekündigt.

Stattdessen baut der Gesetzentwurf Hilfskrücken, um Maßnahmen der ländlichen Entwicklung zukünftig stärker über die GAK fördern zu können und diese irgendwie als Teil der Agrarförderung zu definieren.

Aber bedeutet die ländliche Entwicklung nicht viel mehr? Ländliche Räume nur als weicher Standortfaktor für die Agrarindustrie?

Der Entwurf zur Gesetzesänderung geht ja in die richtige Richtung.

Leider bleibt er an den wesentlichen Punkten bisher unklar.

Was ist förderfähig und in welchen Gebietskulissen?

Diese sehr entscheidenden Fragen beantworten Sie nicht oder widersprüchlich.

Sie, Herr Minister, können doch nicht allen Ernstes von Ihren Kollegen aus den Regierungsfraktionen verlangen - von uns schon gar nicht -  

dass wir ein Gesetz auf den Weg bringen, dessen konkrete Auswirkungen weder Sie noch wir überhaupt kennen!

DIE LINKE sagt: Die ländlichen Räume sind mehr Wert.

Eine ernsthafte Reform der GAK, wie sie etwa der Deutsche Städte- und Gemeindebund und der Deutsche Landkreistag fordern, ist überfällig.

Es ist zu begrüßen, dass Sie den § 1 um die Maßnahmen zur Förderung der Infrastruktur in ländlichen Gebieten erweitern.

Doch was bedeutet das?

Offenbar gibt es darüber selbst innerhalb des Ministeriums gegensätzliche Auffassungen.

In der Regierungsbefragung redet der Minister noch von der zukünftigen Abdeckung des kompletten ELER-Bereiches.

Auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/die Grünen antwortet das Ministerium aber unlängst:

 „Maßnahmen, die gar keine Rückbindung auf den Agrarbegriff erkennen lassen, sind auch mit der neuen GAK nicht förderfähig.“

Unabhängig von der Widersprüchlichkeit in diesen Aussagen, zeigt sich,

dass es der entscheidende Fehler ist,

die integrierte ländliche Entwicklung als Begrifflichkeit nicht weitergehend bei der Gesetzesnovelle zu berücksichtigen, um einen weiteren Förderspielraum zu ermöglichen.

Stattdessen bleiben die Adressaten dieser Förderung im Ungewissen.

Sind alle Infrastrukturmaßnahmen in den ländlichen Gemeinden förderfähig?

Welche Betriebe können eine Förderung erhalten?

Diese Fragen sind nach wie vor nicht wirklich geklärt oder werden mit einer schwammigen Gesetzesbegründung und Auslegung beantwortet, wie das Zitat belegt.

Eine verlässliche Aussage für Kommunen und Betriebe – vor allem vor dem Hintergrund der anstehenden GAP-Reform -, eine klare und verlässliche Orientierung, was förderfähig sein wird und was nicht, bleibt der Änderungsentwurf schuldig.

Und das belegt einmal mehr, dass eine wirkliche Strategie fehlt, die die Entwicklung der ländlichen Räume in ihrer Gesamtheit erfasst.

Es bedarf klarer Grenzen zu anderen Förderprogrammen. Wo endet das GAK-Förderspektrum?

Wo beginnt beispielsweise die GRW?

Ergänzungsfähigkeit zwischen den einzelnen Programmen muss hergestellt werden.

Und auch wenn wir als LINKE fordern, dass die integrierte ländliche Entwicklung eine Aufwertung durch diese Gesetzesänderung erfahren soll:

Eine Gemeinschaftsaufgabe ländliche Entwicklung oder eine um diesen Aspekt mehr oder weniger konsequent erweiterte GAK darf nicht der alleinige Träger der Entwicklung ländlicher Räume sein.

Andere Ressorts dürfen sich nicht auf einer derartigen Qualifizierung der Gemeinschaftsaufgabe ausruhen und aus der Verantwortung ziehen.

Auch Mittel der GRW, der Städtebauförderung, Regionalisierungsmittel, Mittel für den Breitbandausbau und weitere Initiativen des Bundes sind im ländlichen Raum dringend erforderlich.

