Der einzige Schlüssel zum Frieden sind Verhandlungen
Herr Präsident!Meine Damen und Herren!
Herr Westerwelle, ich bin richtig erschrocken darüber, was Sie in nur neun Monaten aus dem Außenministerium gemacht haben.
Vorgestern haben Sie auch für Ihr Ministerium Kürzungen beschlossen. Natürlich haben Sie nicht querbeet gleichmäßig gestrichen, sondern Sie haben ganz gezielt die Axt angelegt. Das ist grundsätzlich in Ordnung; aber wenn ich mir anschaue, wo Sie die Axt angelegt haben, dann kommt mir das kalte Grausen. Sie haben genau da gekürzt, wo es um Frieden und Völkerverständigung geht, und das ganz kräftig. Ausgerechnet bei der Abrüstung wollen Sie 19 Millionen Euro einsparen. Sie haben hier vor einem halben Jahr gesagt ich zitiere: Nach dem Jahrzehnt der Aufrüstung brauchen wir jetzt ein Jahrzehnt der Abrüstung ... Das sind Ihre Worte. Das Jahrzehnt der Abrüstung leiten Sie damit ein, die Abrüstung kräftig, um 19 Millionen Euro, zu kürzen. Das müssen Sie mir einmal erklären.
Es kommt aber noch dicker: 67 Millionen Euro sparen Sie bei der humanitären Hilfe und bei der Vorbeugung von Konflikten. Ich habe tatsächlich den Eindruck, dass Sie bei der zivilen Konfliktbearbeitung sparen wollen, um die Konflikte hinterher militärisch zu lösen. Genau das machen Sie in Afghanistan. Dort setzen Sie völlig einseitig auf Waffen und Soldaten.
Aber ich sehe nichts, was Sie für eine Friedenslösung tun. Sie haben hier von einer „Übergabe in Verantwortung” gesprochen. Ich frage mich die ganze Zeit: Was wollen Sie eigentlich übergeben? Einen Krieg oder einen Frieden? Der einzige Schlüssel zum Frieden sind doch Verhandlungen und nichts als Verhandlungen. Jeder Krieg in der Geschichte ist entweder durch eine bedingungslose Kapitulation oder durch Verhandlungen beendet worden. Selbst die größten Träumer in Ihrem Referat können doch nicht ernsthaft glauben, dass die Aufständischen in Afghanistan jetzt die Waffen niederlegen und kapitulieren. Das Gegenteil ist doch der Fall. Die Sicherheitslage ist so desolat wie nie zuvor. Die Anzahl der Toten war im letzten Monat so hoch wie nie seit Beginn des Einsatzes. Das Einzige, was uns bleibt, sind Friedensverhandlungen.
Dafür muss man aber auch etwas tun. Sie haben hier gerade die Friedensjirga erwähnt. Das Hochnotpeinliche an Ihrem Beitrag ist, dass Sie das entscheidende Ergebnis der Friedensjirga hier verschwiegen haben. Denn die Friedensjirga hat ganz klare Forderungen an Sie, Herr Westerwelle, und an alle internationalen Truppensteller formuliert, und zwar mit dem Ziel, die Friedensverhandlungen zu ermöglichen. Ich zähle die Forderungen einmal auf: Erstens fordert die Friedensjirga von Ihnen, alle Gefangenen freizulassen, die ohne Anklage festgehalten werden. Zweitens fordert sie, endlich die Namen von Aufständischen von der internationalen schwarzen Liste zu streichen. Drittens fordert sie eine Sicherheitsgarantie für all diejenigen, die an den Friedensverhandlungen teilnehmen wollen. Das macht auch Sinn. Sie können doch nicht erwarten, dass irgendein Warlord oder Taliban-Führer an Verhandlungen teilnimmt, wenn er befürchten muss, gleich erschossen zu werden!
Das sind keine Forderungen der Linken, sondern sie kommen direkt aus Afghanistan. Da wird es brenzlig. Sind Sie jetyt als Unterstützer der afghanischen Regierung in Afghanistan oder nicht? Führen Sie eigentlich einen Krieg mit den Afghanen oder gegen die Afghanen? Es ist völlig egal, was man von der Regierung Karzai hält. Sie wissen, dass ich von der Korruption gar nichts halte und die Beteiligung von Kriegsverbrechern an der Karzai-Regierung unerträglich finde. Aber dieser Bundestag hat ein Mandat beschlossen, das zentral darauf beruht, die afghanische Regierung zu unterstützen.
Deshalb frage ich Sie jetzt, Herr Westerwelle das sind keine rhetorischen Fragen; ich will wirklich eine Antwort von Ihnen haben; ich höre auch früher auf, dann können Sie etwas von meiner Zeit für Ihre Antwort nehmen: Sind Sie bereit, die Forderungen der afghanischen Regierung und der Friedensjirga zu erfüllen, ja oder nein? Setzen Sie sich konkret dafür ein, dass die Namen von Aufständischen von der UN-Liste gestrichen werden? Was tun Sie dafür, dass es freies Geleit für Friedensverhandlungen gibt?
Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Deutschland keine Waffen mehr exportieren sollte.
Zumindest bei den Rüstungsexporten ist Deutschland schon die Nummer drei in der Welt. Selbst bei der Fußballweltmeisterschaft bin ich darüber gestolpert. Ich habe mir mal angeschaut, wer von den WM-Teilnehmern Waffen in Deutschland gekauft hat. An jedem einzelnen Spieltag bis ins Finale finden sich Länder, in die Deutschland Waffen exportiert hat. Am jetzigen Sonntag spielen die Niederlande und Spanien: Sie haben für 3,9 Milliarden Euro Waffen in Deutschland gekauft. Ich finde das falsch. Ich finde, wir sollten keine Waffen mehr exportieren.
Herr Westerwelle, ich habe noch anderthalb Minuten auf der Uhr. Ich würde mich wirklich freuen, wenn Sie die Fragen ganz konkret beantworten könnten.
Beantworten Sie ganz präzise die Frage: Sind Sie bereit, auf die Forderungen der Friedensjirga einzugehen, was die Friedensverhandlungen angeht? Was ist mit der Streichung der Namen von der schwarzen Liste?
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Wenn Sie Ihre Rede beendet haben, nehmen Sie bitte wieder Platz.
Jan van Aken (DIE LINKE):
Herr Solms, mit Verlaub, aber ich finde, das ist falsch.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Wir machen hier kein Theater.
Jan van Aken (DIE LINKE):
Der Sinn einer Debatte ist doch, dass man miteinander redet, offen Argumente austauscht und irgendwann auch einmal Fragen stellt und Antworten gibt. Wenn hier alle nur vorbereitete Reden vorlesen, kann ich die auch zu Hause lesen.
Deswegen meine ich, dass man auch einmal auf eine Frage antworten sollte. Aber wenn Sie nicht wollen, dann müssen wir es lassen.