Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!
Um es ganz offen zu sagen: Keiner der drei vorliegenden Gesetzentwürfe gefällt mir wirklich; denn ich das sage ich ganz offen bin für eine Freigabe der PID. Es wird aber heute eine pragmatische Entscheidung für den weitestgehenden Entwurf der Gruppe Flach, Hintze, Reimann, Sitte und weitere Abgeordnete geben.
Ich maße mir an, zu wissen, was es heißt, sich bewusst für oder gegen den Abbruch einer Schwangerschaft zu entscheiden. Das heißt nämlich manchmal, sich vorher schon bewusst für eine Schwangerschaft entschieden zu haben. Es ist doch in hohem Maße verantwortlich, wenn man als Mutter und als Vater entscheidet, dass das eigene Kind kein schweres Leid ertragen soll. Ich finde das verantwortlich.
Herr Kollege Kauder, ich habe Ihnen genau zugehört. Ich denke, wir alle wollen nicht unterstellen, dass sich jemand nicht bewusst über das, was er tut, Gedanken macht. Sie haben aber die Frage aufgeworfen, ob die einen die Würde des Menschen respektieren und die anderen nicht. Ich glaube, diese Frage stellt sich hier heute so nicht.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Der Weg zu einer PID-Behandlung ist äußerst anstrengend. Er ist auch nach dem Gesetzentwurf, für den ich spreche, ein sehr schmaler Weg. Wenn man sich anschaut, was die Paare und insbesondere die Frauen durchleiden müssen, bevor es zur PID kommt, dann weiß man, dass das kein Sonntagsspaziergang ist, dann weiß man, dass es sich um eine bewusste Entscheidung handelt. Die Frau wird über Wochen mit massiven Dosen an Hormonen vollgepumpt. Das ist kein Spaß in einer Beziehung. Es ist mit großem Leid verbunden, erst einmal dahin zu kommen. Die Entnahme der Eizellen, die Befruchtung außerhalb des Körpers der Mutter und das Warten darauf, ob die Befruchtung überhaupt erfolgreich war, bedeuten höchsten emotionalen Stress für die werdenden Eltern bzw. für die, die Eltern werden wollen. Niemand wird sich diese Entscheidung leicht machen. Natürlich ist die Verschmelzung von Ei- und Samenzelle ein ganz wesentlicher Vorgang. Mindestens genauso wichtig aber ist die Einnistung der befruchteten Eizelle in die Gebärmutter der Frau.
(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)
Das ist der Zeitpunkt, zu dem die Interaktion zwischen Mutter und Kind beginnt, und damit ist es ein mindestens genauso wertvoller Moment. Ziel ist doch nicht, das Leben von Menschen in wertvoll oder nicht wertvoll einzuteilen. Aber was wollen Sie Eltern und vor allen Dingen Müttern zumuten, die zum wiederholten Mal schwanger werden und gegebenenfalls eine Schwangerschaft in dem Wissen oder Unwissen austragen müssen, dass es im Laufe der Schwangerschaft erneut zu großem Leid, zu vielen Schmerzen oder zum Tod des Kindes kommen kann? Ich war Zivildienstleistender in einer Kindertagesstätte und habe dort für ein ganzes Jahr eine individuelle Schwerstbehindertenbetreuung übernommen. Ich weiß, dass auch schwerstbehinderte Kinder lachen und glücklich sein können. Ich weiß aber auch, dass ich als Vater ein solches Schicksal nur schwer ertragen könnte und dass ich meine Schwierigkeiten hätte, Ja zu einem Kind zu sagen, von dem ich weiß, dass es sehr großes Leid ertragen muss. Sie können mir vorwerfen, dass ich das so sehe und dass ich bewusst Nein zu menschlichem Leben sagen würde zu eigenen Nachfolgern, zu eigenen Kindern. Es ist aber eine sehr bewusste Entscheidung.
Herr Zöller hat in seiner Rede ein Zitat von Johannes Rau bemüht, und auch von vielen anderen habe ich das Argument gehört, dass es natürlich kein Recht auf ein Kind und schon gar nicht auf ein gesundes Kind gibt. Ich muss Ihnen aber ganz ehrlich sagen, auch aus eigenem Erleben: Ich empfinde solche Bemerkungen als sehr verletzend, weil sie einem das Recht auf das, was man sich vielleicht am meisten wünscht, absprechen. Das finde ich nicht in Ordnung; das muss ich Ihnen so deutlich sagen.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD und der FDP)
Ich kenne sehr viele ungewollt kinderlose Paare, auch solche, die wegen genetischer Probleme kinderlos sind. Bei vielen dieser Frauen kam es zu Schwangerschaften, die zum Teil erfolglos verlaufen sind oder bei denen die Kinder kurz nach der Geburt gestorben sind. Meine Damen und Herren, ich selbst bin jetzt seit fast zwei Jahren der glücklichste Vater der Welt, auch ohne die PID. Ich möchte, dass alle Eltern, denen geholfen werden kann, ihren Wunsch nach einem Kind zu erfüllen, dieses Glück, das ich jetzt mit meiner Frau teilen kann, ebenfalls erleben können und sei es durch die PID. (Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)