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Freiheits- und Einheitsdenkmal

Rede von Lukrezia Jochimsen,

Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Lukrezia Jochimsen für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)

Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE):
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Ich spreche nach den großen Daten, auf die der Ministerpräsident verwiesen hat, zu einem speziellen Thema, nämlich der Errichtung eines Freiheits- und Einheitsdenkmals. Schnell, schnell, schnell, bloß keine Diskussion, kein Nachdenken, so müsste man den Antrag der Koalitionsfraktionen und der FDP auf Errichtung eines Freiheits- und Einheitsdenkmals überschreiben.
(Beifall bei der LINKEN)

Noch nicht einmal der federführende Kulturausschuss hatte vorgestern Zeit für eine Aussprache. Der Antrag wurde per Mehrheit aufgesetzt, angenommen und in einer Weise durchgezogen, die aus meiner Sicht allen parlamentarischen Sitten hohnspricht,
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

und das ausgerechnet bei einem Denkmal, das der Erringung demokratischer Freiheiten in der DDR gewidmet werden soll. Sie merken offensichtlich noch nicht einmal, wie weit Ihr Gebaren von der Atmosphäre und dem Niveau der runden Tische entfernt ist, an denen die Demokratie in der DDR neu geboren wurde. Und warum? Weil heute der 9. November ist und an diesem Symboltag ein neues Nationalsymbol etabliert werden soll. Basta! Und was soll symbolisiert werden? Einerseits die friedliche Revolution im Herbst 1989 und andererseits die Wiedergewinnung der staatlichen Einheit sowie die freiheitlichen Bewegungen und Einheitsbestrebungen der vergangenen Jahrhunderte.

Man merkt sofort: Da sind große Verwischtechniker am Werk, die alles Mögliche zusammenbringen wollen, ohne zu fragen, ob das überhaupt geht. Hauptsache, das Denkmal steht 2009 in Berlin. Seit heute früh gibt es einen zusätzlichen Vorschlag. Er sieht zwei Denkmäler, genannt ein Denkmalpaar, vor, das eine in Berlin und das andere in Leipzig. Wenn es nach Herrn Minister Tiefensee geht, soll es Hunderte Denkmäler überall im Land geben. So wurde der Minister neulich in den Zeitungen mit der Aussage zitiert, wo die vielen Kriegerdenkmäler stünden, könnten doch nun Freiheitsdenkmäler errichtet werden. Das ist doch grotesk.

Wir machen dabei nicht mit, und zwar nicht weil uns Freiheit und Einheit egal sind, sondern weil wir uns dem politischen Erbe der ostdeutschen Bürgerrechtsbewegung besonders verpflichtet fühlen.
(Lachen bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Christian Lange (Backnang) (SPD): Das ist purer Hohn! Schämen Sie sich eigentlich nicht? Arnold Vaatz (CDU/CSU): Unglaublich!)

Beruhigen Sie sich! Wer die friedliche Revolution im Herbst 1989 mit der Wiedergewinnung der staatlichen Einheit Deutschlands 1990 in eins wirft, wird diesem Erbe nicht gerecht, weil beide Vorgänge zwei Stufen eines komplexen internationalen, historischen Prozesses darstellen, die nicht unmittelbar aufeinander bezogen werden können. Diese Revolution mit dem Ruf „Wir sind das Volk“ ist singulär in der deutschen Geschichte, sodass sie erst recht nicht mit den freiheitlichen Bewegungen und Einheitsbestrebungen der vergangenen Jahrhunderte vermengt werden kann.
Wir schlagen deshalb ein anderes Erinnern vor:
(Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU): Das glaube ich gern!)

Erinnern an diejenigen, die oft unter großer persönlicher Gefahr Demokratie und Freiheit in der DDR einforderten, Erinnern an die Abertausend Bürger und Bürgerinnen in Leipzig, die demonstriert, protestiert, geredet und andere überzeugt haben, Erinnern an diejenigen, die in den Kasernen und Polizeiwachen geblieben sind und dafür gesorgt haben, dass die Demokratie ohne Blutvergießen begann. Dafür treten wir mit unserem Antrag ein.
(Unruhe bei der CDU/CSU Lachen des Abg. Arnold Vaatz (CDU/CSU))

Da aus unserer Sicht eine solche unblutige Revolution keinen herkömmlichen Denkmalkult erlaubt, möchten wir in Leipzig ein Denkzeichen zusammen mit einem Ort der Information und einem aktiven Museum errichten, welches den Nachgeborenen die grundsätzliche Auseinandersetzung mit der Idee der Freiheit eröffnet.

Natürlich muss darüber eine groß angelegte öffentliche Diskussion geführt werden in diesem Sinne stimmen wir dem Antrag der Grünen zu , eine Diskussion, ausführlich statt schnell, schnell, schnell, nachdenklich statt unüberlegt und vor allem jene Bürgerrechtler und Bürgerrechtlerinnen einbeziehend, die damals das Land verändert haben und die sich heute von der Politik nicht mehr vertreten sehen.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der LINKEN)

Präsident Dr. Norbert Lammert:
Zu einer Kurzintervention erhält der Kollege Jan Mücke das Wort.
Jan Mücke (FDP):
.....
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Zur Erwiderung.

Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE):
Herr Kollege Mücke, es tut mir eigentlich leid, dass Sie die Diskussion jetzt auf dieses Niveau herunterbringen.
(Beifall bei der LINKEN - Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Oh! Volker Kauder (CDU/CSU): Pfui! Volker Kauder (CDU/CSU): Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU): Gut, dass er das ausgesprochen hat!)

Ich bin versucht, Sie zu fragen, wie Sie eigentlich mit den zwei Blockparteien umgehen, die Ihre Partei übernommen hat.
(Beifall bei der LINKEN Widerspruch bei der FDP)

Mich brauchen Sie nicht zu fragen, möglicherweise genauso wenig wie ich Sie dazu befragen kann.
Natürlich erinnern wir uns in unserer Fraktion und in unserer Partei genau an diese Geschichte.
(Zuruf von der CDU/CSU: Übernehmen Sie doch dann mal Verantwortung für Ihren Laden!)

Es liegt uns am Herzen, dass viele der Menschen, die damals diesen Wandel herbeigeführt haben gehen Sie doch einmal durch die ostdeutschen Länder , sich heute nicht mehr vertreten fühlen. Deswegen finden wir: Wenn es ein Denkmal gibt, dann muss das Denkmal zuerst nach Leipzig.
(Jan Mücke (FDP): Ausgerechnet Sie fordern das!)

Dort hat alles angefangen, dort soll erinnert werden, und dafür bin ich hier eingetreten.
(Beifall bei der LINKEN)