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Für eine unabhängige, verbraucherorientierte Finanzberatung

Rede von Harald Koch,

Rede zu TOP 19, Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung und Regulierung einer Honorarberatung über Finanzinstrumente (Honoraranlageberatungsgesetz), Drucksache 17/12295.

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen,

viele viele Monate nach seiner Ankündigung liegt nun endlich der lang ersehnte Gesetzentwurf zur Honorarberatung vor. Doch das Warten hat sich leider nicht gelohnt! Der Entwurf ist Stückwerk, handwerklich teilweise unsauber gemacht, und er geht insgesamt an den Bedürfnissen der Verbraucherinnen und Verbraucher vorbei.

Ende Dezember 2012 zeigte das Gutachten eines Bamberger Finanzwissenschaftlers, dass deutschen Verbrauchern jährlich ein Verlust von mindestens 50 Milliarden Euro durch Falschberatung von Banken und Finanzdienstleistern entsteht. Das ist ein Skandal!

Schuld daran ist die immer noch dominierende provisionsgetriebene Beratung und Vermittlung. DIE LINKE will dagegen unabhängige Beratung, also auch Honorarberatung, wirklich stärken.

Der vorliegende Gesetzentwurf tut dies entgegen seines Titels nicht, was ich an drei zentralen Punkten verdeutlichen möchte.

Erstens wird kein klar geregeltes, umfassendes Berufsbild des Honorar- oder Finanzberaters geschaffen.
Man unterscheidet zwischen Anlageberatern, Honorar-Anlageberatern nach dem Wertpapierhandelsgesetz und gewerblichen Honorar-Finanzanlagenberatern. Die beiden letztgenannten Berufsbilder werden mit dem Gesetzentwurf neu geschaffen. Eine Einstufung erfolgt dort nach den Produkten, zu denen beraten werden darf. Dies kann aber kein Verbraucher nachvollziehen und schafft noch mehr Intransparenz!

Verbraucher müssen vorab erkennen können, welche Art von Geschäftsbeziehung sie eingehen. Ich fordere verpflichtende Bezeichnungen nach dem Grundsatz: Jeder, der Provisionen erhält, ist ein Vermittler, also Verkäufer – jeder, der unabhängig auf Honorarbasis tätig ist, ist ein Berater. Letztere dürfen ausschließlich die Bezeichnung „Beraterin“ oder „Berater“ führen. Vermittler müssen hingegen „Provision“ in ihrer Tätigkeitsbezeichnung erwähnen.
Für mehr Klarheit hätte auch gesorgt, die gesamte Honorarberatung in einem eigenständigen Gesetz zu regeln.

Zweitens wird kein ganzheitlicher Beratungsansatz gestärkt.
Honoraranlageberater und Honorar-Finanzanlagenberater dürfen nicht zu den gleichen Finanzinstrumenten beraten. Insgesamt dürfen beide nur auf einen eingeschränkten Kreis von Finanzinstrumenten zurückgreifen. Versicherungspolicen, Festgeld und Bausparverträge bleiben zum Beispiel außen vor. Dies ist aus Sicht der LINKEN der falsche Weg!

Eine Honorarberaterin oder ein Honorarberater müssen aus dem gesamten Spektrum von Finanzinstrumenten optimale individuelle Lösungen für seine Kunden bereitstellen können. Eine Einschränkung der freien Auswahl macht das Alleinstellungsmerkmal gegenüber der Vermittlung zunichte.
Finanzberatung muss von den Bedürfnissen der Verbraucher ausgehen, nicht von Finanzinstrumenten! Ich fordere deshalb, perspektivisch eine gemeinsame Zulassung aller Honorarberater zu allen Finanzinstrumenten zu schaffen!

Drittens wird eine Aufsichtsarbitrage verfestigt.
Es stellt sich das gleiche Problem wie schon beim Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagengesetz aus dieser Wahlperiode. Honorar-Finanzanlagenberater sollen durch die Gewerbeämter beaufsichtigt werden. Wohingegen die BaFin Honorar-Anlageberater beaufsichtigt. Gewerbeämter sind mit Aufsicht und Kontrolle jedoch überfordert. Die Industrie- und Handelskammer als Zulassungsstelle steckt zudem als Vertreterin von Gewerbetreibenden in einem Interessenskonflikt. Eine Kontrolle von Frittenbuden, Nichtraucherschutz und Finanzinstrumenten ist nicht sinnvoll unter einen Hut zu bringen.
Schluss mit dem Flickenteppich! Ich fordere eine kompetente, länderübergreifend einheitliche Aufsicht durch die BaFin!

