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Friedrich Straetmanns: Diese ausgeklüngelte Wahlrechtsreform hilft nur der Union

Rede von Friedrich Straetmanns,

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf hat die Große Koalition mit einem Grundsatz gebrochen – und das ist zugleich eine Stilfrage –, nämlich mit dem Grundsatz, alle Parteien in die Änderung des Wahlrechts einzubinden. Dies kritisieren wir als Erstes.

(Beifall bei der LINKEN, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Am Ende entscheidet der Koalitionsausschuss als Klüngelrunde über das Wahlrecht und wirft uns diesen Gesetzentwurf als unfertiges Produkt – Herr Buschmann hat es angesprochen – schlicht und einfach vor die Füße. Unglaublich!

(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Das Parlament entscheidet das!)

Das Ganze geht einher mit einer eindeutigen Zielsetzung, nämlich einer klaren Bevorzugung der Unionsparteien. Diese sind mit diesem Entwurf gar nicht in der Lage, den Bundestag zu verkleinern.

Jetzt muss ich mich erst mal wieder einkriegen, und dann kann ich mich etwas amüsieren: Es gibt wieder eine Kommission. Wir hatten gar keine Kommission, oder? – Doch, wir hatten seinerzeit eine Kommission bei Herrn Schäuble, und da haben wir über ein Jahr zusammengesessen. Im Oktober 2019 haben Linke, Grüne und FDP einen sorgfältig ausgearbeiteten Wahlrechtsentwurf vorgelegt. Sie sind aber nicht in der Lage, mit uns darüber zu reden. Das ist eine Unverschämtheit!

(Beifall bei der LINKEN, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie wollen in der Kommission nun auch das Wahlrecht ab 16 und die bessere Repräsentanz von Frauen im Parlament behandeln. Eigenartig – gerade die Repräsentanz von Frauen war mir schon vor zweieinhalb Jahren ein Anliegen, und die Grünen hatten mich dankenswerterweise zumindest darin unterstützt. Wir haben eine Totalverweigerung seitens der CSU festzustellen. Durch den Zeitablauf haben Sie es geschickt verstanden, den Zeitdruck auf die Parlamentarier so zu erhöhen, dass eine sorgfältige Behandlung dieses wichtigen Themas mit einer breit angelegten Diskussion nicht möglich ist. Das ist eine Unverschämtheit!

(Beifall bei der LINKEN)

Außerdem sieht Ihr Entwurf vor, dass Stimmen für Parteien mit Überhangmandaten nun mehr wert sind als Stimmen für Parteien ohne Überhangmandate. Das kann im Extremfall durchaus entscheidend sein. Die CSU profitiert von diesem Entwurf ganz eindeutig. Während nämlich alle anderen Parteien ihre Überhangmandate mit den Listen anderer Landesverbände verrechnen müssen, fällt diese Kompensation für die CSU weg, da sie – welche Überraschung – nur in Bayern antritt. Die hat gar keine anderen Landeslisten.

(Michael Frieser [CDU/CSU]: Null Effekt! Null Effekt!)

Das ist also ein Gesetzentwurf, der Ihnen nutzt, und darum haben Sie die Sache so lange verzögert.

(Beifall bei der LINKEN)

Zu einer solchen Ungleichbehandlung sagt das Bundesverfassungsgericht in dem Urteil, das Sie dankenswerterweise auch in Ihrem Gesetzentwurf zitieren:

"Lässt sich eine Ungleichbehandlung nicht durch besondere, sachlich legitimierte Gründe rechtfertigen, so ist die Entscheidung für dieses System korrekturbedürftig."

Daran gemessen darf – anders, als Sie es hier festschreiben wollen – die Stimme eines Altöttingers nicht mehr wert sein als die Stimme einer Bielefelderin.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein sachlich gerechtfertigter Grund ist das im Sinne der verfassungsgerichtlichen Entscheidung nicht. Wenn Sie diesen Vorschlag so durchbringen wollen, dann müssen wir auch zwingend über die Geschäftsordnung des Bundestages nachdenken. Denn dann ist es nicht länger zu rechtfertigen, dass die CSU Vorteile daraus zieht, dass sie alleine in Bayern antritt, dort Stimmen erzielt und sich dann in eine Fraktionsgemeinschaft mit der CDU begibt, um daraus wiederum Vorteile zu ziehen.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Darum sollten wir uns tatsächlich mal die Geschäftsordnung des Bundestages anschauen. Sie von der CSU haben das wichtige Thema Wahlrecht sträflich vernachlässigt und schimpflich behandelt.

Vielen Dank. Auf Wiedersehen.

(Beifall bei der LINKEN, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)