Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Rechtsstaatlichkeit bedeutet unter anderem, sich für ein rechtsstaatliches Verfahren unabhängig von der Person einzusetzen. Herr Miri gibt an, dass ihm im Libanon von schiitischen Milizen aufgrund einer Blutfehde Gefahr für Leib und Leben drohe. Deswegen habe er nach seiner Rückkehr einen Asylantrag in Deutschland gestellt.
Was auch immer Herr Miri in der Vergangenheit getan hat: Er beruft sich hier auf ein Menschenrecht nach der Europäischen Menschenrechtskonvention. Und selbstverständlich müssen die ihm drohenden Gefahren in einem rechtsstaatlichen Verfahren sorgfältig geprüft werden – was denn sonst?
(Beifall bei der LINKEN – Beatrix von Storch [AfD]: Und wie oft?)
Es geht hier um die Unteilbarkeit der Menschenrechte. Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention verbietet jegliche Form der Folter oder der unmenschlichen Behandlung. Diese Norm gilt selbst in Notstands- und Kriegszeiten, und sie gilt auch für schwere Verbrecher.
(Beifall bei der LINKEN)
Das ist ein Kern unserer europäischen Menschenrechtsordnung. Und wenn ein Herr Wendt von der Polizeigewerkschaft erklärt, es müsse mit solchen Rechten „auch mal gut sein“, dann positioniert er sich selbst außerhalb der Rechtsordnung, die er durch Herrn Miri bedroht sieht. Es spricht gerade für unseren Rechtsstaat, dass auch ein Herr Miri einen Asylantrag stellen kann
(Beatrix von Storch [AfD]: Es spricht für unsere Dämlichkeit!)
und dieser ebenso gewissenhaft geprüft werden muss wie der von jeder anderen Person auch. Wenn die FDP dies infrage stellt, dann trägt sie damit zur Delegitimierung und Unterminierung des Rechtsstaates bei. Dafür sollten Sie sich schämen!
(Beifall bei der LINKEN)
Nach allem, was ich gehört habe, war Herr Miri in der Vergangenheit bestimmt kein Chorknabe.
(Beatrix von Storch [AfD]: „Kein Chorknabe“! Meine Güte!)
Doch eine rechtlich fragwürdige Nacht-und-Nebel-Abschiebung eines Staatenlosen in den Libanon ist mit Sicherheit der falsche Umgang damit. Denn Herr Miri hat seine Strafe für frühere Verbrechen abgesessen. Wenn er weiterhin Straftaten begehen sollte, dann gehört er dafür selbstverständlich erneut zur Rechenschaft gezogen – aber bitte in Deutschland; denn hier lebt er seit seinem 13. Lebensjahr. Er ist in gewisser Weise auch ein Produkt unserer Gesellschaft.
(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Ach, so ein Quatsch! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU – Lachen bei Abgeordneten der AfD)
Staatenlose Familien wie die von Herrn Miri kamen in den 70er- und 80er-Jahren als Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem Libanon nach Deutschland.
(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Das ist ja unglaublich! – Zuruf von der AfD: Auf so was muss man erst mal kommen! – Tino Sorge [CDU/CSU]: Ist er jetzt auch noch ein Opfer? Das ist ja unglaublich!)
Doch viele bekamen wegen ihrer ungeklärten Staatsangehörigkeit nur eine Duldung. Das heißt, sie haben seit Jahrzehnten keine Aussicht auf einen gesicherten Aufenthaltsstatus, kein Recht auf Arbeit und Ausbildung. Wer aber Menschen jahrzehntelang in die Kettenduldung zwingt, muss sich nicht wundern, wenn einige aus Mangel an Perspektiven in die Kriminalität abgleiten.
(Beatrix von Storch [AfD]: Ja, klar! Die armen Opfer! Die müssen Clankriminelle werden!)
Das sind Folgen des Versagens der bundesdeutschen Integrationspolitik seit den 70er-Jahren. Lassen Sie uns wenigstens heute nicht die gleichen Fehler wiederholen!
(Beifall bei der LINKEN – Manfred Grund [CDU/CSU]: Genau das passiert! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU – Dr. Christian Wirth [AfD]: Wir sind dran schuld, dass die kriminell sind! Aha!)
Dass Sie von der FDP mit dieser Aktuellen Stunde billige antidemokratische und antirechtsstaatliche Ressentiments befördern, ist kein Ausrutscher, das ist nur die schäbige Krönung Ihres aktuellen Kurses.
(Grigorios Aggelidis [FDP]: Ich weiß ja nicht, in welcher Welt Sie groß geworden sind! Aber echt! Das muss auf dem Mond gewesen sein!)
Ich erinnere nur an Ihre unheilige Allianz mit der AfD für einen Anti-Merkel-Untersuchungsausschuss zur Flüchtlingspolitik oder aktuell an den Vorwurf von Frau Teuteberg an Innenminister Seehofer, dieser ermutige „zur Wirtschaftsmigration“, weil er ein Viertel der aus Seenot geretteten Flüchtlinge übernehmen möchte. Wer hätte gedacht, dass sich Horst Seehofer einmal vor rechten Angriffen aus den Reihen der FDP von uns in Schutz nehmen lassen muss?
(Heiterkeit der Abg. Dr. Eva Högl [SPD] – Zuruf von der FDP: Kabarett! – Beatrix von Storch [AfD], an Bundesminister Horst Seehofer gewandt: Der Mann stellt sich schützend vor Sie!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, im Rechtsausschuss halten Sie doch stets die Rechtsstaatlichkeit hoch, und das begrüße ich ausdrücklich. Diesen Maßstab sollten Sie jedoch dringend einmal dem Rest Ihrer Fraktion vermitteln. Auch wenn es im Einzelfall manchmal schwerfällt: Die Grundsätze des Rechtsstaates müssen unverrückbar sein. Was Sie hier veranstalten, ist einer Partei, die sich auf den Liberalismus beruft, zutiefst unwürdig.
(Beifall bei der LINKEN – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Das ist gesunder Menschenverstand! Das versteht Die Linke natürlich nicht! – Dr. Christian Wirth [AfD]: 30 Jahre Mauerfall!)
Mit dieser Aktuellen Stunde zeigt die FDP nicht ihre Sorge um den Rechtsstaat, sondern – so sehe ich es – nur ihre Sorge um schwindende Zustimmung unter den Wählerinnen und Wählern.
(Konstantin Kuhle [FDP]: Das sagen die Richtigen! Wartet mal ab! – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Eine Schwalbe macht noch keinen Frühling!)
Und deswegen fischt sie tief in der trüben Brühe des rechten Populismus. Was Sie hier finden werden, wird Sie auf Dauer aber nicht glücklich machen.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der LINKEN – Konstantin Kuhle [FDP]: 78 Stimmen drüber in Thüringen! – Gegenruf der Abg. Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da seid ihr aber nicht stolz drauf, oder? – Gegenruf des Abg. Konstantin Kuhle [FDP]: Besser als 5!)