Außerdem dürfen bestehende Bereiche innerhalb der GAK nicht benachteiligt werden. Deshalb fordern wir eine Mittelaufstockung um mindestens 200 Mio. Euro jährlich, so wie viele Verbände und im Übrigen ebenso die Bundesländer.

Der Versuch, den Ländern und Kommunen die Fähigkeit der Kofinanzierung abzusprechen, lassen wir deshalb nicht gelten.

Denn natürlich ist die Bundesregierung dafür zu kritisieren, dass den Ländern und Kommunen durch Ihre Finanzpolitik an vielen Stellen der Geldhahn zugedreht und ihnen damit der Spielraum für dringend notwendige Zukunftsinvestitionen genommen wird.

Dass der Prozentsatz für Rückzahlung und Verzinsung gegenüber den Ländern vor diesem Hintergrund auch noch von drei auf fünf Prozent angehoben wird, scheint mindestens fragwürdig.

Besonders im Hinblick auf die aktuelle Niedrigzinsphase.

Auch die zusätzliche Einengung auf den ELER und das Verstecken hinter der gemeinsamen Agrarpolitik der EU, kritisieren wir.

Wo ist hier ein eigener Gestaltungsanspruch? Warum dieses künstliche Korsett?

Überhaupt erscheint es wenig nachvollziehbar, dass das Bundesministerium seinen eigenen Gestaltungswillen ohne Not von EU-Richtlinien und -Gesetzen abhängig macht und seine eigene Ohnmacht darüber definiert.

Denn hier ist nationale Gestaltung gar nicht an sie gebunden.

Mit dem Verweis auf EU- Bestimmungen soll hier augenscheinlich die eigene Gestaltungsunfähigkeit oder Unwilligkeit kaschiert werden.

Die Einführung einer Gebietskulisse lehnen wir nicht grundsätzlich ab.

Sie muss jedoch zu einem fairen und bedarfsgerechten Verteilungsschlüssel führen, bei dem tatsächlich auch jene Regionen von den Mitteln profitieren, die am stärksten von den strukturellen Veränderungen aufgrund des demographischen Wandels betroffen sind.

So lange keine konkreten Pläne für die Ausgestaltung einer Gebietskulisse und einer räumlichen Schwerpunktsetzung vorliegen, können wir diesem Vorschlag nicht zustimmen.

Denn von einer konkreten Ausgestaltung der Gebietskulisse wird zwangsläufig abhängen, wie die Mittel der GAK zukünftig verteilt werden.

Auch hier fordern wir die Bundesregierung, auf Klarheit zu schaffen.

Einen letzten Punkt möchte Ich ansprechen:

Dass der Deutsche Bundestag sich lediglich auf das Abnicken von 650 Mio. Euro versteht, ohne jeden Einfluss auf den Inhalt auszuüben und ohne eine Kontrolle der Mittelverwendung vorzunehmen, ist bemerkenswert.

Sowohl die Länderparlamente als auch wir haben keinerlei Einflussmöglichkeiten auf die interministeriellen Abstimmungen hinter verschlossener Tür.

DIE LINKE kritisiert das schon lange.

Wir fordern an dieser Stelle deutlich mehr Transparenz und die Einbindung des Parlamentes.

Und trotz dieses großzügigen Freifahrtsscheins für das Ministerium, braucht dieses viel zu lange, um die Gelder den Ländern zur Verfügung zu stellen.

Angesichts des Zeitdrucks bei Mittelvergabe und Ausschreibung, unter dem Kommunen und Länder stehen, ist eine Auszahlung im Mai jedes Jahres viel zu spät.

Hier fordern wir ein schnelleres Verfahren, das den Ländern mehr Flexibilität und Planungssicherheit ermöglicht.

Herr Minister, meine Damen und Herren,

Engagement für eine nachhaltige Entwicklung des ländlichen Raums sieht anders aus!

Mit diesem Gesetzesentwurf bringen sie bestenfalls ein Reförmchen auf den Weg, das nur so tut, als steckte etwas Neues, Wirkungsvolles dahinter.

Damit täuschen Sie nicht nur das Parlament,

Sie enttäuschen ein weiteres Mal Millionen Menschen in den ländlichen Regionen dieses Landes und Sie sollten bedenken, wohin das führt!

 

Vielen Dank!