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Frieden braucht Abrüstung, Sicherheit braucht Vertrauen!

Rede von Katrin Kunert,

69. Sitzung des Deutschen Bundestages am Mittwoch, dem 26. November 2014
Rede zum Einzelplan 14, Bundesministerium der Verteidigung

Katrin Kunert (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Frau von der Leyen, mein Kollege Michael Leutert hat deshalb auf die Rekrutierung Minderjähriger hingewiesen, weil Deutschland eben nun einmal gegen die UN-Kinderrechtskonvention verstößt. Das darf man an dieser Stelle auch erwähnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Außenminister Steinmeier hat vor kurzem gesagt, dass wir im Ukraine-Konflikt sorgfältig auf unsere öffentliche Sprache achten sollten, wenn wir zu einer Lösung beitragen wollen. Wir stimmen dem ausdrücklich zu; denn auch der Westen trägt Verantwortung für diesen Konflikt. Die Kanzlerin hingegen hat auf dem G-20-Gipfel ausschließlich Russland scharf kritisiert.

Der aktuelle Scherbenhaufen in der internationalen Politik ist riesig. Wir müssen verdammt aufpassen, dass wir nicht in einen neuen Kalten Krieg schlittern. Es ging und geht um militärische Eindämmung und um die Isolierung Russlands.

Deutschland hat bereits den viertgrößten Militärhaushalt der NATO und den siebtgrößten Militärhaushalt der Welt. Alle NATO-Mitglieder zusammen geben zwölfmal mehr für Militär aus als Russland. Darüber sollten wir in diesem Hohen Haus einmal reden.

(Beifall bei der LINKEN – Henning Otte [CDU/CSU]: Können wir gerne machen! – Rainer Arnold [SPD]: Aber wir wollen Russland nichts Böses, egal wie viel wir ausgeben!)

Der Bundespräsident und die Verteidigungsministerin predigen, Deutschland müsse mehr Verantwortung in der Welt übernehmen. Das will die Linke auch. Wir verstehen unter Verantwortung, dass von deutschem Boden nie wieder Krieg ausgehen darf und dass die Auslandseinsätze der Bundeswehr beendet werden sollen.

(Beifall bei der LINKEN – Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Wer gewährleistet dann die Sicherheit?)

Diese schaffen keine nachhaltige Sicherheit und sollen allein im nächsten Jahr 460 Millionen Euro kosten. Das lehnt die Linke ab.

(Beifall bei der LINKEN)

Stattdessen müssen Strukturen kollektiver Sicherheit geschaffen und gestärkt werden. Für uns ist das vor allem die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Sie ist die einzige regionale Sicherheitsorganisation, in der Russland und die USA gleichberechtigte Mitglieder sind. Frieden und Sicherheit in Europa sind nur mit und nicht gegen Russland möglich.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Linke fordert die Beschaffung eines Flugzeugs im Rahmen des Vertrages über den Offenen Himmel; denn durch gemeinsame Beobachtungsflüge kann mehr Transparenz geschaffen werden.

Verantwortung bedeutet für uns auch Mut zur Eigeninitiative. Beenden Sie das Duckmäusertum gegenüber den USA, und setzen Sie sich für die Aufhebung der Sanktionen im Interesse der Menschen in Russland und in Deutschland ein. Wir brauchen den Dialog mit Russland, und wir brauchen eine neue Ostpolitik im Geiste von Willy Brandt.

(Beifall bei der LINKEN – Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Der arme Willy Brandt!)

Wir wollen eine nachhaltige Friedenspolitik, und dafür muss die deutsche Wirtschaft entmilitarisiert werden. Wir fordern einen Konversionsfonds in Höhe von 2,5 Milliarden Euro, der aus dem Reingewinn der Bundesbank gespeist wird. Mit diesem Geld kann der notwendige Strukturwandel sozial und ökologisch gestaltet werden. Konkrete Investitionen in den Umbau der Produktion und in die berufliche Qualifizierung der Beschäftigten werden so möglich. Weiterhin wollen wir nicht mehr genutzte Bundeswehrliegenschaften den Kommunen kostengünstig überlassen. Konversion geht – wenn man sie denn will.

