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Fabio De Masi: Super-Reiche besteuern, die Mitte entlasten!

Rede von Fabio De Masi,

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Seit 1998 wurden die oberen 30 Prozent der Haushalte steuerlich entlastet und die unteren 70 Prozent stärker belastet. Das sind nicht die Zahlen der Linken; das sind die Zahlen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Diese Steuerpolitik gegen die Mehrheit hat die Mitte geschwächt. Deswegen muss heute hier einmal gesagt werden: Wer die Mitte entlasten will, der muss die wirklich Reichen in diesem Land zur Kasse bitten.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Nun behaupte ich nicht, dass, wer zu den oberen 30 Prozent gehört, automatisch steinreich ist. Aber der Glaubwürdigkeitstest der Steuerpolitik ist doch, ob Sie hier mal etwas vorlegen, was Sie und mich stärker in die Pflicht nimmt und etwas für die Krankenschwester oder den Polizisten tut. Warum kriegen Sie das eigentlich nie auf die Kette?

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die FDP behauptet, sie wolle den Mittelstandsbauch im Steuertarif beseitigen. Das klingt nett. Die meisten Kolleginnen und Kollegen der FDP sind auch nett. Aber dieser Vorschlag ist nicht nett.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP)

Ich will Ihnen auch erklären, warum: weil die maximale Entlastung im Vorschlag der FDP von 148 Euro pro Jahr oder 12 Euro pro Monat ab einem zu versteuernden Monatseinkommen von 4 500 Euro greift. Das tatsächliche Einkommen ist ja noch höher, weil die Abzüge herausgerechnet werden. Bei einem zu versteuernden Einkommen von 1 000 Euro pro Monat wird man aber nur um 1 Euro pro Monat entlastet. Wer weniger als 800 Euro pro Monat zu versteuern hat, geht nach dem Vorschlag der FDP ganz leer aus.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das ist ja typisch!)

Wer also mehr als das 4,5-Fache dieses zu versteuernden Einkommens von 1000 Euro hat, wird um das 12-Fache stärker entlastet. Das setzt die Steuerpolitik der letzten 20 Jahre fort. Eine Steuerpolitik, die Investmentbanker oder mich als Bundestagsabgeordneten stärker entlastet als eine Krankenschwester oder einen Polizisten, ist einfach nur dreist und unverschämt.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die FDP versucht einen alten Trick: Sie entlastet fast alle, aber im oberen Bereich mehr, damit viele Menschen denken: Das ist ja immerhin auch gut für mich selbst. – Aber die Leute sind nicht blöd. Billig ist das neue Teuer. Das ist Entlastung auf Pump zugunsten einer Minderheit. 30 Milliarden Euro – diese Zahl ist hier genannt worden – kosten die Vorschläge in Ihrem Antrag – schlappe 30 Milliarden Euro!

(Markus Herbrand [FDP]: Das ist Quatsch!)

Ich übersetze das einmal in Zahlen. Die Bundesregierung sagt:

(Markus Herbrand [FDP]: Quatsch!)

Allein der Schaden aus den Cum/Ex-Gaunereien beträgt 5 Milliarden Euro. Das heißt, die Vorschläge in Ihrem Antrag sind sechsmal so teuer wie der Cum/Ex-Skandal, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der LINKEN – Thomas L. Kemmerich [FDP]: Das ist doch falsch! Sie wissen es selbst besser, dass das falsch ist!)

Die oberen 30 Prozent am meisten zu entlasten, wird die Wirtschaft wohl kaum beleben. Meine 148 Euro an Entlastung bringe ich doch nicht gleich in den Supermarkt; die bringe ich zur Bank. Entweder man setzt den Staat auf Diät – der Staat sind wir aber alle; das heißt, jedes Jahr fehlen etliche Milliarden; Milliarden für die Zukunft unserer Kinder, für Universitäten, für Brücken, Krankenhäuser –, oder ich muss anderen die Steuern erhöhen. Welche Steuer wird dann wohl erhöht? Die Mehrwertsteuer, die vor allem die Kassiererin, die ihr ganzes Einkommen in den Supermarkt trägt, zu bezahlen hat. Das ist grob ungerecht.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Worum geht es aber beim Mittelstandsbauch? Es geht darum, dass man mit steigendem Einkommen in einen höheren Steuertarif rutscht. Man hat also bei steigendem Einkommen immer noch mehr Geld als vorher, muss darauf aber mehr Steuern entrichten. Das ist wie die Steigung an einem Berg. Man steigt höher, aber es kostet auch mehr Kraft. Den Mittelstandsbauch zu beseitigen, hieße, diesen Anstieg weniger steil zu machen. Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten:

Erstens. Man erhöht den Eingangssteuersatz. Man fährt also mit dem Aufzug erst mal die 100 Meter den Berg hoch. Dann ist der Weg bis zum Gipfel des Spitzensteuersatzes nicht mehr so steil. Weil man aber gleich mit einem höheren Steuersatz einsteigt, heißt das, dass die Steuern für Geringverdiener erhöht werden, man beim Verlassen des Fahrstuhls also gleich kräftig abkassiert wird.

Es gibt eine zweite Möglichkeit. Man senkt den Gipfel des Berges, also den Spitzensteuersatz, ab. Dann ist der Anstieg weniger steil. Das ist aber ungerecht; ich komme gleich darauf zurück.

Und es gibt eine dritte Möglichkeit, nämlich den Spitzensteuersatz zu erhöhen, ihn aber später greifen zu lassen als heute. Das will Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD -Dr. Wiebke Esdar [SPD]: Die SPD auch!)

Der Gipfel des Berges liegt dann höher; aber der Anstieg verteilt sich auf eine längere Strecke, ist also weniger steil.

Heute liegt der Spitzensteuersatz von 45 Prozent bei über 260 000 Euro Jahreseinkommen. Das heißt aber nicht, dass man 45 Prozent auf die 260 000 Euro bezahlt, sondern 45 Cent auf den Euro über der Verdienstgrenze. Ich zahle als MdB zum Beispiel in der Spitze 42 Prozent. Auf die ersten 9 000 Euro zahle ich aber nichts, und über den 9 000 Euro zahle ich auch weniger als die 42 Prozent. Mein durchschnittlicher Steuersatz beträgt daher nur knapp 30 Prozent. Es wäre daher ehrlicher für unsere steuerpolitischen Debatten, wir würden mal auf das Wort „Spitzensteuersatz“ verzichten und zukünftig über die Durchschnittssteuersätze in diesem Land sprechen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Denn wer nur 1 Euro über der Verdienstgrenze liegt, der zahlt die 42 Prozent, aber eben nur auf 1 Euro und nicht auf die restlichen 55 960 Euro.

Die Linke will einen Spitzensteuersatz von 53 Prozent wie unter Helmut Kohl; aber sie will Bruttoeinkommen bis 7 100 Euro im Monat entlasten. Der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman fordert gar, dass Einkommensmillionäre einen Spitzensteuersatz von über 70 Prozent beim Einkommen entrichten. Es wäre in der Tat an der Zeit, etwas für die Leistungsträger in diesem Land zu tun: die Krankenschwestern, die Schichtarbeiter, die Polizisten. Genau das kriegt die FDP leider nie auf die Reihe.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)