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Fabio De Masi: Wirecard-Skandal - Wir haben als Erste gewarnt!

Rede von Fabio De Masi,

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Skandal um Wirecard ist eine Blamage für den Finanzplatz Deutschland. Wirecard galt lange als das Wunderkind der Deutschen Börse, und wir bekommen wieder eine alte Börsenweisheit bestätigt: Gier frisst Hirn.

Wir müssen über Betrug sprechen, wir müssen aber auch über Aufsichtsversagen sprechen und, ja, wir müssen auch über Politikversagen sprechen. Keine Sorge: Jeder hier im Raum bekommt noch sein Fett ab.

(Beifall bei der LINKEN – Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Sie selbst auch?)

Ich möchte hier für meine Fraktion festhalten: Es war meine Fraktion, die die ersten und einzigen Anfragen

(Frank Schäffler [FDP]: Wir auch!)

zu einem sehr frühen Zeitpunkt zu den Vorwürfen gegen Wirecard gestellt hat, zwei Kleine Anfragen und zwei schriftliche Fragen.

(Dr. Florian Toncar [FDP]: Nein, das haben wir auch!)

– Ja, es gab im Anschluss auch eine Anfrage der FDP

(Dr. Florian Toncar [FDP]: Vor einem Jahr!)

zum Leerverkaufsverbot und zu den Vorwürfen gegen Journalisten. Ich zitiere mal, was der Kollege Schäffler zum Ergebnis dieser Anfrage gesagt hat. Er sagte, die BaFin habe richtig gehandelt.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Geschäftsführer der Jungen Liberalen hat mich dafür kritisiert, dass ich von „dunklen Kellern“ bei Wirecard sprach. Sprechen wir also über politische Verantwortung: Herr Altmaier stellt sich hierhin und sagt, ein solcher Skandal sei in Deutschland nicht denkbar gewesen. Dann hat er sich wohl noch nicht mit den Problemen der BaFin beschäftigt. Herr Scholz sagt an einem Tag, wo der Präsident der BaFin, Herr Hufeld, Kreide gefressen hat und von einer „Schande für Deutschland“ spricht, die BaFin habe einen harten Job gemacht. Ja, verehrte Damen und Herren, wenn das ein harter Job war, dann will ich nicht wissen, wie der schlechte Job aussieht.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Union will ich nur daran erinnern, dass man sich zum Beispiel in der Bayerischen Staatsregierung dafür auf die Schulter geklopft hat, dass Wirecard umsonst Coronahilfen für sie abgewickelt hat. Herr Gauweiler war sogar der Anwalt von Wirecard im Verfahren gegen die Journalisten der „Financial Times“. Insofern stünde Ihnen allen etwas Demut gut zu Gesicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Kommen wir aber zur Sache. Wirecard hat mutmaßlich ein Schneeballsystem entwickelt, Umsätze fingiert, und es fehlen 1,9 Milliarden Euro oder ein Drittel der Bilanzsumme. Die Commerzbank und die KfW stecken mit 300 Millionen Euro Krediten drin, damit auch der Steuerzahler, und deswegen ist es eine Katastrophe, dass die Finanzaufsicht hier gepennt hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Manager Jan Marsalek ist auf der Flucht. Ich möchte Herrn Marsalek übrigens an dieser Stelle ausrichten, dass die Haftbedingungen in Deutschland mutmaßlich erträglicher als in China oder auf den Philippinen sein dürften.

(Heiterkeit der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])

Meine Fraktion erwartet auch, dass diese Manager mit ihrem privaten Vermögen haften.

(Beifall bei der LINKEN)

Es gab seit langer Zeit Berichte über Unregelmäßigkeiten und Geldwäsche bei Wirecard; denn Wirecard ist groß geworden mit der Abwicklung von Zahlungen in der Pornoindustrie und mit – außerhalb Schleswig-Holsteins illegalen – Onlinewetten. Die deutsche Finanzaufsicht hat Anzeige gegen Journalisten der „Financial Times“ gestellt, die kritisch berichtet haben. Der Vorwurf lautete, sie steckten mit Leerverkäufern, also Spekulanten, die auf fallende Kurse wetten, unter einer Decke. Die BaFin ist bis heute den Nachweis schuldig geblieben, dass die Journalisten Spekulanten vorab über ihre Berichte informiert hätten; denn auch Wirecard war über die Berichterstattung informiert.

Die Vizepräsidentin der BaFin, Frau Roegele, die für diese Anzeigen in der Wertpapieraufsicht verantwortlich zeichnete, hat auch eine illustre Vergangenheit: Sie war Justiziarin der DekaBank und hat damals entschieden der Bank empfohlen, gegen Steuerbehörden in Deutschland zu klagen, weil sie ihr die kriminellen Cum/Ex-Erträge nicht mehr auszahlen wollten. Das zeigt: Wir haben ein fundamentales Problem, auch in der Finanzaufsicht zu viel Nähe zur Finanzindustrie.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Fraktion hat der Auftritt von Herrn Hufeld im Ausschuss nicht überzeugt; denn er argumentiert ja so, dass er sagt: Im Prinzip ist Wirecard so was wie Volkswagen.

(Zuruf von der LINKEN: Ja, ganz genau!)

Da sind wir zuständig für die Bank, aber wir sind nicht zuständig für den Abgasskandal; denn das betrifft ja die Autos. – Wirecard baut aber keine Autos. Sie haben Technologie, um Finanzdaten abzuschöpfen, und sagen, dass sie mit dieser überragenden Technologie dann Kreditausfallrisiken zum Beispiel besser abschätzen können. Aber sie sind selbst nach Darstellung der BaFin in dieser Leerverkaufsverfügung ein Anbieter von Zahlungsdiensten. Einen Widerspruch konnte Herr Hufeld hier nicht auflösen. Er hat nämlich gesagt, dass man damals nicht in der Lage gewesen sei, sie als Finanzholding einzustufen, damit die BaFin mehr direkte Zugriffsrechte hat, dass er sich jetzt aber darum bemühe. Allerdings gab es seither keine rechtlichen Änderungen. Insofern glauben wir, dass Herr Hufeld nicht geeignet ist, die BaFin neu aufzustellen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir müssen auch über die Haftung der Wirtschaftsprüfer sprechen; denn sie unterliegen einem fundamentalen Interessenkonflikt. Sie werden von den Unternehmen bezahlt, die sie auch prüfen sollen. Im „Spiegel“ stand, dass der Vorstand von Wirecard gerne in einem Boxstall zu Gast war, mit Zigarren, Whisky, Mädels – das ganze Programm – und den Wirtschaftsprüfern im Schlepptau.

Das zeigt: Wir haben noch viel zu tun, und Die Linke wird dies wie in der Vergangenheit angehen. Wir laden Sie gerne dazu ein, mitzumachen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)