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Für Menschlichkeit und soziale Gerechtigkeit

Rede von Alexander Ulrich,

Frau Präsidentin,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

In Europa jagt seit Jahren eine Krise die nächste. Doch statt Krisen zu lösen, hat die deutsche Europapolitik immer zu einer weiteren Verschärfung beigetragen.

Frau Merkel, angesichts Ihrer Dominanz auf der EU-Bühne müssen Sie sich schon fragen lassen, inwiefern die katastrophalen Entwicklungen der letzten Jahre auch in Ihrer Verantwortung liegen.

Deutlich wird das bei der immer noch nicht überwundenen Finanz- und Wirtschaftskrise. Von Beginn an haben Sie eine beispiellose Kürzungspolitik durchgesetzt, die Südeuropa immer tiefer in die Rezession und viele Menschen in die Armut getrieben hat.

Und statt endlich einzusehen, dass man mit Kürzen die Krise nicht löst, sondern dass man die Einnahmen steigern und investieren muss, hebelt der Bundesfinanzminister auch noch die Finanztransaktionssteuer aus.

Die Bundesregierung steht in Sachen FTT mittlerweile auf der Seite jener, die 1.000 Ausnahmen reinverhandeln wollen, bis nur noch ein Schweizer Käse übrig bleibt.

Dann die Flüchtlingskrise. Frau Merkel, auf dem CDU-Parteitag haben Sie zurecht betont, dass Abschottung keine Option ist. Aber zugleich tritt die Bundesregierung auf EU-Ebene dafür ein, dass Frontex noch mehr Macht bekommt und künftig sogar gegen den Willen der Mitgliedsstaaten Eingreiftruppen an die Außengrenzen schicken kann, um eine unmenschliche Abschottungs- und Abwehrpolitik umsetzen.

Sie wissen doch so gut wie ich, dass die Flüchtlingszahlen sich nicht durch Zäune und Eingreiftruppen reduzieren lassen, sondern nur durch eine Bekämpfung der Fluchtursachen.

Deswegen: Rüsten Sie nicht Frontex hoch, sondern hören Sie endlich auf, Waffen in Krisengebiete zu liefern! Und Hören Sie auf, wie in Syrien, US-amerikanische regime change Strategien zu unterstützen, die am Ende nur die IS stärken, die Terrorgefahr erhöhen und immer mehr Menschen in die Flucht zwingen!

Zur Bekämpfung von Fluchtursachen gehört auch die Bekämpfung von Hunger. Deswegen sollten Sie sich dafür einsetzen, dass die EU-Mitgliedsstaaten nicht wie geplant drei Milliarden Euro an die Türkei überweisen, damit dort ein Aktionsplan zur Flüchtlingsabwehr umgesetzt wird. Vielmehr sollten diese Mittel über den UNHCR dem Welternährungsprogramm zugeführt werden.

Überhaupt ist mir der Umgang der mit der Türkei völlig unbegreiflich: Jeder EU-Fortschrittsbericht zur Türkei ist de facto ein Rückschrittsbericht. Erdogans Türkei wird mehr und mehr zum autoritären Unterdrückerstaat. Und da wollen Sie sechs weitere Beitrittskapitel öffnen? Spielen denn Menschenrechte und Demokratie überhaupt keine Rolle mehr?

Das bringt mich zur letzten Krise, die ich ansprechen will: die Demokratiekrise. Seit Jahren werden wichtige Gesetze wie der Fiskalpakt am EU-Parlament vorbei beschlossen. In einer Reihe von Mitgliedsstaaten bestimmen nicht mehr gewählte Regierungen was gemacht wird, sondern die Troika. Dabei sind die von demokratischer Kontrolle befreite EZB und die informelle Eurogruppe zu wahren Machtzentren geworden.

Und nun treten die 5 Präsidenten mit einem Plan zur Vertiefung der Währungsunion an, der die Parlamente noch weiter schwächt, die Eurogruppe stärkt und technokratische Gremien errichtet, die tief in die Tarifautonomie eingreifen. Völlig zurecht stellt sich der DGB gegen diese Pläne!

Meine Damen und Herren, Europa droht an seinen Krisen und seinen politischen Eliten zu scheitern. Die Regionalwahlen in Frankreich haben gezeigt, wie gefährlich die Situation ist. Wenn wir den Zerfall der Europäischen Einigung und das Abdriften nach rechts stoppen wollen, brauchen wir eine Politik der Menschlichkeit, der sozialen Gerechtigkeit, der Deeskalation und des immer weiteren Ausbaus demokratischer Rechte. Leider stehen die maßgeblichen EU-Institutionen und die Bundesregierung eher für das Gegenteil!

Vielen Dank!