Die ursprüngliche Absicht, ein europaweit abgestimmtes Digitalfunknetzwerk aufzubauen, ist schon lange gescheitert . Der Wegfall der Binnenkontrollen im Schengenraum sollte kompensiert werden durch eine Harmonisierung des Digitalfunkverkehrs möglichst aller europäischen Staaten. Weil das Projekt aber niemals richtig vorangekommen ist, sind einzelne Länder wie Frankreich mit Alleingängen vorgeprescht.Die Modellversuche, wie sie etwa vor einigen Jahren im grenznahen Bereich Aachen stattgefunden haben, haben schlicht und einfach keine Zukunft. Die Harmonisierungsbemühungen, die jetzt noch von der Polizeiarbeitsgruppe des Rates der Innen- und Justizminister angestrengt werden, sind im Wesentlichen Makulatur. Ulla Jelpke in der zu Protokoll gegebenen Rede zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Errichtung einer Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben.
"Was die von der Bundesregierung angestrebte Bundesanstalt regeln soll, ist ein völlig überteuertes und unnötiges Projekt. Wie mittlerweile üblich, wird der Öffentlichkeit auch die Einführung des Digitalfunks als absolut notwendige Maßnahme zur Gewährleistung der Sicherheit verkauft. Ohne den angeblichen Antiterrorkampf zu beschwören, geht nach Ansicht der Regierung offenbar gar nichts mehr. Das ist in diesem Fall doppelt absurd: Erstens muss die Regierung auf Nachfrage jedes Mal zugeben, dass sie überhaupt keine konkreten Erkenntnisse zu einer Gefährdung durch Terrorbanden hat. Zweitens ist das vorgeschlagene Mittel, also der digitale Funkverkehr, kein geeignetes Mittel. Einen dritten Grund, weswegen die Fraktion Die Linke den Gesetzentwurf der Regierung ablehnt, will ich hier auch gleich nennen: Das ganze Projekt ist schlicht und einfach nicht realistisch finanzierbar. Die Kostenschätzungen für die bundesweite Einführung des Digitalfunks, die beispielsweise von der Gewerkschaft der Polizei vorgenommen wurden, belaufen sich auf Gesamtkosten von über 7 Milliarden Euro. Und da frage ich mich natürlich, wo dieses Geld herkommen soll. Hinzu kommt, dass die ursprüngliche Absicht, ein europaweit abgestimmtes Digitalfunknetzwerk aufzubauen, schon lange gescheitert ist. Der Wegfall der Binnenkontrollen im Schengenraum sollte ja quasi kompensiert werden durch eine Harmonisierung des Digitalfunkverkehrs möglichst aller europäischen Staaten. Weil das Projekt aber niemals richtig vorangekommen ist, sind einzelne Länder wie Frankreich mit Alleingängen vorgeprescht, und die Modellversuche, wie sie etwa vor einigen Jahren im grenznahen Bereich Aachen stattgefunden haben, haben schlicht und einfach keine Zukunft. Die Harmonisierungsbemühungen, die jetzt noch von der Polizeiarbeitsgruppe des Rates der Innen- und Justizminister angestrengt werden, sind im Wesentlichen Makulatur. Es ist nicht ernsthaft zu erwarten, dass ein Land, das sich bereits für einen bestimmten Standard entschieden hat, nun wieder alles rückgängig macht, um doch noch eine gemeinsame Lösung zu finden. Das wäre erst recht nicht zu finanzieren. Ich habe sowieso den Eindruck, dass die Schwachstellen des Systems bislang nicht richtig zur Kenntnis genommen werden. So ist etwa die so genannte In-house-Versorgung nicht gewährleistet. Das bedeutet, dass Polizei- oder Feuerwehrangehörige, die sich in Häusern befinden, keinen oder nur erschwerte Kommunikationsmöglichkeiten haben. Was im Falle eines Ausfalls der verschiedenen Server, die für den Digitalfunk ermöglicht werden, passiert, ist ohnehin klar: Absolute Funkstille im wahrsten Sinn des Wortes wäre die Folge. Eine Panne, die beim bisherigen Analogfunkverkehr ausgeschlossen ist. Der Polizeiexperte Stephan Stolle kam wegen all dieser Faktoren bereits vor drei Jahren in einem Artikel für die Zeitschrift CILIP zu dem Schluss, dass der Analogfunkverkehr alle notwendigen Aufgaben bereits erfüllt und das Projekt Digitalfunk im Wesentlichen als gescheitert betrachtet werden muss. Anstatt nun also eine Behörde einzurichten, die eine Totgeburt meistern soll, wäre der Sicherheit mehr damit gedient, die Ausstattung beispielsweise der Feuerwehr zu verbessern. Einen Punkt will ich noch ansprechen: § 15 des Gesetzentwurfs sieht vor, die Anstalt dazu zu ermächtigen, sich gewaltsamen Zutritt zu all solchen Unternehmen zu verschaffen, die für sicherheitsrelevant gehalten werden. Es ist bezeichnend, dass die Bundesregierung als Beispiel für einen möglichen Einsatz ausgerechnet das Gefährdungsmerkmal "rechtswidriger Streik" anführt. Die Bundesanstalt soll also ausdrücklich als Streikbrecherin eingesetzt werden können. Und was heißt schon "rechtswidriger" Streik: Die Zeit, um gerichtlich die Zulässigkeit eines Streiks zu prüfen, soll sich die Anstalt ja gar nicht nehmen. Es ist ausdrücklich nicht der Gang zu einem Gericht vorgesehen, sondern ein "vereinfachtes" Verfahren.Diesem überteuerten, unsinnigen und den Rechtsfrieden gefährdenden Projekt wird Die Linke deswegen nicht zustimmen."
Funkstille - der Unsinn eines Gesetzes
Rede
von
Ulla Jelpke,