(Beifall bei der LINKEN)

Noch einige Bemerkungen zur Attraktivitätsoffensive der Bundeswehr. Frau Ministerin, haben Sie sich eigentlich gefragt, warum so viele Soldatinnen und Soldaten bereits ihre Grundausbildung abbrechen? Haben Sie sich gefragt, warum es ausgerechnet unter den Offizieren so viele Kriegsdienstverweigerungen gibt? Die Ursachen sind doch nicht der fehlende Flachbildschirm oder schlecht renovierte Stuben; vielmehr ist es die Ausrichtung der Bundeswehr auf mehr Auslandseinsätze und falsche Versprechungen bei der Rekrutierung.

(Florian Hahn [CDU/CSU]: Ach Gott! Das kriegt auch keiner mit, dass es Auslandseinsätze gibt!)

Die üppigen Zuzahlungen für Spezialkräfte in Auslandseinsätzen sind in diesem Zusammenhang der falsche Anreiz.

(Beifall bei der LINKEN)

Richtig dagegen sind die geplanten Solderhöhungen für die freiwillig Wehrdienstleistenden, deren Bezahlung bislang unter dem Mindestlohnniveau liegt.

(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Bitte?)

Es muss auch bei der Bundeswehr einen Mindestlohn geben.

In Ihrem Haushaltsentwurf gibt es nur eine Linie: die Orientierung auf mehr Auslandseinsätze. In meinem Wahlkreis befindet sich das größte Gefechtsübungszentrum. Dort soll eine Kriegsübungsstadt entstehen, in der die Bundeswehr und andere NATO-Truppen künftige Einsatzszenarien trainieren sollen.

(Rainer Arnold [SPD]: Russland hätte so eine gerne gekauft!)

Es soll Hochhäuser, Supermärkte, ein Armenviertel und sogar eine U-Bahn geben; wohl gemerkt, die einzige U-Bahn in ganz Sachsen-Anhalt. Das hat nichts, aber auch gar nichts mit dem Verteidigungsauftrag, wie er im Grundgesetz geschrieben steht, zu tun. Die Linke fordert: Stoppen Sie den Bau des Gefechtsübungszentrums!

(Beifall bei der LINKEN – Lachen des Abg. Norbert Barthle [CDU/CSU] – Henning Otte [CDU/CSU]: Meine Güte! Das ist eine Wahlkreisrede!)

Für die Bundesregierung steht das Militärische immer an oberster Stelle. Für die Folgen ihrer Politik interessiert sie sich leider nur wenig. Das wird im Umgang mit den Radargeschädigten der Bundeswehr und der NVA deutlich. Es ist schäbig, wie die Regierung mit den Radaropfern umgeht. Von den oft unheilbar Krebskranken wird verlangt, dass sie in jahrzehntelangen Gerichtsverfahren selbst beweisen, dass sie radioaktiver Strahlung ausgesetzt waren. Viele von ihnen sterben, bevor sie eine Entschädigung erhalten. Das ist wirklich ein Skandal!

(Beifall bei der LINKEN – Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Sie kennen die Härtefall-Stiftung, die wir geschaffen haben, gar nicht!)

– Das ist anscheinend nicht ausreichend. Waren Sie bei den Gesprächen mit dem Staatssekretär dabei?

(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Ja!)

Es war beschämend, wie er sich verhalten hat. Ich würde an Ihrer Stelle ganz ruhig sein.

(Beifall bei der LINKEN – Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Nein, das bin ich nicht!)

Die Linke fordert eine erleichterte Anerkennungspraxis durch die Umkehr der Beweislast. Frau Ministerin, auch der Wehrbeauftragte schlägt diese Verbesserung vor. Laden Sie die Folgen Ihrer Militärpolitik nicht auf dem Rücken der Soldatinnen und Soldaten ab.

Bei der Regierung stehen alle Zeichen auf Militär, Auslandseinsätze und Rüstung. Wir als Linke setzen auf Abrüstung, Landesverteidigung und eine friedliche Konfliktlösung. Aber dazu fällt Ihnen leider nichts ein. Wir werden diesen Haushalt ablehnen.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)