Bei Umsetzung einer einheitlichen BaFin-Aufsicht müssen wir jedoch aufpassen, dass unter anderem aufgrund der hohen Kosten für eine Erlaubnis nach dem Kreditwesengesetz kleine und mittelständische Berater nicht vom Markt gedrängt werden.

Es liegt noch einiges mehr im Argen bei diesem Gesetzentwurf, vor allem wenn die Provisions-Problematik ins Spiel kommt und "Mischsysteme" entstehen:

So können beispielsweise Banken weiterhin Provisions- und Honorarberatung unter einem Dach anbieten. Wo es Honorarberatung gibt, sollte es aber keine Vermittlung auf Provisionsbasis geben. Eine organisatorische und funktionale Trennung in ein und demselben Unternehmen ist kaum möglich. Diese chinese walls werden nicht halten! Die Interessenkonflikte wären schlicht zu gravierend!
Es ist für mich des Weiteren ganz wichtig auszuschließen, dass Honorarberater gleichzeitig als Vermittler tätig werden können. Egal über welche Ecken und Tricks auch immer.
Ferner ist es laut Gesetzentwurf nicht einmal verboten, dass ein Honorarberater ein konzerneigenes Finanzinstrument empfiehlt, an dem er letztlich über Provisionen mitverdienen kann. Offenlegungspflichten reichen hier bei Weitem nicht aus.
Wenn Honorarberater zudem für ein empfehlenswertes, aber nicht provisionsfrei erhältliches Finanzinstrument Zuwendungen erhalten, sollen sie diese „unverzüglich und ungemindert“ auskehren. Dies ist doch für Verbraucher überhaupt nicht kontrollierbar!

Die Stellungnahme des Bundesrates zielt in die richtige Richtung, wenn dort unter anderem gefordert wird, das Aufstellen von Vertriebsvorgaben für die Honorar-Anlagenberatung generell zu untersagen. Ich unterstütze ebenfalls die Forderung, für alle Finanzinstrumente verpflichtend Nettotarife auszuweisen, um eine objektivere Vergleichbarkeit sicherzustellen.

Wie man es auch dreht und wendet, die letztgenannten Kritikpunkte zeigen mal wieder das grundlegende Problem:

Solange es erlaubt ist, Finanzinstrumente gegen Provision zu verkaufen, ist die Gefahr der Falschberatung immens hoch.
Denn Provisionen schaffen Anreize, den Verbrauchern teure und oftmals riskante, dafür unpassende Produkte aufzudrängen. Provisionen sind für Berater und Vermittler das, was die Sirenengesänge für Seefahrer in der griechischen Mythologie waren. So kann Beratung aber nie vollends unabhängig sein. Würde provisionsgetriebene Vermittlung nicht mehr bestehen, hätten sich etliche Probleme, die diesem Gesetzentwurf zu eigen sind, bereits erledigt.

Deshalb fordern wir die Überwindung provisionsgetriebener Finanzdienstleistungen!
Gute Beratung, nicht das Entgelt, muss ins Blickfeld rücken. Eine Beratung, die sich am Bedarf, der individuellen Situation und der Lebenswirklichkeit der Anleger orientiert.
Eine wirklich unabhängige Beratung, die auch keine Frage des Geldbeutels sein darf!

Dafür müssen die Verbraucherzentralen und die Honorarberatung nachhaltig gestärkt werden. Gerade Verbraucherzentralen müssen personell und finanziell besser in die Lage versetzt werden, ihr Angebot besonders für einkommensschwache Haushalte ausbauen zu können. Ergänzend zur staatlichen Regulierung muss man die Verbraucherzentralen auch als Finanzmarktwächter etablieren.

Begleitend brauchen wir eine Verbraucherschutzbehörde, die einen Finanz-TÜV entwickelt, mit dem Finanzmarktakteure und -instrumente vor ihrer Zulassung auf volkswirtschaftliches Risikopotenzial und Verbraucherfreundlichkeit geprüft werden.

Die Bundesregierung geht ihrer Klientel der provisionsgetriebenen Vermittler nicht an den Pelz. Dank Ihres Placebo-Entwurfs wird die Honorarberatung weiterhin ein Mauerblümchendasein fristen.
Ihre Politik ist verheerend, weil sie wirklich unabhängige Beratung nicht nach vorne bringen will und damit den Verbrauchern weiterhin enormen finanziellen Schaden zufügt.

Danke!