Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrte Damen und Herren,
wir haben an dieser Stelle schon mehrfach über das Thema Netzneutralität debattiert. Ich möchte daher nur kurz darauf eingehen, warum die Einhaltung der Netzneutralität notwendig ist, um das Internet, so wie wir es kennen, zu erhalten. „Das Internet bietet enorme Potenziale für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung. Seine Attraktivität und Innovationskraft verdankt es maßgeblich dem offenen und vergleichsweise einfachen Zugang für Nutzer und Anbieter sowie der Übermittlung von Datenpaketen ohne Diskriminierung unabhängig von Sender und Empfänger.“ Das stellte die Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ im Konsens fest. Uneinig war sich die Enquete-Kommission allerdings darüber, wie diese Netzneutralität auch künftig erhalten bleiben könnte. Vertrauten Union und FDP noch ganz auf die Kräfte des Marktes, die schon so oft versagten, forderte die Opposition eine gesetzliche Festschreibung der Netzneutralität.
Nur wenige Tage nach dem der Schlussbericht der Enquete-Kommission hier diskutiert wurde, muss jedem klar geworden sein: Hätten Sie mal auf die Opposition gehört!
Ende April kündigte die Deutsche Telekom an, ab Mai 2013 nur noch Tarife mit einem Inklusiv-Datenvolumen anzubieten. Das heißt, die Telekom bietet keine echten Flatrates mehr an, bei der jede Kundin und jeder Kunde nach Lust und Laune im Internet surfen kann. Die Telekom bietet stattdessen die maximale Geschwindigkeit des gebuchten Internetanschlusses nur noch so lange an, bis ein bestimmtes Kontingent an Daten erreicht ist. Danach wird die Geschwindigkeit soweit gedrosselt, dass allerhöchstens noch das normale Surfen und das Abrufen von E-Mails möglich ist. Datenintensive Dienste wie Streaming- oder Cloud-Dienste können dann nicht mehr sinnvoll genutzt werden. Wobei das nicht ganz stimmt. Es gibt nämlich Dienste, die auch nach der Drosselung weiter mit voller Bandbreite genutzt werden können, und die auch sonst nicht auf das Daten-Volumen angerechnet werden. Die Telekom nennt diese Dienste „Managed Services“ und suggeriert damit, dass diese Dienste irgendwie keine normalen netzbasierten Dienste sind. Was jetzt genau der Unterschied zu anderen Diensten ist, bleibt nebulös. Das ist auch kein Wunder, ist doch der einzige Unterschied, dass die Dienste, die nicht gedrosselt und nicht auf das Daten-Volumen angerechnet werden, der Telekom gehören oder dafür an die Telekom zahlen. Mit Netzneutralität hat das alles nichts mehr zu tun, da kann die Telekom behaupten was sie will.
Das Unternehmen verteidigt sein Vorgehen damit, dass ein geringer Prozentteil der Nutzerinnen und Nutzer für einen großen Datenverbrauch sorgt. Es könne ja nicht sein, dass diese durch alle anderen Nutzerinnen und Nutzer subventioniert würden. Außerdem würden die geplanten Inklusiv-Volumen auch nur die Viel-Nutzerinnen und –Nutzer treffen. Für alle anderen seien die Daten-Volumen vollkommen ausreichend. Hier betreibt die Telekom ordentlich Augenwischerei. Zum einen sind die Kosten, die das Surfen im Internet für den Anbieter entstehen, absolut überschaubar. Sie entstehen hauptsächlich durch die Infrastruktur. Und Kosten für die Infrastruktur fallen so oder so an, egal ob sie nun viel genutzt wird oder wenig.
Zum anderen sind die Datenvolumen mitnichten ausreichend, wenn man das Internet im normalen Umfang nutzen möchte. Für die am weitesten verbreiten DSL-Anschlüsse mit einer Geschwindigkeit bis 16Mbit/s –oft auch DSL 16000 genannt – sieht die Telekom eine Volumenbegrenzung von 75 GB im Monat vor. Das wirkt erst mal viel, ist es aber nicht. Wenn Sie nämlich anfangen, die heutigen Möglichkeiten des Internets zu nutzen, kommen sie ganz schnell an diese Grenze. Ein Film in hoher Auflösung, den Sie vollkommen legal im Internet kaufen und herunterladen oder streamen wollen, hat heutzutage locker die Größe von sechs Gigabyte. Nun wollen sie im Monat vielleicht auch mal drei oder vier Filme schauen und schon sind 25 GB verbraucht. Dann haben sie vielleicht noch ein Kind, das auch mal gerne ein Computerspiel spielt. So ein Spiel kann heute in digitaler Form ebenfalls die Größe von mehreren Gigabyte erreichen. Dann nutzen Sie vielleicht Cloud-Dienste, um Fotos und Daten einfach und überall verfügbar zu halten. Und mit Sicherheit nutzen Sie ein Betriebssystem, das regelmäßig über das Internet aktualisiert werden muss, um bspw. Sicherheitslücken zu schließen oder Fehler zu beseitigen. Das kostet auch wieder Datenvolumen. Bald haben Sie die Hälfte des Datenvolumens verbraucht und Sie haben noch gar nicht viel gemacht, geschweige denn im Internet gesurft oder E-Mails abgerufen. Davon, wie das in wenigen Jahren aussehen wird, wenn Streaming- und Cloud-Dienste viel weiter verbreitet sind, will ich hier gar nicht erst reden.
Wer die Möglichkeiten des Internets nutzen möchte und Telekom-Kundin oder –Kunde ist, hat also künftig gar keine andere Chance, als die sogenannten „Managed Services“ der Telekom oder von Anbietern, die an die Telekom zahlen, zu nutzen. Und hier schließt sich der Kreis und es offenbart sich, worum es der Telekom tatsächlich geht: Um reine Profitmaximierung.
Die Folge ist ein Zwei-Klassen Internet. Die einen bekommen die Basis-Funktionen, die anderen, die es sich leisten können, den vollen Umfang der Internets. Die Leidtragenden? Das werden Menschen mit geringem Einkommen, Familien und kleine Anbieter, die es sich nicht leisten können, sich bei der Telekom eine Vorzugsbehandlung zu kaufen, sein. Kurz gesagt: Es wäre das Ende des freien und offenen Internets.
Damit bewahrheitet sich, wovor DIE LINKE bereits vor über zwei Jahren gewarnt hat. Schon damals habe ich hier das Szenario beschrieben, dass Netzbetreiber, die gleichzeitig auch Inhalteanbieter sind, anfangen würden, ihre eigenen Inhalte schnell und in guter Qualität anzubieten und fremde Inhalte auszubremsen und zu blockieren. Genutzt haben diese Warnungen nichts, die Netzneutralität ist noch immer nicht gesetzlich festgeschrieben. Der Markt würde das schon regeln und wenn der es nicht tut, dann helfen bestimmt böse Briefe von Minister Rösler. Jetzt haben wir den Salat. Nein, meine Damen und Herren, der Markt regelt überhaupt nichts und Briefe erreichen nichts außer den Papierkorb. Das beweist die Telekom. Und das werden auch andere Internetprovider beweisen, wenn diese es der Telekom gleichtun werden. Darauf werden wir nicht lange warten müssen.
Wir fordern die Bundesregierung daher auf, endlich zu handeln und endlich die Netzneutralität gesetzlich zu sichern. Jahrelang haben Sie geschlafen, wachen Sie endlich auf!