Zum Tagesordnungspunkt „Flughafenasylverfahren abschaffen“ gibt die menschenrechtspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Annette Groth folgende Rede zu Protokoll:
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
das Flughafenasylverfahren ist Teil des unmenschlichen Asylverfahrens in Deutschland, das nur den Zweck hat, Flüchtlinge abzuschrecken und das Grundrecht auf Asyl immer weiter einzuschränken.
Mit dem Flughafenasylverfahren wurde eine besonders menschenverachtende Form der Flüchtlingsabwehr entwickelt. Um Flüchtlinge erst gar nicht nach Deutschland einreisen zu lassen, werden die hilfesuchenden Menschen sofort nach ihrer Ankunft auf dem Gelände des Flughafens im Transitbereich weggesperrt. In den Abschiebegefängnissen im Transitbereich der Flughäfen wird den Menschen der Zugang zu einem grundgesetzlich garantierten Recht auf Asyl durch ein Schnellverfahren verwehrt.
PRO ASYL hat mehrfach darauf hingewiesen, dass das Flughafenverfahren mit einem menschenrechtlich vertretbaren Asylverfahren nicht zu vereinbaren ist. Vielfach werden die durchgeführten Anhörungen im Flughafenasylverfahren nicht mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt. Auch das UN-Flüchtlingskommissariat (UNHCR) hat das Flughafenverfahren als äußerst problematisch bezeichnet.
In den letzten 10 Jahren wurden mehr als 3 000 Asylsuchende im Rahmen des Flughafenverfahrens abgelehnt und die Einreise nach Deutschland verweigert. 2009 wurden 435 Anträge auf Asyl durch Flüchtlinge gestellt, die über einen internationalen Flughafen nach Deutschland einreisen wollten, 2010 waren dies 735 Flüchtlinge und 2011 714 Flüchtlinge. Auch aufgrund dieser niedrigen Zahlen wird überdeutlich, dass dieses Verfahren völlig unnötig ist. Es dient einzig und allein der Abschreckung und soll potentielle Flüchtlinge aus Deutschland fernhalten.
Die Fraktion DIE LINKE unterstützt die „Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz“, die das sofortige Ende des Flughafenasylverfahrens und das Recht aller Flüchtlinge auf den sofortigen Zugang zum normalen rechtsstaatlichen Asylverfahren ohne vorherige Schnellverfahren gefordert hat. Das Flughafenverfahren pervertiert die Idee des Asylrechts, so wie es im Grundgesetz Deutschlands verankert ist. Deutschland und die Europäische Union haben sich in den letzten 20 Jahren zu einer Festung entwickelt. Menschen in Not haben immer weniger eine Chance, ihr grundgesetzlich verankertes Recht auf Asyl wahrzunehmen. Durch die restriktive Flüchtlingspolitik werden Flüchtlingen die Einreise nach Deutschland verwehrt und ihrem Schicksal überlassen.
Am Flughafen in Frankfurt am Main liegt die größte dieser Einrichtungen. Von 1999 bis 2008 fanden dort mehr als 2740 Flughafenasylverfahren statt. Alle diese Verfahren wurden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abgelehnt.
Bis Ende September 2011 wurden 278 minderjährige Flüchtlinge von der Bundespolizei aufgegriffen. In 31 Fällen wurden die Kinder zurückgeschoben, ohne das zuständige Jugendamt einzuschalten. Ein solches Vorgehen der Bundespolizei stellt einen klaren Verstoß gegen die Anforderungen aus der UN-Kinderrechtskonvention dar, die dem Kindeswohl den absoluten Vorrang bei allem staatlichen Handeln einräumt.
Alleinreisende Minderjährige haben ein Recht auf eine sorgsame und altersgerechte Betreuung und Hilfe. Das Jugendamt muss automatisch eingeschaltet werden, wenn ein minderjähriger Flüchtling aufgegriffen wird. Kinder und Jugendlichen haben ein Recht auf einen Vormund, der sich um asyl- und aufenthaltsrechtliche Fragen der Kinder und Jugendlichen kümmert. Ausdrücklich verstößt es gegen die Rechte des Kindes, wenn unbegleitete Flüchtlingskinder in Haft genommen werden. Die Fraktion DIE LINKE verlangt von der Bundesregierung, dass dieses Verhalten der Bundespolizei sofort beendet wird und die Rechte der Kinder geschützt werden.
Die geplante Errichtung eines „Abschiebegefängnisses“ im Berlin-Brandenburger Willy-Brandt-Flughafen ist eine Schande für den Namen Willy Brandts, der mit seinem Nord-Süd-Forum für die solidarische Hilfe des reichen Nordens gekämpft hat. Dieser Abschiebeknast wird auf massiven Druck der Bundesregierung gegen den Widerstand der Brandenburger Landesregierung gebaut. Ziel der Bundesregierung ist, dieses undemokratische und menschenrechtsfeindliche Verfahren zu einem EU-weiten Standard zu machen.
Die Fraktion DIE LINKE empfindet einen solchen Umgang mit Menschen für völlig inakzeptabel und tritt seit langem für die Abschaffung des Flughafenasylverfahrens ein. Dieser bürokratische Irrsinn auf Kosten der Asylsuchenden muss endlich ein Ende haben. Bund und Länder sollten endlich auf das Flughafenverfahren verzichten. Die frei werdenden Ressourcen lassen sich zum Schutz von Flüchtlingen wirkungsvoller verwenden. Den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen können wir voll inhaltlich unterstützen.