Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich stelle für meine Fraktion fest: Es war selbstverständlich richtig, in der Krise viele Milliarden Euro in die Hand zu nehmen, um Unternehmen und Arbeitsplätze zu schützen, weil die Krise teurer geworden wäre, wenn Unternehmen gestorben wären, wenn Arbeitsplätze vernichtet worden wären und wenn in der Folge auch die Steuereinnahmen eingebrochen wären.
(Beifall bei der LINKEN – Peter Boehringer [AfD]: 500 000 dieses Jahr!)
Die Menschen in Deutschland fragen sich: Was hat diese Regierung denn im Sommer gemacht? Die Milliarden waren schon auf dem Konto der Lufthansa, bevor der Beschluss hier gefasst wurde, und das, obwohl dort Arbeitsplätze abgebaut werden. Aber die Novemberhilfe heißt jetzt Januarhilfe oder Zu-spät-Hilfe. Warum hat die Regierung denn gepennt und die Software nicht vorbereitet, meine Damen und Herren?
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das ist unverantwortlich, weil man mit den Existenzen von Menschen spielt. Auch die Überbrückungshilfen wurden gar nicht in vollem Umfang abgerufen, weil die Voraussetzungen dafür eben nichts mit der Realität von Selbstständigen zu tun haben.
Eines ist völlig unverständlich: Es gibt ja auch Krisengewinner; denken wir an Amazon. Die machen Gewinne, wenn die Geschäfte wieder zumachen müssen und viele Leute im Internet bestellen. Warum hat diese Regierung verhindert, dass Multis wie Amazon für jedes Land klarmachen müssen, wie hoch ihre Gewinne und bezahlten Steuern sind? Das wäre das Mindeste gewesen. Das hat diese Regierung in Brüssel blockiert.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich will hier nur sagen, weil über die Schuldenbremse gesprochen wird: Wenn man wirklich zur Schuldenbremse zurückkehren will, ist das eine völlig verrückte Idee; denn dann bremst man die Wirtschaft von 100 auf null runter. Die Schuldenbremse hat doch nicht die Schulden gebremst; sie bremst die Investitionen. Wir verdanken den Abbau der öffentlichen Verschuldung in den letzten Jahren doch nicht der Schuldenbremse, sondern den niedrigen Zinsen. Die Quote der Zinskosten zum Schuldendienst betrug vor der letzten großen Finanzkrise 14,2 Prozent; heute liegt sie bei 1,9 Prozent. Wir sparen dieses Jahr 11 Milliarden im Haushalt durch die Negativzinsen. Und die Schuldenstandsquote ist geringer als nach der letzten Finanzkrise. Deswegen hat der Finanzminister recht, wenn er sagt: Wir müssen langfristig aus den Schulden herauswachsen. – Dann muss man aber auch bei den Tilgungsfristen ansetzen. 20 Jahre sind hier verabredet. In Nordrhein-Westfalen – übrigens CDU-regiert, habe ich gehört – sind es 50 Jahre. Das müssen wir auch hier machen, damit wir langfristig aus diesen Schulden herauswachsen können.
(Beifall bei der LINKEN)
Es gab in der Vergangenheit Kriegsanleihen; die wurden über 100 Jahre bedient.
Ich will Ihnen einmal vorlesen, verehrte Kollegen von der Union, was Herr Professor Rürup – das war einer der Verteidiger der Schuldenbremse – im „Handelsblatt“ dazu geschrieben hat:
"Die Regeln der Schuldenbremse sind für die heutige Zeit falsch konzipiert. Statt diese Vorschrift trickreich zu umgehen, sollte sie ehrlich infrage gestellt werden."
Unsere Rede, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN)
Wenn man zur Schuldenbremse zurückkehren will, dann muss man die zentrale Frage in diesem Land beantworten: Wer macht den Abwasch? Wo sollen die Steuern erhöht oder die Ausgaben reduziert werden? Wer diese Frage nicht beantwortet, der soll sich bei der Bundestagswahl erst gar nicht mit seinen Wahlplakaten blicken lassen! Sind es wieder diejenigen, die den Laden am Laufen gehalten haben in der Intensivpflege oder als Lagerarbeiter, die die Rechnung bezahlen sollen? Nein, meine Fraktion ist der Meinung: Die Multimillionäre und Milliardäre in diesem Land, die Krisengewinner, dürfen sich nicht nur fragen, was dieses Land für sie tun kann, sondern müssen sich endlich auch fragen, was sie für dieses Land tun können.
(Beifall bei der LINKEN)
Da sind sie alle angesprochen, auch diejenigen, die immer großzügig Spenden an die ein oder andere Partei verteilen, die Quandts und die Klattens oder die neue Mittelschicht von Herrn Merz. Der könnte sich auch mal fragen, was er denn gemacht hat zum Beispiel bei Cum/Ex; da war er Aufsichtsrat bei der HSBC. Wo war der Kritiker der Vermögensteuer da, der liebe Herr Merz?
Ich will es hier noch einmal sagen: Ich begrüße natürlich, wenn der Finanzminister durch uns jetzt ein paar Denkanstöße bekommen hat und bei „Hart aber fair“ eine Vermögensteuer fordert. Es reicht aber nicht, sie bei „Hart aber fair“ zu fordern. Man muss sie hier beschließen, im Bundestag. Das ist die zentrale Frage.
(Beifall bei der LINKEN)
Weil ein Redner der AfD davon fantasiert hat, dass in Italien die Steuern gesenkt würden, und mich dabei angeguckt hat, will ich zum Schluss nur einmal sagen: Ich als Deutsch-Italiener gehöre zu den wenigen Bundestagsabgeordneten, die ihre Steuererklärung im Netz veröffentlichen, die höhere Steuern für sich selbst fordern und ihre Steuern in Deutschland zahlen. Das ist ein Unterschied zu den Hobbypatrioten von der AfD; die zahlen die Steuern in der Schweiz.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)