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Frau Bundeskanzlerin, Guantanamo muss weg!

Rede von Monika Knoche,

In Ihrer Rede zur Außenpolitik forderte Monika Knoche, stellvertretende Fraktionsvorsitzende DIE LINKE. im Deutschen Bundestag, Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, sich persönlich bei US-Präsident George W. Bush für eine Schließung Guantanamos einzusetzen. Monika Knoche wandte sich in der Haushaltsdebatte entschieden gegen den Krieg um Erdöl und forderte eine ökologische Energiewende. Sie verurteilte eine mögliche Verfassungsänderung, die aus der Bundeswehr eine international agierende Interventionsarmee machen soll.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren und Damen! *Guantanamo* muss geschlossen werden. Diesen Satz sollte die Bundeskanzlerin ihrem baldigen Gast, Herrn Präsidenten Bush, in aller Deutlichkeit sagen. (Beifall bei der LINKEN) Wer politischen Gefangenen grundlegende Rechte vorenthält, sie körperlicher und psychischer Gewalt aussetzt und sie in Suizide treibt - das ist noch zu untersuchen -, darf nicht erwarten, dass die Frau an der Spitze Deutschlands darüber hinweglächelt. Frau Merkel hat als Repräsentantin eines demokratischen Rechtsstaates die Pflicht, deutlich zu fordern, dass dieses Lager geschlossen wird. Der Präsident der USA führt den Krieg gegen Terror mit all seinen Unerträglichkeiten, zum Beispiel mit besonderen Verhörmethoden in Abu Ghureib, politisch katastrophalen Auswirkungen im Irak, neuen Bombardements, geheimen Gefängnissen und all dem, womit der Untersuchungsausschuss sich zu beschäftigen hat. Guantanamo ist ein Schandfleck für das Völker- und das Menschenrecht. (Beifall bei der LINKEN) Nicht nur die Fraktion Die Linke, die aus tiefer Überzeugung gegen den Krieg gegen Terror ist, sieht das so und vertritt diese Einstellung. Ich denke, wir Abgeordneten sollten es dem Europaparlament gleichtun und eine gemeinsame Erklärung abgeben. Diese Realität belastet in nicht unbeträchtlicher Weise die deutsch-amerikanischen Beziehungen. Mit Kontinuität sind die *transatlantischen Bezie¬hungen* unter der großen Koalition meines Erachtens nicht treffend beschrieben. Die Zeit nach dem Kalten Krieg währt schon 16 Jahre. Durch die Macht des Faktischen hat sich mehr neu definiert, als die Politik je diskutiert hat. Die Mehrheit der Bevölkerung lehnt die neuen Kriege des 21.Jahrhunderts ab, auch wenn sie im Namen der Terrorbekämpfung geführt werden. Die große Koalition aber löst sich in dieser Frage nicht aus der unguten Überloyalität zu den USA. Im Gegenteil: Sie versucht, mit einer Militarisierung der EU neben der NATO einen eigenen militärischen Arm zu bewegen. All das geschieht in völkerrechtlich nicht gesicherter oder in verfassungsrechtlich zweifelhafter Weise. Eine weltweit einsetzbare Interventionsarmee soll nach 60 Jahren die Verteidigungsarmee ablösen. Das deutsche Selbstverständnis soll sich ändern. Man ändert lieber die Verfassung, als dass man die Politik zivilisiert. Zivilisierend wäre es, alle Anstrengungen zu unternehmen, sich aus der Abhängigkeit von Öl und Gas zu emanzipieren. Nicht alle Konflikte dieser Welt lassen sich auf dieses Schema zurückführen. Der Konflikt *Israel/Palästina* beispielsweise steht in einem anderen historischen und aktuellen Kontext. Aber auch da schlägt sich Deutsch¬land nur auf die Seite Israels und der USA. Im *Iran* geriert sich Deutschland als diplomatische Vortruppe der US-genehmen Positionen. Der Iran hat sich keiner Verletzung des Atomwaffensperrvertrags schuldig gemacht, aber er droht in unannehmbarer Weise Israel. Und dennoch: Wir Linke setzen auf eine diplomatische Lösung und eine Friedenskonferenz als Bühne dafür. (Beifall bei der LINKEN) Etwas näher gerückt ist erfreulicherweise eine friedliche Beilegung des Konflikts. Bemerkenswert bleibt aus mei¬ner Sicht: Deutschland scheint über kein eigenes diplomatisches Besteck zu verfügen. Es ist eine Außenpolitik, die sich in dem Kreis der G 8 und einer neuen Militärmacht Europa einfindet. Es mag im Einzelnen nach nicht zusammenhängen¬den Außenaktivitäten aussehen, wenn überallhin Solda¬ten entsandt werden. Trotzdem ergibt sich ein stimmiges Bild. Deutschland will den Kampf um die Ressourcen mal mit der NATO, mal mit der EU gewinnen. Das ist eine Ausrichtung, die wir Linke nicht akzeptieren. (Beifall bei der LINKEN) Mitte Juli treffen sich in Sankt Petersburg die Regie¬rungschefs der *G-8-Staaten.