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Friedrich Straetmanns: Dem Justizhaushalt fehlt der Mut

Rede von Friedrich Straetmanns,

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin Lambrecht, Sie haben mehr Aktivismus bewiesen als Ihre Vorgängerin und viele Initiativen gestartet. Das ist in vielen Fällen ein gutes Zeichen. In einem ganz wichtigen Punkt hat mir Frau Barleys klare Verweigerungshaltung jedoch sehr viel besser gefallen. Wenn Sie ihr klares Nein zur Erweiterung der Quellen-Telekommunikationsüberwachung übernommen hätten, hätten Sie für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger Gutes getan.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Denn mal abgesehen von der völlig offenen Frage der Angemessenheit eines solch drastischen Eingriffs in die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger, den das Mitlesen privater Nachrichten zweifellos darstellt, ist es völlig inakzeptabel, dass Sie die Schaffung oder Beibehaltung von Sicherheitslücken in den Betriebssystemen von Millionen Nutzerinnen und Nutzern fördern. Es ist schlimm genug, dass diese Lücken durch staatliche Stellen unbemerkt genutzt werden können. Doch Sie können absolut nicht garantieren, dass durch die Lücken, über die Sie die Staatstrojaner auf den Geräten platzieren, nicht auch Kriminelle auf diese zugreifen können. Das ist inakzeptabel, und hier hätten Sie Innenminister Seehofer stärker Paroli bieten müssen.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Presse konnte ich entnehmen, dass sich auch beim Lobbyregister abzeichnet, dass die Union ihren Willen bekommt. Zunächst sah es danach aus, als ob die Koalition den Schuss gehört hätte und das Lobbyregister auch für die Bundesregierung eingeführt werden würde. Das ist auch dringend notwendig, da der weit überwiegende Anteil der hier beschlossenen Gesetzentwürfe aus den Ministerien kommt. Nun durfte ich beim RedaktionsNetzwerk Deutschland aber lesen, in der Union sehe man das – obwohl vor einigen Wochen noch Zustimmung für die Erweiterung des Gesetzentwurfs zu vernehmen war – als lästigen Extrawunsch der SPD an. Ich muss das ganz deutlich sagen: Angesichts der abstrusen Skandale, wie sie beispielsweise Herr Amthor und Herr Scheuer produziert haben, kann man da draußen keinem mehr erklären, dass hier keine Transparenz geschaffen werden soll. Es wäre dringend angebracht, dass Sie, Frau Ministerin, an dieser Stelle standhaft bleiben und wir endlich ein ernstzunehmendes Lobbyregister bekommen. Denn nur dann zahlen sich die dafür geschaffenen Personalstellen wirklich aus.

(Beifall bei der LINKEN)

Eine Leerstelle, die leider auch Sie nicht angehen, betrifft die Evaluation in der Justiz. Warum schaffen wir keine verlässliche und wissenschaftlich ausgewertete Datenbasis über Anzeigen, Verurteilungen, Verfahrenseinstellungen, Wiederholungstaten etc.? Nur so ließe sich feststellen, dass Strafjustiz kein Blindflug ist. Das ist aus mehreren Gründen sinnvoll. Auf der einen Seite kann nur so festgestellt werden, was unsere Gesetze im Sinne der Prävention und des Schutzes der Bevölkerung leisten können. Auf der anderen Seite müssen wir aber doch auch aus Resozialisierungsperspektive auf unsere Strafgesetze schauen und uns regelmäßig fragen, was sie in dieser Beziehung zu leisten imstande sind; denn Prävention hängt ganz wesentlich davon ab, wie es uns gelingt, einmal straffällig gewordene Menschen wieder in die Gesellschaft zu integrieren. Diesen Anspruch sollten wir als sozialer Rechtsstaat haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie aber verschanzen sich in der Antwort auf die Kleine Anfrage meines Kollegen Niema Movassat hinter den allgemeinen Regelungen, die eine Evaluation von Gesetzen erforderlich machen, nämlich etwa wenn die Kosten für Unternehmen oder Verwaltung über 1 Million Euro liegen. Doch im Bereich der Justiz greift dieser Maßstab viel zu kurz. Direkte Kosten können überhaupt nicht adäquat erfasst werden, und indirekte Folgekosten schon gleich gar nicht. Wenn es danach ginge, müsste eine Vielzahl von Verfahren aber eingestellt werden. Das wäre zum Beispiel im Bereich der Armutskriminalität absolut angebracht. Als Gradmesser, ab wann in der Justiz eine verlässliche Datengrundlage geschaffen werden soll, taugt das Kostenargument aber keineswegs.

Ich komme zum Schluss. Alles in allem ist der Haushalt des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz wenig ambitioniert, und es fehlen mir mutige Akzente. Ansatzpunkte gebe es sowohl im Bereich des Verbraucherschutzes als auch im Bereich der Justiz mehr als genug.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)