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Für starke ländliche Räume

Rede von Kerstin Kassner,

Rede von Kerstin Kassner im Plenum des Deutschen Bundestages, kommunalpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, zum Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik (Direktzahlungen-Durchführungsgesetz - DirektZahlDurchfG) (Drs.-Nr. 18/908)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Ich darf Sie nun auf eine kleine gedankliche Fahrt zu mir nach Hause einladen. Entweder sind Sie Städter dann sehnen Sie sich regelmäßig nach dem Grün und der freien Natur, oder Sie sind wie ich ein Bewohner der ländlichen Räume. Diese machen immerhin 58 Prozent der Fläche unserer Bundesrepublik aus. Auf dieser großen Fläche lebt etwa jeder vierte Einwohner Deutschlands.

In der Internetpräsentation des Landwirtschaftsministeriums steht, dass die ländlichen Räume nicht nur eine romantische Idylle sind; das kann ich mit Fug und Recht unterschreiben. Das ist in der Tat so. Ich denke nur an mein Heimatland Mecklenburg-Vorpommern: wunderschöne Wiesen und Seen, nicht zu vergessen das Meer, aber auch große landwirtschaftliche Flächen. Genauso ist es auf meiner Heimatinsel Rügen. Dort steht neben dem Tourismus die Landwirtschaft gleichermaßen an erster Stelle; denn sie prägt das Landschaftsbild auf der Insel maßgeblich. Wir wünschen uns ein hohes Maß an Lebensqualität. Das ist aufgrund der räumlichen Bedingungen, der guten Luft und allem, was dazu gehört, von Natur aus gegeben; aber das sage ich bewusst es gehört ganz viel bürgerschaftliches Engagement dazu, dies auch dauerhaft zu gewährleisten.

Es gibt ein großes Gefälle zwischen den Bedingungen in den ländlichen Räumen, dem Süden, dem Südwesten und meiner Heimatregion. Ich betreue die beiden Wahlkreise 15 und 16, also im Großen und Ganzen Vorpommern; Neubrandenburg gehört auch dazu. Wenn ich jetzt entschuldigend zu den Greifswaldern und Stralsundern sage, dass das ländlicher Raum pur ist, dann können Sie mir glauben, dass ich weiß, wovon ich spreche. Es ist leider eine Abwärtsspirale zu verzeichnen. Es gibt einen Abwanderungstrend, der aufgehalt werden muss. Zuerst gehen die jungen Frauen weg und mit ihnen die ungeborenen Kinder. Danach gehen auch die jungen Männer weg; denn sie finden es bei uns dann auch nicht mehr attraktiv. Das führt dazu, dass immer weniger Menschen in den ländlichen Räumen leben. Damit stellt sich die gesamte Situation schwieriger dar: die Kaufkraftentwicklung, die Schulen, die Versorgung mit ärztlichen Leistungen, all das ist schwierig und nur mit großer Mühe und Not aufrechtzuerhalten.

Mit der Verlagerung der Mittel in Höhe von 4,5 Prozent aus dem Gesamtvolumen kann das, was uns im Rahmen der Entwicklung ländlicher Räume weniger zur Verfügung steht, mindestens kompensiert werden. Es gibt so viele Möglichkeiten, wie man erreichen kann, dass die ländlichen Räume für das Leben dort attraktiv bleiben. Bei Besuchen vor Ort habe ich viele kreative Ideen vorgefunden, die lohnenswert sind, nachgemacht oder weiterentwickelt zu werden. Es gibt zum Beispiel das Vorhaben, multiple Häuser zu errichten oder vorhandene Gebäude entsprechend umzunutzen. Dort können dann verschiedene Aufgaben im Dorf erfüllt werden. Zum Beispiel kommt am Montag die Ärztin. Am Dienstag ist die Physiotherapeutin da. Am Mittwoch sind die Vereine des Ortes anwesend. Am Donnerstag findet dort die Sprechstunde des Bürgermeisters statt und die Gemeindevertretung trifft sich am Abend. Am Wochenende wird natürlich das gemeindliche Leben gepflegt, das Tanzbein geschwungen, oder es werden interessante Nachmittage veranstaltet.

Man kann sich auch andere Dinge einfallen lassen. Ich kenne viele Beispiele. Im Rahmen von LEADER hatten die Insel Rügen und viele andere ländliche Bereiche mit dem Bottom-up-Prinzip Möglichkeiten, die außerordentlich erfolgreich waren. Dort haben sich viele Menschen engagiert. Kulturelle Möglichkeiten wurden entwickelt und genutzt. Zum Beispiel wurden die Kirchen vor Ort wiederhergerichtet und zum Kulturzentrum des Dorfes gemacht. Das alles sind Möglichkeiten, die außerordentlich interessant sind und bei denen sich ein Mitmachen lohnt. Ich möchte, dass solche guten Ideen umgesetzt werden, damit auch zukünftig den Bürgerinnen und Bürgern in den ländlichen Räumen das Leben in ihrer Heimatregion gefällt und sie dort bleiben.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich kann mir aber auch vorstellen, dies gezielt zu unterstützen, zum Beispiel durch eine Breitbandversorgung. Heutzutage sind viele Unternehmen unabhängig von ihrem Standort. Wenn die Breitbandversorgung eine Anbindung an das Netz gewährleistet, ist ein Arbeiten weit über die landwirtschaftsaffinen Bereiche hinaus möglich. Aber es gibt auch andere Möglichkeiten: Landwirtschaftsbetriebe, die nicht nur Lebensmittel produzieren, sondern sie auch verarbeiten. Aus einem Sozialbetrieb ist bei uns eine Molkereien entstanden, einhergehend mit touristischen Angeboten.

(Beifall bei der LINKEN)

Das sind gute Lösungen, wie man den ländlichen Raum beleben kann. Deshalb würde ich mich freuen, wenn wir uns auch zukünftig darauf verlassen könnten, dass die Menschen im ländlichen Raum zufrieden sind und sich dort wohlfühlen.

Danke.

(Beifall bei der LINKEN)