* Sie treffen, wie immer, Verabredungen von globaler Tragweite. Ein repräsentati¬ves Gremium für solche weitreichenden Entscheidungen sind sie aber keinesfalls. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Sie haben nicht das Mandat der Welt, um maßgeblichen Einfluss auf diese zu nehmen. Nur ein Siebtel der Welt¬bevölkerung lebt in diesen reichen G-8-Staaten und doch wird die Geschäftspolitik des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank von ihnen allein bestimmt. (Markus Löning [FDP]: Weil das ja auch dieje¬nigen sind, die es bezahlen!) Mittlerweile eignet sich die G 8 immer mehr Themen an, die bei der UNO besser aufgehoben wären, zum Beispiel das Thema *HIV/Aids.* Der UN-Aids-Gipfel vor drei Wochen in New York ergab unter anderem, dass Aids/HIV, gerade was Spritzdrogengebrauch und Prostitution angeht, so eng mit der afghanischen Drogenmafia verbunden ist, dass es ohne eine weltweit neue Ausrichtung der Drogenpolitik nicht zu einer Beherrschung der Infektion kommen kann. Es gibt aber keine Anzeichen - ich war gerade in Russland -, dass die Mächte der G 8 vom unsinnigen und gescheiterten „Krieg gegen Drogen“ ablassen und sich einer aufgeklärten Politik zuwen¬den. Oder glaubt jemand, Präsident Putin wird nach Petersburg die Erkenntnis haben, mit Methadon und Heroinsubstitution für sich prostituierende Mädchen oder Gefängnisinsassen den Kampf gegen Aids aufzunehmen? - Das ist ein Randthema der G 8; ich weiß. Aber es ist aufgerufen worden. Die große Aufgabenstellung lautet: *globale Energiesicherheit.* Im Klartext: Es wird dabei mehr Kriegsge¬fahr beim Kampf um die knapper werdenden Ressourcen und eine Renaissance der Atomindustrie herauskommen. Das halten wir für eine fatale Fehlentwicklung. (Beifall bei der LINKEN) Umso mehr muss begriffen werden, dass die UNO aufgewertet werden muss, wie es auch der UN-General¬sekretär in dieser Woche in der „Frankfurter Rundschau“ sagte, als er davon sprach, dass die Reichen einen erdrückenden Einfluss auf die Vereinten Nationen ausüben. Viele sagen zur *EU-Politik:* Nach dem Brüsseler Gipfel ist die Zukunft ungewiss; die EU ist zerrissen. Das kommt davon - so will ich etwas flapsig sagen -, wenn man sich das Gigaprojekt „supranationale Verfasstheit“ in den Kopf setzt und glaubt, via einen Konvent über die Meinung der Bevölkerung der Mitglied¬staaten hinweggehen zu können. Ich halte die Prognosen hinsichtlich einer Zerrissenheit für übertrieben. Das Projekt „Verfassung“ ist geplatzt. Mehr ist nicht passiert. (Beifall bei der LINKEN) Die Verträge bestehen weiter. Es kann auch ohne Verfassung eine Reform für ein soziales, friedliches Europa geben. (Beifall bei der LINKEN) Eine Reform jedoch hat die EU offenbar vollkommen verpasst; das ist die, die in einigen Ländern *Lateinamerikas* stattgefunden hat. Deshalb begrüße ich, was Sie, Herr Mark, in Ihrer Haushaltsrede dazu gesagt haben. Hätte die Regierung unseren Antrag zum Wiener Gip¬fel gelesen, wäre sie nicht erstaunt gewesen, dass es nicht dazu gekommen ist, eine Freihandelszone auf ganz Lateinamerika auszuweiten. (Beifall bei der LINKEN) Insofern ist es eine gute Nachricht, wenn dort im Schlussdokument die Souveränität und die politische Unabhängigkeit der Staaten Lateinamerikas hervorgeho¬ben werden. Wir hoffen doch sehr, dass sich auch die USA diese Erklärung zu Gemüte führen. Das ist eine gute Nachricht. Keine gute Nachricht - damit komme ich zum Schluss - kommt derzeit aus *Afghanistan.* Hier will die NATO ihr Konzept ausweiten, ja sogar ISAF und Enduring Freedom faktisch zusammenlegen. Am Ende bekäme die Bundeswehr noch einen Kampfauftrag. Das wollen wir auf keinen Fall. (Beifall bei der LINKEN) Deutsche Soldaten sollen nicht Konfliktpartei werden. Was wir stattdessen brauchen, ist eine Exitstrategie. Die Truppenstellenden müssen folgende Fragen beant¬worten: Erstens. Was sind die eigentlichen Kriegsziele? Zweitens. Wann sind diese Kriegsziele erreicht? Drittens. Die Taliban sind erstarkt, es blüht der Mohnanbau, es herrscht der Drogenhandel - was jetzt? Wir sagen, Afghanistan ist so nicht zu schaffen - nicht mit Waffen. (Beifall bei der LINKEN) Die wichtige und richtige Antwort findet man in einer radikalen Energiewende und dem Ende des Krieges um Öl. Das befriedet die Transit- und Exportstaaten, mini¬miert das Risiko atomarer Bewaffnung und schließt eine radikale Abwehr vom Krieg gegen Drogen ein. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der LINKEN)