Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Heute wird der Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens beraten. Wieder einmal muss die EU mit einer Richtlinie einen Impuls setzen, damit der deutsche Gesetzgeber tätig wird. Dabei sollte der Inhalt der Richtlinie längst schon unser ureigenes Anliegen sein, da er insolventen Unternehmen und Bürgerinnen und Bürgern eine Entschuldungsmöglichkeit gibt.
Ein Entschuldungsverfahren, das die volle Entschuldung spätestens nach drei Jahren ermöglicht, ist eine kleine Verbesserung gegenüber den derzeit gültigen sechs Jahren. Meine Fraktion und ich werden uns dennoch enthalten, da dieser Entwurf das grundsätzliche Problem nicht wirklich lösen kann.
(Beifall bei der LINKEN)
Darum nun zu unserer Kritik.
Warum gehen Sie im Entwurf nicht auf zwei Jahre Restschuldbefreiung, wie es die Richtlinie ermöglicht und Die Linke klar fordert? Und warum wird das Ganze bis 30. Juni 2025 befristet? Glauben Sie, dass dann die soziale Situation im Land eine andere ist? Wohl kaum.
(Beifall bei der LINKEN)
Zugleich wollen Sie allen Ernstes bei einem zweiten Restschuldbefreiungsverfahren die Frist von zwei auf fünf Jahre verlängern und die Wartefrist für das zweite Verfahren auf elf Jahre. Sie verkennen damit vollständig die soziale Lage im Land und die finanziellen Nöte der Menschen. Nehmen Sie einfach mal zur Kenntnis, dass viele Menschen überschuldet sind, weil sie arbeitslos werden, weil ihr Lohn zu niedrig ist und weil unter anderem eine Selbstständigkeit gescheitert ist.
Es handelt sich um 10 Prozent der Bevölkerung über 18 Jahre, und davon sind übrigens nur 10 Prozent wegen unangemessenen Konsumverhaltens überschuldet. In Ihrem Gesetzentwurf spürt man durchgängig das Vorurteil, der überschuldete Teil der Bevölkerung lebe über seine Verhältnisse. Das stimmt nicht. Nehmen Sie endlich mal die wissenschaftlich erhobenen Tatsachen zur Kenntnis.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir haben seit der verheerenden Agenda-Politik einen steigenden Anteil der prekären und befristeten Arbeitsverhältnisse. Das ist ein wesentlicher Grund für die von mir beschriebene Problemstellung. Folgen Sie uns endlich. Schaffen Sie Leiharbeit und prekäre Beschäftigung ab. Unterstützen Sie die Lohnforderung der Gewerkschaften; dann wird sich auch die Überschuldung der Menschen verringern.
(Beifall bei der LINKEN)
Zugleich fordern wir einen gesetzlichen Anspruch auf Schuldnerberatung für jeden. Die wertvolle Arbeit der Schuldnerberatungen kann nicht genug wertgeschätzt werden.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Ergänzend sollten Sie aber auch die Inkassobranche stärker kontrollieren und an die Kette legen. Wer überschuldet ist, wird häufig genug durch diese Unternehmen wie eine Zitrone ausgepresst, ohne dass er über seine ihm zustehenden Rechte ausreichend beraten wird. Das muss sich ändern.
(Beifall bei der LINKEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Unbedingt!)
Es gäbe noch viele Punkte anzusprechen; dazu reicht die Redezeit nicht. Aber in Kürze: In Anbetracht der Coronakrise müsste mehr für Kleingewerbetreibende getan werden, als Sie das beabsichtigen.
Ich will bei aller Kritik mit einem Lob enden. Sie haben einige Kritikpunkte der Sachverständigen aus der Anhörung angenommen und grobe Fehler mit Ihrem Änderungsantrag beseitigt. Hier hat das einmal funktioniert. Warum fällt mir das auf? Weil Sie Kritik aus Anhörungen im Ausschuss in aller Regel leider nicht aufgreifen.
(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Das ist nun wirklich falsch! Das wissen Sie, Herr Kollege! Gut, dass Sie Ihr Lachen unter der Maske verbergen!)
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. Und: Bleiben Sie gesund!
(Beifall bei der LINKEN)