Rede zu: „Rückzug der Deutschen Bahn AG bei Nacht- und Autoreisezügen stoppen – Nachhaltige Reisekultur in Europa fördern“, Drs. 18/2494
Die Uhrzeit passt zum Thema, werte Kolleginnen und Kollegen, Frau Präsidentin!
Die Bahn schränkt von Dezember an ihr Angebot ein. Die Autoreisezüge sollen verschwinden und viele Nachtzüge auch. Zum Glück regt sich öffentlicher Widerstand dagegen. Es geht um rund 1 000 Beschäftigte, die ihren Arbeitsplatz verlieren werden. Es geht um mehr: um die Zukunft der europäischen Reisekultur. Die müsste klimafreundlich werden.
Wir Linken bestehen darauf, dass das Parlament sich nicht aus der Verantwortung stehlen kann. Das Grundgesetz gilt. Dort steht, dass der Bund als alleiniger Eigentümer der Deutschen Bahn AG nicht nur für die Schieneninfrastruktur verantwortlich ist, sondern auch dafür, dass es darauf ein Fernverkehrsangebot gibt, das den allgemeinen Verkehrsbedürfnissen entspricht.
Nachtzüge gibt es in Deutschland seit 162 Jahren, Autozüge seit fast 60 Jahren. Beide sind feste Bestandteile dieses Angebots, und die Nachfrage zeigt deutlich, dass viele Familien, Geschäftsreisende, Leute mit Flugangst oder Handicaps und Umweltbewusste diesen Bedarf haben. Deshalb sind wir alle gefordert, den geplanten Kahlschlag zu verhindern.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Die Linke beantragt, dass die Kürzungen bei Autoreise- und Nachtzügen zurückgenommen werden. Wir fordern ein mindestens zweijähriges Moratorium, damit in dieser Zeit sinnvolle Alternativen geprüft werden können. Wir verlangen eine Studie, die untersucht, wie man ein gutes europäisches Zug- und Nachtzugnetz auf die Beine stellen kann. Dabei setzen wir auf Kooperation statt Konkurrenz zwischen den Bahnunternehmen.
Ich bin überzeugt: Mit vernünftiger Planung und besseren Reisekonzepten könnten noch viel mehr Fahrgäste für die Schiene gewonnen werden.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Es gibt tolle Ideen. Es gibt übrigens auch ungeheuer viel Kompetenz bei den Beschäftigten und auch bei engagierten Bahnexperten. Das Rad müsste nicht neu erfunden werden. Zum Beispiel könnte man die komfortablen Talgo-Züge aufmöbeln, die derzeit auf dem Abstellgleis in Hamm vergammeln. Kleine pfiffige Einzelkabinen kann man mit Klappelementen umbauen und flexibel nutzen. Man könnte auch Schlafwagen für Nachtfahrten anhängen usw. Ideen gibt es viele.
Gestern haben die Beschäftigten, Kundinnen und Kunden sowie Bürgerbahninitiativen hier in Berlin eine Kundgebung veranstaltet. 7 000 Protestpostkarten sind am BahnTower übergeben worden.
Ein Passant dort meinte: Ich frage mich, weshalb es in Zeiten von Länderbahnen, Kaltem Krieg usw. möglich war, Nachtzüge durch ganz Europa zu schicken, und im vereinten Europa des 21. Jahrhunderts soll das nicht mehr möglich sein.
In einer Onlinepetition heißt es:
Insbesondere die Streichung der Verbindung Berlin–Paris ist ein verheerendes Signal im Hinblick auf das Zusammenwachsen Europas und die Mobilität seiner Bürger. Diese Zugverbindung ist seit Jahren viel genutzt und die Streichung durch nichts zu rechtfertigen! Die einzige direkte Zugverbindung zwischen beiden Hauptstädten muss als umweltfreundlichstes Verkehrsmittel erhalten bleiben!
Richtig!
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Ich will am Schluss eine sehr konkrete Utopie benennen und um Ihre Unterstützung werben. Bei der Fußballeuropameisterschaft 2000 in Belgien und den Niederlanden und auch bei der WM 2006 in Deutschland sind die Nachtzüge der Deutschen Bahn von Fußballfans aus vielen Ländern intensiv genutzt worden, weil die durch das Reisen in der Nacht einen Tag gewinnen wollten. Nun ist die Fußball-EM 2020 an 13 verschiedene Städte Europas in 13 verschiedenen Ländern vergeben worden,
(Hans-Werner Kammer (CDU/CSU): Nein, nicht die WM!)
und die Fans werden vom Achtelfinale in Bilbao zum Viertelfinale nach Baku und von dort weiter nach London reisen usw.; Kopenhagen, Glasgow, Budapest sind in der Liste. Wir wollen, dass nicht nur die Fluggesellschaften in jenen Sommerwochen gute Geschäfte machen, sondern dass vor allem die europäischen Bahnunternehmen und auch die Deutsche Bahn zu den Gewinnern zählen, weil grenzüberschreitende Tages- und Nachtverbindungen angeboten werden, die viel besser sind als heute. Wir Linke jedenfalls werden uns dafür einsetzen, und zwar europaweit.
Danke.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)